Kritik zum Oscarfavoriten "Shape of Water" ist großes, kreatives Kino

Bonn · Die wunderbare Sally Hawkins ist das Herz des märchenhaften Films „Shape of Water“ aus der Werkstatt des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro.

Liebesfilm, Monster-Movie, Märchen, Spionage-Thriller, Fantasy – Guillermo del Toros ab Donnerstag in den Kinos zu bestaunender Film „The Shape of Water“ ist vieles in einem und verbindet die verschiedensten Genres miteinander. Aber vor allem ist dieser Film großes, kreatives Kino, das beherzt aus dem Vollen schöpft. Dass der mexikanische Regisseur ein cineastischer Magier ist, der Seelenlandschaften auf der Leinwand entwerfen kann, hat er bereits in seinem düsteren Fantasy-Gemälde „Pan's Labyrinth“ bewiesen. In „The Shape of Water“ entwickelt er eine ganz eigene Form von magischem Realismus, indem er seine Geschichte im klar definierten historischen Kontext des Kalten Krieges ansiedelt und diesen ins Fantastische transformiert.

Im Zentrum der Geschichte steht die stumme Elisa (Sally Hawkins), die in Baltimore der 1960er Jahre über einem Kino wohnt und in einer militärischen Forschungsstation als Putzfrau arbeitet. Eines Tages wird ein großer Wassertank ins Labor gerollt. Darin befindet sich ein Amphibienmann, der von dem finsteren Wissenschaftler Colonel Strickland (Michael Shannon) aus dem Amazonas hergebracht wurde, wo man das wundersame Wesen als Gottheit verehrte.

Aber Strickland und seine vorgesetzten Generäle wollen den Wassermann als Versuchstier erforschen und erhoffen sich Erkenntnisse, die ihnen beim Wettlauf im All gegen die Sowjets Vorteile verschaffen könnten. Dabei haben die Gegner bereits mit Dr. Hoffstetler (Michael Stuhlbarg) einen Spion eingeschleust, der das Forschungsobjekt im Auge behalten und notfalls liquidieren soll. Während der Amphibienmensch sich den Wissenschaftlern verweigert, öffnet er sich gegenüber Elisa, die heimlich ihre Mittagspause im Labor verbringt, den unfreiwilligen Probanden mit gekochten Eiern und Jazz-Musik aus der Deckung lockt und ihm sogar ein wenig Zeichensprache beibringt.

Elisa ist fasziniert von der Andersartigkeit des Wesens und erkennt in der gepeinigten Kreatur das eigene Außenseiterdasein. Als klar wird, dass Strickland den Wassermann umbringen und sezieren will, beschließt Elisa den Gefangenen zusammen mit ihrer Kollegin Zelda (Octavia Spencer) und dem Nachbarn Giles (Richard Jenkins) aus dem Labor zu befreien.

Deutlich lehnt del Toro sein Fantasy-Märchen an die Erzähltradition von „Die Schöne und das Biest“ an. Allerdings ist das Monster hier ein Wesen von betörender Schönheit, das selbst aus der Gefangenschaft befreit werden muss. Anders als im Genre üblich bleibt die Liebe zwischen Mensch und Kreatur nicht nur metaphorische Behauptung, sondern nimmt in einer traumschönen Unterwasserszene fassbare Gestalt an. Elisas langsames, sensibles Herantasten an das Andersartige stellt der Film die kalte, staatlich legitimierte Gewalt entgegen, die hier in Form des sadistischen Wissenschaftlers Strickland ein wenig plakativ inszeniert wird. Durch ihr antagonistisches Denken hebeln sich die konkurrierenden Mächte in bester Spionage-Film-Manier gegenseitig aus, während sich das Außenseiter-Kollektiv an die Gefangenenbefreiung macht.

Das Herz des Filmes schlägt kraftvoll für seine unkonventionelle Heldin, der Sally Hawkins in dieser nonverbalen Rolle eine zärtliche Willenskraft verleiht, was ihr zurecht eine Oscar-Nominierung eingebracht hat. Vor allem jedoch überzeugt „Shape of Water“ durch seine visuelle Kraft und ungeheuren Detailreichtum. Maritime Grüntöne durchdringen den ganzen Film. Fließend wird das Sechziger-Jahre-Setting ins Fantastische verformt. Und wenn ganze Räume geflutet werden, um die Liebenden im nassen Element zu vereinen, scheint das Wasser durch die Leinwand direkt in den Kinosaal hineinzusickern.

Ab Donnerstag im Rex und in der Neuen Filmbühne.

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