Warnstreik in der Region Wie GA-Reporter und GA-Leser den Streik erlebt haben

BONN · Bonn und die Region im Ausnahmezustand. Die Gewerkschaft Verdi hatte am Mittwoch zum Warnstreik im öffentlichen Dienst aufgerufen. Busfahrer, Müllwerker, Erzieherinnen, städtische Bedienstete - viele sollten die Arbeit ruhen lassen. Mancher hatte deswegen Stress, andere freuten sich.

Staus an den Bushaltestellen, halb leere Bahnen: Schon morgens geht nichts mehr bei den Bussen und Bahnen der Stadtwerke Bonn (SWB). Viele Schüler stehen sich die Beine in den Bauch und kommen erst mit Mama-Taxi zu spät oder gar nicht zur Schule. Sonja (14) hat sich von Vater einer Mitschülerin zum Helmholtz-Gymnasium fahren lassen. "Die Linie 843 fährt zwar, aber unregelmäßig."

Entlang der Linie 66 geht auch in Königswinter und Bad Honnef nichts. Einige Schüler kommen mit RSVG-Bussen, die nicht bestreikt werden, und anschließend zu Fuß doch noch zum Ziel, andere weichen auf die Regionalzüge der DB aus, die auch nicht bestreikt wird. Weil viele Nahverkehrsnutzer unsicher sind, wo gestreikt wird und wo nicht, bleiben viele Bahnen halb leer.

GA-Leserin Daniela Faßbender wartet am Duisdorfer Bahnhof vergeblich auf die Verbindung, mit der die Arzthelferin normalerweise in die Bonner Innenstadt zur Arbeit fährt. "Ich habe schon Verständnis für den Warnstreik", sagt sie. "Aber wenn man deshalb selbst zu spät zur Arbeit kommt, ist das schon schwierig." Kurze Zeit später springt die 37-Jährige in die Regionalbahn 23, die sie zum Hauptbahnhof bringen wird. Der Zug ist sogar pünktlich - anders als an vielen Tagen, an denen nicht gestreikt wird.

Normaler Berufsverkehr auf den Autobahnen: Um viertel vor acht morgens läuft der Verkehr auf den Autobahnen nach Bonn normal. Um halb neun dann die üblichen Staus, die sich eine Stunde später aber auch schon wieder aufzulösen beginnen. In Richtung Köln ist es schlimmer, Stop-and-go auf der A59. Auch die Bonner Innenstadt ist zeitweise verstopft.

Taxifahrer jubeln: Für Taxifahrer ist Weihnachten, Silvester und Karneval zusammen. Schon morgens warten Hunderte Fahrgäste am Bonner Hauptbahnhof, bilden spontan Fahrgemeinschaften, um die Wartezeit zu verkürzen. "Ich hatte seit sechs Uhr noch keine Standzeit", berichtet ein Taxifahrer vor dem Bahnhof, "nur den Kaffee von meinem Stammkiosk, den ich sonst um diese Zeit immer trinke, vermisse ich". Claus Lenz, Geschäftsführer der Taxizentrale Bonn berichtet von "sehr guten Geschäften." Taxiunternehmen aus dem Umland wie Trommeschläger aus Bad Honnef Rhöndorf profitieren ebenfalls: "Wir wurden selbst von Bonner Hotels angefordert. Wir konnten nicht alle Touren annehmen. Viele hatten schon abends vorbestellt."

Pendler steigen aufs Rad: GA-Leserin Susanne berichtet im Live-Ticker auf www.ga.de: "Ich fahre täglich mit dem Rad von Friesdorf zum Verteilerkreis und hatte heute morgen ganz viele Mitradler, die man sonst nicht sieht. Auch waren viel mehr Fußgänger als sonst unterwegs. In Bonn herrscht bei solch außergewöhnlichen Umständen immer eine besondere Atmosphäre und Solidarität, die einfach schön ist. Und vielleicht bietet solch ein Tag einigen den Anreiz, öfter mal mit dem Fahrrad zu fahren oder zu Fuß zu gehen. Auch wenn ich natürlich die Pendler und Schüler bedauere, die weiter weg wohnen."

Zuspätkommer müssen nacharbeiten: Mancher Berufstätige kam am Mittwoch wegen des Streiks zu spät. "Es gab einige Kollegen, die ein paar Minuten später kamen", so eine Sprecherin der Deutschen Post. Doch insgesamt sei das "nicht spürbar" gewesen. "Die Zeit muss nachgeholt werden". "Keine Beeinträchtigungen verzeichnete die Deutsche Telekom. "Die Leute hatten sich auf den Streik vorbereitet", so Pressesprecher André Hofmann.

Eltern und Kindergärten improvisieren: Die Bonnerin Lea Kern hatte Glück. Ihre Tochter Marlen wurde am Mittwoch im Städtischen Kindergarten am Weidenweg in Ramersdorf wie gewohnt betreut. "Es hat nur eine Erzieherin aus der Gruppe gestreikt", sagte die berufstätige Mutter. Für die Forderungen der Erzieherinnen habe sie "volles Verständnis". "Der Job ist für die hohe Belastung und Verantwortung viel zu schlecht bezahlt", sagte sie. "Die Erzieherinnen haben eine höhere Wertschätzung verdient." Mit einer besseren Bezahlung würden sich angesichts des aktuellen Erziehermangels vielleicht auch mehr Menschen für den Beruf entscheiden, vermutet Kern. "Dann gibt es vielleicht bald auch mehr Männer, die als Erzieher arbeiten." Zwei von acht städtischen Kindergärten hatten in Bonn am Mittwoch geschlossen. Doch es gab Notgruppen, in denen die Kinder betreut wurden. "Die Eltern waren informiert", so eine Sprecherin der Stadt.

Kaum Streik in den Rathäusern: In Siegburg waren von den rund 1000 Mitarbeitern der Kreisverwaltung nur zwölf im Ausstand. Auch in Bonn, Hennef, Bad Honnef und Königswinter und Bornheim gab es kaum Beteiligung, in anderen Stadtverwaltungen des Rhein-Sieg-Kreises wurde gar nicht gestreikt.

Viele suchen Rat bei GA-Hotline: Ab 7 Uhr waren die GA-Hotline und der Live-Ticker zum Streik geschaltet, und GA-Redakteur Michael Wrobel konnte vielen Lesern helfen. Besonders ältere Leser fragten nach Möglichkeiten, noch rechtzeitig zu wichtigen Terminen etwa beim Arzt oder zu den Kliniken auf dem Venusberg zu kommen. Viele folgten dem Tipp, sich von Nachbarn fahren zu lassen oder auf das Taxi umzusteigen.

"Hoffentlich ist dieser Spuk bald vorbei", so eine 73-jährige Leserin. Er ist es. Am Donnerstag soll alles wieder normal laufen. Zumindest in der Region. Verdi hat Warnstreiks in Hessen, Berlin und Brandenburg, Niedersachsen, Bremen und Bayern angekündigt.

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