Seniorengerechtes Wohnen bedeutet nicht nur Barrierefreiheit Demografischer Wandel fordert den Markt

Beim Thema altengerechtes Wohnen gibt es auch in der Region Bonn/Rhein-Sieg großen Informationsbedarf.

 In Bonn und Rhein-Sieg besteht ein Überangebot an großen Wohnungen und Einfamilienhäusern. Kleine, altengerechte Wohneinheiten gibt es dagegen nicht genug.

In Bonn und Rhein-Sieg besteht ein Überangebot an großen Wohnungen und Einfamilienhäusern. Kleine, altengerechte Wohneinheiten gibt es dagegen nicht genug.

Foto: Axel Vogel

Mehr und mehr Kunden kommen zu Rolf Ludwig Becker mit einem ähnlichen Problem: Ihre Kinder sind aus dem großzügigen Eigenheim im Grünen ausgezogen, und die Eltern machen sich nun Gedanken, wie sie zukünftig wohnen wollen und möglicherweise eines Tages überhaupt noch können, weiß der Diplom-Immobilienwirt (DIA) aus Bonn zu berichten.

Gerade ältere Immobilienbesitzer treibe dabei die zentrale Frage um: Taugt die eigene Immobilie überhaupt als Altersruhesitz? Becker rät solchen Kunden zu einem möglichst frühzeitigen Erfahrungsaustausch mit einem Experten: „Schließlich geht es darum, sich selbstbestimmt ein neues Zuhause für das Alter zu schaffen.“

Bei einem rechtzeitigen Umzug bestehe die Möglichkeit, sich in seinem neuen Zuhause einzuleben und noch mal neue Wurzeln zu schlagen. Dabei weiß Becker: „Der Bedarf an Informationen über das Wohnen und die Wohnformen im Alter ist groß.“

Für viele Fachleute zeichnen sich mit dem demografischen Wandel große Herausforderungen gerade für den Wohnungsmarkt ab. Bereits vor drei Jahren hatte das Regionaldaten-Institut Pestel im Auftrag des Verbändebündnisses „Wohnen 65plus“ eine Studie durchgeführt.

Diese ergab, dass dem Rhein-Sieg-Kreis in den kommenden Jahren rund 17.000 altengerechte Wohnungen fehlen werden. Der Kreis müsste demnach 267,1 Millionen Euro in den Bau von Seniorenwohnungen investieren.

Ähnliche Probleme stellen sich in Bonn. Neben dem bekannten Mangel an Wohnraum habe man dort laut des stellvertretenden Stadtsprechers Marc Hoffman „ein qualitatives Problem in den Wohnungsbeständen“ ausgemacht: „Die vorhandenen Haushalte benötigen anderen Wohnraum, als er derzeit in der breiten Masse angeboten wird“, so Hoffmann.

„Die Nachfragegruppe der kleinen Haushalte mit älteren Menschen, teils schwerbehindert oder pflegebedürftig und mit real sinkenden Alterseinkünften, wird stetig größer.“

Demgegenüber stehe aber ein vergleichsweise großes Angebot an großen Wohnungen, Einfamilienhäusern und gehobenen Standards. „Dieses Angebot kann die genannte Nachfragegruppe für sich nicht erschließen“, führt Hoffmann aus.

Auch landesweit ist die Realität ernüchternd: „Das Land NRW geht davon aus, dass derzeit nur drei bis maximal fünf Prozent des Wohnungsbestandes barrierefrei gebaut sind“, so Hoffmann weiter. Daher würden seit 1997 im geförderten Wohnungsbau ausschließlich nach DIN gebaute barrierefreie Wohnungen gefördert.

„Diese Maßnahmen reichen jedoch nicht aus, um gegenzusteuern“, betont er. „Rund 23 Prozent der Bonner Bevölkerung sind über 60 Jahre alt. Hinzu kommt eine nennenswerte Zahl von jüngeren Schwerbehinderten und Pflegebedürftigen.“

Um auch in Zukunft den Personenkreis in den eigenen vier Wänden versorgen zu können, gehe das Amt für Soziales und Wohnen davon aus, dass mittelfristig ein barrierefreier Wohnungsbestand zu schaffen ist, sagt Hoffmann. Der liege bei etwa 20 Prozent des Bestands.

Da aber die Barrierefreiheit nicht allein ein seniorengerechtes Wohnen ausmache, müsse zusätzlich den Erfordernissen der wohnungsnahen Pflege- und Versorgungsinfrastruktur Rechnung getragen werden. (voa)

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