EU-Länder wollen Flüchtlinge aus der Türkei übernehmen

Brüssel · Deutschland und andere EU-Staaten bereiten die Übernahme von Flüchtlingen aus der Türkei auf freiwilliger Basis vor. Das ergab ein Spitzentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), mehreren EU-Regierungschefs und dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu in Brüssel.

 Syrische Flüchtlinge in einem Zeltlager nahe der türkischen Stadt Sanliurfa. Foto: Sedat Suna/Archiv

Syrische Flüchtlinge in einem Zeltlager nahe der türkischen Stadt Sanliurfa. Foto: Sedat Suna/Archiv

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Der "Club der Willigen" stehe allen 28 Mitgliedstaaten offen, betonten Diplomaten. Die niederländische EU-Ratspräsidentschaft, die vom 1. Januar an die Amtsgeschäfte der Union führt, werde eine Arbeitsgruppe einsetzen.

Die Türkei und wichtige EU-Länder seien sich einig, die illegale Migration nach Europa deutlich zu reduzieren, verlautete aus deutschen Regierungskreisen. Davutoglu forderte die EU-Länder auf, die Umsiedlung von Syrern aus der Türkei in EU-Staaten zu beginnen und insgesamt großzügiger vorzugehen.

Die Gespräche zwischen den zehn EU-Ländern und der Türkei fanden unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfels statt. Davutoglu zeigte sich gegenüber Medien seines Heimatlandes zufrieden. "Wir befinden uns in einer Phase, in der wir die intensivsten Gespräche und die konkretesten Ergebnisse erzielt haben." Ins Detail ging er nicht.

Die EU und die Türkei hatten bei einem Sondergipfel Ende November ihren Beziehungen neuen Schwung verliehen. Schon damals war von den Kontingenten die Rede gewesen. Angaben zur möglichen Größenordnung wurden bisher nicht veröffentlicht.

Zu dem Gespräch in der österreichischen EU-Botschaft kamen außer Merkel und Davutoglu auch Spitzenvertreter aus Luxemburg, Griechenland, Schweden, Belgien, Finnland, Slowenien, Portugal, Frankreich und der Niederlande. Juncker sagte, das Vorpreschen der "Willigen" bedeute keine Spaltung der Union.

In der Türkei sind rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien untergekommen. Um ihre Situation zu verbessern, wird die EU dem Land mit drei Milliarden Euro helfen. Es werden nun konkrete Projekte gesucht, sagten Diplomaten

Die größte Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg wird auch den Gipfel aller 28 Staaten bestimmen, der bis Freitag dauert. Umstritten ist der Vorstoß der EU-Kommission zur Stärkung des europäischen Grenzschutzes. "Falls wir die Vorschläge der Kommission zurückweisen, werden wir eine andere, ähnlich schmerzhafte Lösung finden müssen", warnte Gipfelchef Donald Tusk vor Beginn der Beratungen.

Die Pläne sehen vor, dass eine gestärkte europäische Grenzschutzagentur Frontex notfalls auch gegen den Willen betroffener Staaten zur Sicherung der Außengrenzen aktiv werden kann. Länder wie Tusks Heimatland Polen oder Ungarn kritisieren den Vorstoß. "Europa kann nicht verletzbar bleiben, da Schengen-Staaten nicht in der Lage sind, ihre Grenzen zu schützen", sagte Tusk.

Der britische Premier David Cameron bekam von Kommissionschef Juncker einen Dämpfer bei seinen Forderungen zur Reform der Union. Cameron will unter anderem, dass zugewanderte EU-Bürger mindestens vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, bevor sie einen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen haben.

"Die Kommission ist bereit, nach anderen Möglichkeiten als dieser einen zu suchen, die vom britischen Premier vorgeschlagen worden ist", sagte Juncker. "Ich bin ziemlich überzeugt, dass wir eine Antwort auf diese hoch komplizierte Frage finden werden."

Tusk sagte, die Mitgliedstaaten seien bereit, mit Cameron zu sprechen. "Einige Teile der britischen Forderungen scheinen nicht hinnehmbar", schränkte er ein, ohne ins Detail zu gehen.

Cameron sagte vor dem Gipfel, er wolle handfeste Fortschritte in allen vier angesprochenen Bereichen sehen. "Wir machen keinen Druck für einen Deal heute, aber wir machen Druck für echte Bewegung."

Die EU lässt sich auf Reformverhandlungen ein, um Großbritannien in der Union zu halten. Cameron will seine Landsleute bis Ende 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen lassen.

Österreichs Kanzler Werner Faymann schließt finanzielle Konsequenzen für weniger solidarische EU-Mitglieder nicht aus. "Wer unter dem Strich mehr Geld aus dem EU-Haushalt erhält als einzahlt, sollte sich bei einer fairen Verteilung der Flüchtlinge nicht einfach wegducken", sagte er der "Welt". Er bezog sich dabei auf die Verteilung von 160 000 Flüchtlingen auf EU-Staaten.

Bei der vor drei Monaten vereinbarten Zahl von 160 000 Flüchtlingen geht es im wesentlichen um Menschen, die in Griechenland und Italien ankamen. Einige mittel- und osteuropäische Staaten sperren sich nach wie vor. Bisher wurden nach EU-Angaben nur 208 Personen umgesiedelt.

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