Die Asche meiner Mutter

Eine unglückliche Kindheit ist oft der Stoff, aus dem die Entschuldigungen und Rechtfertigungen für die Abwege der Erwachsenen sind, und dies gilt für die Realität genauso wie für die Fiktion.

  Traum  vom gelobten Land: Der kleine Frank (Joe Breen).

Traum vom gelobten Land: Der kleine Frank (Joe Breen).

Foto: dpa

Mancher jedoch macht aus der Not auch eine Tugend, und so hat Frank McCourt die in seinen Augen verschärfte Form der unglücklichen Kindheit, nämlich seine "unglückliche katholische irische Kindheit", als Ausgangsmaterial für ein Buch benutzt, das sich nach seinem Erscheinen im Jahr 1996 schnell zum internationalen Bestseller mauserte.

Er schafft es mit diesem Buch, seine Leser auf wundersame Weise zu unterhalten und zu beglücken, obwohl sein Inhalt eigentlich alles andere als erbaulich ist. Alan Parker hat es jetzt verfilmt.

Zur Zeit der Depression in New York geboren, kehrt Frank im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie nach Limerick zurück, da die irische Heimatstadt seiner Mutter Angela der Familie bessere Überlebenschancen zu bieten scheint.

Doch nachdem Angela schon in New York ihre kleine Tochter Margaret verloren hatte, sterben in Limerick auch die zweijährigen Zwillinge Oliver und Eugene. Malachy, ihr Mann, versäuft hüben wie drüben gleichermaßen Lohn und Arbeitslosengeld, so dass Hunger und Bettelei den Alltag von Mutter und Söhnen bestimmen.

In Frank wächst der Traum, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten zurückzukehren, und sein unverdorbener Charakter und seine unverwüstliche Bauernschläue lassen ihn durchhalten, bis er sich mit 17 Jahren tatsächlich die heiß ersehnte Fahrkarte nach Amerika kaufen kann.

Der oftmals absurde Humor, den die konsequent aufrichtige Erzählperspektive des Kindes mit sich bringt, hat "Die Asche meiner Mutter" zu einem bittersüßen Leseerlebnis gemacht, das nur durch McCourts trocken-ironischen Tonfall zu ertragen ist.

Leider ist es Alan Parker nicht gelungen, diesen Tonfall auch auf die Leinwand zu übertragen. Akribisch nachgebaute Kulissen, in Dreck getauchte Kleidungsstücke, peinlich genau in Szene gesetzte Details bilden den unangenehm lebensecht wirkenden Hintergrund für einen Film, der jedoch quälend auf der Stelle tritt, anstatt mitzureißen.

Zwar sind mit Emily Watson und Robert Carlyle zwei profilierte britische Schauspieler in die Rollen von Franks Eltern geschlüpft, doch bleiben sie blutleer und blass.

Zwar ist Alan Parker das Kunststück gelungen, drei talentierte Jungdarsteller für die Darstellung Franks zu finden, doch fehlt ihren Rollen die unschuldige Kraft des Originals.

Und John Williams'' violinenträchtiger Soundtrack verleiht dem Ganzen endgültig einen melodramatischen Unterton, der überhaupt nicht zu Frank McCourts bodennahem Stil passen möchte.

Anstatt die Zeilen des Buches in einer anderen Kunstform lebendig werden zu lassen, ist Alan Parkers Film leider nur ein trostlos graues Stilleben geworden.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

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