Sternsingeraktion 2011: Zwei Gemeinden der Region - zwei Wege

Kurz vor Weihnachten gehen die Heiligen Drei Könige noch in Zivil. Bis aus Jakob Melchior wird, aus Simon Caspar und aus Justus Balthasar - das dauert noch ein paar Tage. Aber die drei singen schon einmal so kräftig, als wären sie bereits in ihre Rollen als Sterndeuter aus dem Osten geschlüpft.

Sternsingeraktion 2011:: Zwei Gemeinden der Region - zwei Wege
Foto: Holger Arndt

Bonn. Kurz vor Weihnachten gehen die Heiligen Drei Könige noch in Zivil. Bis aus Jakob Melchior wird, aus Simon vielleicht Caspar und aus Justus Balthasar - das dauert noch ein paar Tage. Aber die drei singen schon einmal so kräftig, als wären sie bereits in ihre Rollen als Sterndeuter aus dem Osten geschlüpft.

"Wir kommen daher aus dem Morgenland, wir kommen geführt von Gottes Hand." Jakob, Simon und Justus sind drei von 21 Jungen und Mädchen, die an diesem Sonntagmittag im Pfarrheim von Sankt Barbara im Bonner Stadtteil Ippendorf in einem Stuhlkreis sitzen.

Bea De Smedt und Kirsten Fabritius haben gegenüber Platz genommen. Die beiden 15-jährigen Schülerinnen des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums ziehen keine Gewänder mehr an, und auch Kronen oder Turbane auf ihren Köpfen werden fehlen, wenn sie in der nächsten Woche durch ihren Heimatort ziehen. Vor einigen Jahren war das noch anders.

Zahlen und Daten zur Sternsingeraktion Die Aktion Dreikönigssingen ist finanziell die erfolgreichste Hilfsaktion in der katholischen Kirche, noch vor Adveniat und Misereor. In diesem Jahr kamen 40,6 Millionen Euro zusammen.
Seit ihrem Start 1959 hat sich das Sternsingen zudem zur weltweit größten Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder entwickelt.
Jahr für Jahr sind rund 500 000 Sternsinger in den 27 deutschen Diözesen unterwegs. Die Aktion 2011 startet bundesweit an diesem Donnerstag in Essen.Als Drittklässler während der Kommunionvorbereitung liefen Bea und Kirsten zum ersten Mal als kleine Könige mit. Jetzt begleiten sie neue kleine Hoheiten. "Es ist schon bemerkenswert, dass Kinder auch was erreichen können, einen Beitrag zur Linderung der Not in der Welt leisten können, nicht immer nur die Erwachsenen", sagt Bea.

Ortswechsel: Im Jugendraum des Pfarrheims von Sankt Mariä Heimsuchung in Sankt Augustin-Mülldorf hat Gemeindereferentin Anne Linden einen Beamer aufgebaut. Einen Film über Kambodscha will sie den 35 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zeigen, die hier als Sternsinger oder Begleiter mitgehen wollen.

Doch es ist nicht irgendein Film, Armin Maiwald von der "Sendung mit der Maus" ist mit einem Kamerateam nach Südostasien gereist und hat im Beispielland der Sternsingeraktion 2011 "Starke Kinder" getroffen und porträtiert.

Zum Beispiel Dient, die auf eine Landmine trat, als sie in der Nähe ihres Dorfes Gemüse vom Feld holen wollte und dabei ihr rechtes Bein verlor. Jetzt sitzt die 16-Jährige im Rollstuhl und tanzt in einer Gruppe mit behinderten und nicht-behinderten Mädchen so erfolgreich, dass sie international auftritt.

Oder Tola, der zwölfjährige Junge, der, ohne Beine und Hände geboren, als Säugling vor einem Kinderheim ausgesetzt wurde und gelernt hat, mit seinen Stümpfen zu schreiben und zu malen. Außerdem spielt er begeistert Fußball und Volleyball. Später möchte er Elektriker werden.

"Sind das starke Kinder?", fragt die Gemeindereferentin. Julia schaut noch ungläubig drein: "Wie hat er das geschafft, ohne Hände ein so tolles Bild zu malen?" Dient, Tola und die anderen Kinder aus dem Film leben in Projekten, die von Geldern früherer Sternsingeraktionen finanziert wurden.

So werde den Kindern deutlich gemacht, was die Hilfsorganisation mit dem Geld macht und wie auch sie selbst helfen können, sagt Anne Linden. Zurück nach Ippendorf, wo Marina Schäfer und Alexandra Joksch inzwischen erklären, worauf es beim Besuch in den Häusern ankommt. Die 18- und die 15-Jährige sind Messdienerinnen in der Gemeinde und organisieren hier die Aktion.

Sie bitten vier erfahrene Sternsinger in die Mitte des Stuhlkreises. "Guten Tag, Ihr lieben Leute, wir bringen Euch Gottes Segen heute. Frieden tragen wir in die Welt hinaus, der Stern bringt Licht in jedes Haus", sagt der Sternträger.

Die Könige ergänzen den Spruch, es werden mehrere Strophen des "Morgenland-Liedes" gesungen, und der Haussegen wird angebracht: "Christus mansionem benedicat - Christus segne dieses Haus." Zum Schluss folgt die Bitte um eine Spende.

Die Sternsinger aus Ippendorf wollen sich Zeit nehmen für ihren Besuch und gehen nur zu jenen Häusern, von denen sie wissen, dass sie dort willkommen sind. Gut 600 Familien und Alleinstehende, die sich vorher in Listen eingetragen haben, werden in Ippendorf und auf dem Venusberg besucht.

"Wir wollen den Kindern nicht antun, dass sie die Tür vor der Nase zugeknallt bekommen", sagt Marina Schäfer. Anders in Mülldorf. Dort gehen die Sternsinger überall hin. "Es gehört einfach dazu, dass auch mal eine Tür zugeschlagen wird und andere Türen gar nicht geöffnet werden", sagt der zwölfjährige Daniel.

Ähnlich sieht das Simon Tölle. Der 26-jährige Diplom-Physiker schreibt gerade an seiner Doktorarbeit, doch für das Sternsingen fühlt er sich noch längst nicht zu alt. Warum er seit fast 20 Jahren dabei ist, zuerst als kleiner König und danach als Begleiter? Er nennt einen pädagogischen Aspekt.

"Ich möchte den Kindern Gegenden im Ort zeigen, wo sie sonst nie hinkommen würden." Sprich: Wo es auch hierzulande Armut gibt. Wie in der Hochhaussiedlung, in die Tölle jedes Jahr mit seinen Sternsingern geht.

Der zehnjährige Lukas erinnert sich, dass er vor zwei Jahren mit seiner Gruppe drei Stunden gesungen hat, aber am Ende gerade mal 90 Euro in der Dose hatte. Im gleichen Zeitraum hatte die Gruppe seines Bruders in einem anderen Wohnviertel mehr als 300 Euro gesammelt. Für die Kinder zuerst schwer zu verstehen.

Bis sie erkannten, dass viele von jenen, die sie besucht hatten, nur wenig Geld zur Verfügung haben. Die Kinder ordneten das so ein: "Für einige war das bestimmt mehr Geld als das, was die Reichen der anderen Gruppe gegeben haben."

Und so werden die Kinder in den ersten Januar-Tagen wieder ihre Gewänder anziehen, in die Rollen als Könige schlüpfen - und das eine oder andere Mal auch noch etwas fürs Leben lernen.

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