Polen im Schockzustand Danzigs Bürgermeister nach Messerangriff gestorben

Danzig · Ein Mann sticht bei einer Spendenveranstaltung auf den Danziger Bürgermeister ein. Stundenlang bemühen sich die Ärzte, sein Leben zu retten. Vergeblich. Während die Polen fassungslos trauern, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Mordes.

 Menschen stellen bei einem Gedenkmarsch für den verstorbenen Bürgermeister von Danzig, Adamowicz, Kerzen auf. Der tödliche Anschlag auf den Danziger Bürgermeister hat Polen geschockt und in tiefe Trauer gestürzt.

Menschen stellen bei einem Gedenkmarsch für den verstorbenen Bürgermeister von Danzig, Adamowicz, Kerzen auf. Der tödliche Anschlag auf den Danziger Bürgermeister hat Polen geschockt und in tiefe Trauer gestürzt.

Foto: Wojtek Strozyk/AP/dpa

Der tödliche Anschlag auf den Danziger Bürgermeister hat Polen geschockt und in tiefe Trauer gestürzt: Pawel Adamowicz erlag am Montag den Folgen eines Messerangriffs bei einer Spendenveranstaltung am Vorabend.

Der 53-Jährige starb im Krankenhaus an seinen schweren inneren Verletzungen, wie Gesundheitsminister Lukasz Szumowski bestätigte. Die Ärzte hätten ihn trotz stundenlangen Kampfes nicht retten können. Die Staatsanwaltschaft gab bekannt, in dem Fall wegen Mordes zu ermitteln. Ein Danziger Gericht ordnete am Abend Untersuchungshaft gegen den vorbestraften Angreifer an. Nach unbestätigten Medienberichten war er psychisch krank.

Landesweit versammelten sich Polen am Abend zu spontanen Trauerkundgebungen und Demonstrationen gegen Gewalt. Allein in Warschau waren es Tausende Menschen, meldete die Agentur PAP. In Danzig sagte der EU-Ratspräsident, Polens Ex-Regierungschef Donald Tusk: "Ich verspreche Dir heute, lieber Pawel, dass wir für Dich unser Danzig, unser Polen und unser Europa von Hass befreien werden." Viele Danziger zündeten vor dem Rathaus Kerzen an. Sie könnten ihren Schmerz nicht in Worte fassen, berichteten polnische Medien.

Präsident Andrzej Duda sprach Adamowiczs Familie via Twitter sein Beileid aus. "Ich stehe in Trauer und im Gebet bei seinen Angehörigen, Freunden und allen Menschen guten Willens", schrieb das Staatsoberhaupt. "Feindseligkeit und Gewalt haben tragischste Folgen und Schmerz gebracht. Das können wir nicht hinnehmen", schrieb Duda. Auch Regierungschef Mateusz Morawiecki verurteilte die Tat "aufs Schärfste". Der Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS, Jaroslaw Kaczynski, bekundete "tiefe Trauer."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte der Frau des Bürgermeisters, der auch zwei Töchter hinterlässt, sein Beileid aus. "Mit großer Trauer habe ich von dem Tod Ihres Ehemannes Pawel Adamowicz erfahren, der Opfer einer so sinnlosen Gewalttat wurde." Adamowicz sei aktiv an der friedlichen Protestbewegung beteiligt gewesen, die zum Ende des kommunistischen Regimes in Polen führte und den Weg zum Fall der Berliner Mauer bereitete, betonte Steinmeier.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wandte sich in einem Schreiben an Präsident Duda. "Im Namen der Europäischen Kommission möchte ich der Familie von Pawel Adamowicz, der Gemeinschaft von Danzig und allen Bürgern Polens unsere tiefe Anteilnahme ausdrücken." Adamowicz habe in hohem Maße zur Entwicklung Danzigs beigetragen und Bedürftigen - unabhängig von ihrem Hintergrund - geholfen.

Adamowicz gehörte bis 2015 der derzeitigen Oppositionspartei Bürgerplattform PO an, seit 1998 war er Bürgermeister der nordpolnischen Hafenstadt.

Am Sonntagabend war er bei einer Spendenveranstaltung auf offener Bühne niedergestochen worden. Die Messerklinge war nach Behördenangaben fast 15 Zentimeter lang. Der Täter - ein 27-jähriger Danziger - habe aus niederen Beweggründen gehandelt, sagte Vize-Generalstaatsanwalt Krzysztof Sierak. Hinter der Tat wurde Rache vermutet.

Der Angreifer soll der Bürgerplattform PO die Schuld für seine Haft gegeben haben, hieß es. "Ich saß unschuldig im Gefängnis", rief er auf von Medien verbreiteten Videoaufnahmen der Tat. Darauf war zu sehen, dass der Mann nicht von der Bühne floh, sondern triumphierte, bis er überwältigt wurde.

Der mutmaßliche Täter saß wegen einer Serie bewaffneter Banküberfälle fünfeinhalb Jahre in Haft. Berichten zufolge war er erst im Dezember freigekommen. Ermittler schlossen eine psychische Erkrankung nicht aus. Die PAP meldete, der Mann sei während seiner Haftstrafe wegen Schizophrenie behandelt worden. Dies gehe aus Berichten Danziger Gefängnisärzte hervor.

Unbestätigten Berichten zufolge hatte sich der Messerstecher mit einer Medienakkreditierung Zugang zur Bühne der Spendenveranstaltung verschafft. Bei der jährlichen Aktion der Organisation WOSP wird Geld für Kinderkrankenhäuser gesammelt.

Die Tat löste in Polen auch eine politische Debatte über Hassreden aus. Der heftige Streit zwischen der Opposition und der PiS könne zur Eskalation der Gewalt beigetragen haben, meinen Kritiker. Adamowiczs Stellvertreterin Aleksandra Dulkiewicz mahnte Einigkeit an. Die Tat dürfe nicht für politische Zwecke benutzt werden, sagte sie. Dem schloss sich auch die PiS-Sprecherin Beata Mazurek an. Die Attacke müsse von ausnahmslos allen verurteilt werden, sagte sie. Regierungssprecherin Joanna Kopcinska schrieb bei Twitter: "Der Mord an Bürgermeister Pawel Adamowicz ist ein Schlag für uns alle."

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