Zukunft der Bonner Hardthöhe: "Wer klagen will, soll klagen"

BONN · Als Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière Mittwochmittag die Hardthöhe erreichte, setzte es Blitz und Donner und Orkanböen. Das eigentliche Donnerwetter aber muss es Stunden vorher in Berlin gegeben haben. Denn der erstaunten Personalversammlung am Bonner ersten Dienstsitz des Verteidigungsministeriums teilte der Minister mit, dass er seinen Stufenplan zum Umzug nach Berlin gekappt hat.

360 Mitarbeiter müssen in der Tat zum Schuljahresbeginn 2012 nach Berlin wechseln. Aber das war es dann auch mit Festlegungen in dieser Legislaturperiode.

Die Beschäftigten auf der Hardthöhe ließen sich bei der Versammlung in der voll besetzten ehemaligen Truppenküche (und in einem ebenfalls gut gefüllten Nebensaal) die Erleichterung nicht anmerken, doch allenthalben wurde gerätselt, wie es zum plötzlichen Sinneswandel des Ministers kam. Denn noch am Vorabend hatte de Maizières "Umzugsbeauftragter" Staatssekretär Stéphane Beemelmans in Berlin verkündet, 2012 würden 360 und 2014/15 nochmals 350 Mitarbeiter an die Spree wechseln. Und um das Ganze zu untermauern, gab er es den Journalisten auch noch schriftlich. Punkt für Punkt. De Maizière gestern auf die GA-Frage, was in der Nacht passiert sei: "Ich bin der Minister, ich habe entschieden."

Das sollte heißen, er habe sich - spät abends heimgekehrt vom Flug zu den Soldaten nach Dschibuti am Horn von Afrika - die Planungsunterlagen angeschaut und sie dann in dem wesentlichen Punkt verändert. Auf der Personalversammlung klang das so: "Ich habe zugehört, ich habe die Kritik aufgenommen". Also etwas getan, was man ja immer wieder von Politikern fordere.

Wahrscheinlicher aber ist, dass sich Geschichte wiederholt hat. Rückblende: Ende Oktober hatte der in Bonn aufgewachsene Minister darauf verzichtet, im Rahmen der Bundeswehrstrukturreform auch seine Ministeriumspläne durchs Kabinett zu bringen. Die NRW-Minister Norbert Röttgen, Guido Westerwelle und Daniel Bahr hatten mit förmlichem Widerspruch im Kabinett gedroht, die Bundeskanzlerin hatte daraufhin durch Kanzleramtsminister Ronald Pofalla de Maizière gestoppt.

Gestern wohl wieder. Jedenfalls macht diese Behauptung seit der Personalversammlung auf der Hardthöhe die Runde. Und de Maizières öffentliche Erklärung, die in der nicht-öffentlichen Personalversammlung noch etwas deutlicher ausfiel, spricht ebenfalls dafür. "Alle haben sich in diesem Prozess bewegt, ich mich auch", sagte er den Mitarbeitern. Oder: "Ich will jetzt keinen Streit um das Berlin/Bonn-Gesetz." Die Strukturreform der Bundeswehr insgesamt sei ihm wichtiger, Nebenkriegsschauplätze kämen ihm deshalb ungelegen .

In der Sache hat de Maizière seine Position nicht verändert. Er will möglichst viele Mitarbeiter seines Hauses nach Berlin holen. Bisher sind dort 540 von 3000. Im kommenden Jahr werden es 900 von dann noch 2000 sein. Was heißt: Die Mehrheit bleibt in Bonn, aber die 25-Prozent-Grenze für Berlin, die ein Kabinettsbeschluss aus dem Jahre 1998 vorsieht, ist dann längst überschritten.

Sein Haus rechnet anders. Als das Berlin/Bonn-Gesetz 1994 beschlossen wurde, hatte das Haus 5000 Mitarbeiter. 25 Prozent davon seien genau die 1250, die de Maizière anstrebe. Dass sein eigenes Haus dazu in einem Rechtsgutachten feststellt, es gehe natürlich immer um 25 Prozent der aktuellen Beschäftigtenzahl, ignoriert der Minister.

Und zur anderen Berlin/Bonn-Regel hält das Umzugspapier (alte Fassung) fest: "Die Vorgabe im Berlin/Bonn-Gesetz, dass die Mehrzahl der Arbeitsplätze aller Ministerien in Bonn verbleiben soll, ist eine Soll- und keine Mussvorschrift. Von der Sollvorgabe kann abgewichen werden, wenn es dafür stichhaltige Gründe gibt. In Bezug auf das Bundesministerium der Verteidigung ist das der Fall." Punkt. Aus. Ende der Begründung.

De Maizière legte gestern auf der Hardthöhe noch nach. Gefragt, was er von Klageandrohungen gegen seine Umzugspläne halte, antwortete er: "Wer klagen will, soll klagen. Der Rechtsweg steht jedem offen." Und an die Adresse der Kritiker in Bonn und der Region richtet er die Bitte, sich "wenigstens ein einziges Mal" die Gesamtausgangslage zum Thema Bundeswehrreform deutlich zu machen.

Die Tatsache etwa, dass die Zahl der Bundeswehr-Beschäftigten in Bonn außerhalb des Ministeriums wachse (von 3470 auf 3690) während anderswo, etwa in Sigmaringen, der ganze Standort dicht mache. In einem Telefonat mit Bonns OB Jürgen Nimptsch versprach de Maizière am Morgen: "Die Hardthöhe bleibt voll." Nebeneffekt: Im Herbst nächsten Jahres kann die Stadt über die Ermekeilkaserne verfügen.

In der Versammlung war der Minister zeitweise auch etwas schroffer, etwa wenn er forderte, die Kirche mal bitteschön im Dorf zu lassen, oder sagte: "Bonn ist nicht die wichtigste Stadt dieser Republik." Unter dem Strich, das sollte aber die versöhnliche Botschaft sein, komme die Region gut weg. Und: Bisher habe man ja nur "Kästchen gemalt", jetzt müsse man sie füllen. Eine Bemerkung, die im Saal mit dem Schmunzeln der Kundigen quittiert wurde.

Michael Zangl, der Personalratsvorsitzende des Ministeriums, sieht das alles natürlich kritischer. Seit 20 Jahren im Ministerium, konstatierte er, das Haus werde immer kleiner. Er könne Begriffe wie Neustrukturierung schon gar nicht mehr hören, zumal jeder Minister mit einem anderen Reformkonzept daher komme, es als das ultimative verkaufe. De Maizière konterte, weder verspreche er, dies sei die letzte Reform noch nenne er sie historisch. Zangl kritisierte die Beteiligung der Personalräte als ungenügend, de Maizière meinte, noch nie sei so viel beteiligt worden. De Maizière sagte, der Verzicht auf die zweite Umzugsstufe gehe einher mit dem Verzicht auf Planungssicherheit. Ein Mitarbeiter konterte hinterher: "Möchten Sie wissen, wann Sie sterben?"

Der Personalratsvorsitzende jedenfalls schilderte ausführlich den Protest in Bonn und machte ganz klar, dass des Ministers (alte) Pläne nicht mit Geist und Wortlaut des Berlin/Bonn-Gesetzes vereinbare seien und betonte im übrigen: "Für uns zählt das Endergebnis."

Für den Minister auch. Aufgeschoben ist, wie auch das Beispiel der Kabinettssitzung Ende Oktober zeigt, nicht aufgehoben. Denn eine Bemerkung des Ministers am Ende der Pressekonferenz ließ dann doch aufhorchen. Für eine neue Bonn/Berlin-Debatte sei jetzt nicht der Zeitpunkt, so was mache man wohl besser am Beginn einer Legislaturperiode. Die nächste beginnt im herbst 2013. Bis dahin gibt es dann jede Menge Planungsbedarf und vielleicht auch Wunsch nach Zuspruch.

Zufall oder nicht: Parallel zur Personalversammlung wurde am Mittwoch jedenfalls im Nebensaal der neue katholische Standortpfarrer eingeführt.

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