Trumps Kandidat Der Fall Kavanaugh und der Kulturkampf ums Oberste Gericht

Washington · Am Fall des Richterkandidaten Brett Kavanaugh zeigt sich der heftige Kulturkampf in den USA. Die Republikaner um Donald Trump schreiten mit der Nominierung voran - trotz heftiger Proteste. Der Showdown könnte am Samstag folgen.

Sie sind wütend und sie lassen nicht locker. Immer wieder kam es in den vergangenen Tagen in den altehrwürdigen Hallen des US-Kongresses zu tumultartigen Szenen.

Dutzende Demonstranten, die meisten von ihnen Frauen, harrten in den Gängen des Parlaments aus, besetzten Flure oder konfrontieren männliche Senatoren vor Fahrstühlen mit ihrer Wut darüber, dass ein Mann Richter am Obersten US-Gericht werden könnte, dem mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vorwerfen. Allein am Donnerstag wurden 302 Demonstranten kurzzeitig festgenommen, darunter die Schauspielerin Amy Schumer und das Model Emily Ratajkowski. Manche Senatoren bewegen sich nur mit Polizeischutz durch den Kongress.

An dem Fall des Supreme-Court-Kandidaten Brett Kavanaugh hat sich eine heftige Wut entzündet. Die Me-Too-Bewegung hat den US-Kongress erreicht und Kavanaugh, den US-Präsident Donald Trump für den Posten am Obersten Gericht ernannt hat, könnte zum Helden der Gegenbewegung werden. Es ist der Schauplatz eines erbitterten Kulturkampfes. Auf der einen Seite stehen die, die verhindern wollen, dass über Missbrauchsvorwürfe einfach hinweggesehen wird. Auf der anderen die, die fürchten, dass Männer unter Generalverdacht gestellt werden.

Trump hat deutlich gemacht, auf welcher Seite er steht, als er sagte, es sei eine beängstigende Zeit für junge Männer in Amerika. "Man kann angeklagt werden, bevor man seine Unschuld bewiesen hat", erklärte der Präsident am Dienstag. Auf die Frage nach einer Botschaft an junge Frauen, sagte er, Frauen gehe es sehr gut. Später machte er sich in einer Rede über Christine Blasey Ford lustig, eine der Frauen, die Kavanaugh eines sexuellen Übergriffs beschuldigen.

Seine Republikaner schritten unterdessen mit der Berufung des umstrittenen Richters voran. Am Freitag stimmte der Senat mit einer knappen Mehrheit dafür, die Debatte über die Nominierung Kavanaughs zu beenden. Das ist Teil des Verfahrens in der Kammer, die eigentliche Abstimmung über die Personalie darf erst 30 Stunden später folgen, sie könnte schon an diesem Samstag folgen.

Rückblick: Mitte September veröffentlichte die "Washington Post" einen Bericht über Christine Blasey Ford. Sie wirft Kavanaugh eine versuchte Vergewaltigung vor 36 Jahren vor. Er bestreitet das, die Beweislage ist schwierig. Es gibt Vorwürfe weiterer Frauen.

Sowohl Ford als auch Kavanaugh haben in einer stundenlangen Anhörung vor dem Justizausschuss des Senats ausgesagt. Sie beschrieb dabei detailliert, wie ein betrunkener Kavanaugh in Anwesenheit einer seiner Freunde sexuell übergriffig geworden sei und seine Hand auf ihren Mund gelegt habe, um sie am Schreien zu hindern. Er verteidigte sich in einer aggressiven Rede, wurde immer wieder laut, zeigte sich wütend und unwirsch, attackierte die oppositionellen Demokraten mehrfach scharf.

Nach der hitzigen Anhörung zeigte sich der Senat tief gespalten. Die Demokraten stellten sich hinter Ford, die Republikaner hielten mehrheitlich an ihrem Kandidaten fest, aber einer von ihnen, der Senator Jeff Flake, forderte, dass das FBI die Hintergrunduntersuchung zu Kavanaugh noch einmal um die Vorwürfe erweitern müsse. Trump gab der Bundespolizei eine Woche Zeit dafür. Die Demokraten hielten das für nicht ausreichend und kritisierten, dass das FBI zu wenig Zeugen befragt habe.

War die Untersuchung mehr als ein Feigenblatt für die Republikaner? Trump und die Führung der Konservativen haben keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie die Personalie unbedingt durchboxen wollen. Die Papiere zur FBI-Untersuchung waren den Senatoren noch gar nicht zugänglich gemacht worden, da setzte der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell schon die Verfahrensabstimmung an.

Für Trump und die Republikaner geht es um viel, sie wollen den Sitz am obersten Gericht unbedingt mit einem konservativen Juristen besetzen, die Kongresswahlen am 6. November könnten ihnen dabei aber einen Strich durch die Rechnung machen, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse im Senat ändern würden.

Dem Supreme Court kommt eine bedeutsame Rolle zu. Oft müssen die neun Richter über Fälle urteilen, an denen sich ein tiefer Streit zwischen den beiden politischen Lagern entbrannt hat. Oft sind diese Fälle politisch so aufgeladen, dass es unterschwellig auch immer mit um die Frage geht, was für ein Land die USA sein wollen.

In der vergangenen Sitzungsperiode entschied das Gericht mit einer knappen Mehrheit, dass Trumps Einreiseverbot verfassungsgemäß ist. Es gab einem Bäcker Recht, der einem schwulen Paar aus religiösen Gründen keine Hochzeitstorte backen wollte. Und es befasste sich mit zwei Fällen, in denen es um das sogenannte Gerrymandering ging, den umstrittenen Neuzuschnitt von Wahlkreisen, um sich politische Vorteile zu verschaffen.

In den vergangenen Jahren war das Gericht politisch ausgewogen besetzt: Einem liberalen Block aus vier Richtern stand ein konservativer Block aus vier Richtern entgegen. Der neunte Richter - Anthony Kennedy - galt als moderat und stimmte mal mit seinen liberalen, mal mit seinen konservativen Kollegen. Er ging in den Ruhestand, damit wurde der Sitz frei, den Kavanaugh nun bekommen soll, und der erzkonservative Jurist würde eine neue Dynamik in das Kräfteverhältnis des Obersten Gerichts bringen. Er würde es weiter nach rechts verschieben.

Mit der Abstimmung am Freitag rückte Kavanaughs Berufung näher, aber für ein paar Stunden gab es noch eine Unwägbarkeit, die den Gegnern der Kandidatur Hoffnung gab. Die Republikaner haben im Senat nur eine hauchdünne Mehrheit von zwei Stimmen, mehrere Senatoren wurden als mögliche Abweichler gehandelt.

Es sollte anders kommen. Nur die Republikanerin Lisa Murkowski deutet an, gegen Kavanaugh stimmen zu wollen. Ihre beiden Parteikollegen Jeff Flake und Susan Collins kündigen ihre Unterstützung für ihn an - damit ist die Bestätigung des Richters sehr wahrscheinlich.

Kurz nach Collins sagt auch der Demokrat Joe Manchin, dass er mit Ja stimmen wolle. Er bricht mit der Linie seiner Partei. Als Manchin vor Journalisten darüber spricht, sind im Hintergrund Sprechchöre wütender Demonstranten zu hören. Sie rufen dem Senatoren zu, dass er sich schämen solle. Es ist nicht der einzige Protest an diesem Tag.

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