Wohin mit ganz schwierigen Jugendlichen?

Vertreter der freien Jugendhilfe plädieren als Alternative für die Unterbringung in Gastfamilien.

Bonn. Wohin mit Problem-Jugendlichen, die nicht einmal mehr die Heime haben wollen? Mit dieser Frage haben sich in Bonn Fachleute beschäftigt, darunter ein Vertreter des Bonner Jugendamts. Der Verein Motiviva aus Bonn hat sich 2010 einem Projekt angeschlossen, das einen möglichen Weg aufzeigt: die Unterbringung in nicht-professionellen Gastfamilien.

Was Jugendämter sehr skeptisch sähen, da sie der Meinung seien, dass nur Profis mit schwierigsten Jugendlichen klarkommen, sagte Carsten Exner von Motiviva.

Eine Ausnahme von dieser Regelannahme scheint Nicole, 16, zu sein. Im Juli vergangenen Jahres hat Motiviva sie nach einer Zeit schlechtester Erfahrungen in eine nicht-professionelle Gastfamilie vermittelt - wo sie sich letztlich aufgehoben zu fühlen scheint. "Das Mädchen war in den letzten Jahren aus mehreren Einrichtungen, zuletzt aus einer Spezialeinrichtung für Suchterkrankung herausgeflogen", schilderte Exner.

Vom Vater abgelehnt, die Mutter überfordert, schwänzte Nicole die Schule, verbrachte ihre Zeit auf der Domplatte in Köln, nahm Drogen, beging Straftaten. "Andererseits äußerte sie, sehr unter ihrer Situation zu leiden und sich ein Zuhause zu wünschen", so Exner. In der ersten Gastfamilie stimmte die Chemie noch nicht. Erst bei einer zweiten scheint Nicole "angekommen zu sein: Mittlerweile meidet sie die 'Platte' ganz, sucht den Kontakt zu ihrer Gastfamilie, nimmt wesentlich weniger Drogen", berichtet Exner.

Dennoch sei nicht plötzlich alles "ganz leicht". Aus der Berufsschule sei Nicole jetzt rausgeflogen, weil sie mit den Lehrern nicht klarkam. "Aber es scheint so, als habe Nicole zum ersten Mal seit langer Zeit eine verlässliche Basis gefunden mit einer Familie, die sich von Nicoles Spleens nicht aus dem Konzept bringen lässt und in der sie gemocht wird", sieht sich Exner mit dem Konzept "Junge Menschen in Gastfamilien", kurz JuMeGa, bestätigt.

Allerdings: Kein Jugendamt habe sich bislang grundsätzlich dazu entschließen können, mit den 14 JuMeGa-Anbietern bundesweit zu kooperieren. "Die Gründe für die kritische Haltung sind vielfältig", sagt Exner.

Die Jugendämter argumentierten, dass gerade die Arbeit mit schwierigen Jugendlichen eine Ausbildung erfordere. "Nun ist ein wesentlicher Gedanke des Projekts aber, dass gerade pädagogisch nicht ausgebildete Familien schwierigen Jugendlichen sehr wohl einen Platz bieten können" - wenn sie denn professionell von Pädagogen wie die von Motiviva und anderen Anbietern der freien Jugendarbeit begleitet würden.

"Was sich in rund 400 Fällen schon bewahrheitet hat", so Exner, der hofft, dass sich die ersten Jugendämter bald zu einer grundsätzlichen Zusammenarbeit bereiterklären. Das Bonner Jugendamt äußerte sich bislang auf Anfrage nicht zu dem Projekt.

Exner verweist auf Vergleichsstudien, die belegen, dass es zwischen einer professionellen Betreuung im Heim und einer Laien-Betreuung in einer Gastfamilie in den meisten Gebieten wie Ausbildung, psychische Stabilität und Gesundheit keine signifikanten Unterschiede gebe. "Die eigene Zufriedenheit mit der Gastfamilie ist im rückblickenden Vergleich höher als im Heim", sagte Barbara Roth, Gründerin von JuMeGa, über die Jugendlichen.

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