Weihnachten im Hauptbahnhof: Kommen und Gehen auf Gleis 1

BONN · Bonn-Hauptbahnhof am ersten Weihnachtstag um die Mittagszeit: Die Fernzüge rollen fast alle pünktlich, nur vereinzelt gibt es Verspätungen. Der Bahnsteig an Gleis 1 ist nicht mehr so überfüllt wie am Tag vor Heiligabend, und in den einfahrenden Waggons sieht man noch einige freie Plätze. Es scheint der Tag der Fernbeziehungen zu sein.

 Warten auf den Zug: Auf Gleis 1 im Bonner Hauptbahnhof stehen Reisende, oder Menschen, die ihren Besuch abholen. Am Tag vor Heiligabend fahren viele Züge verspätet oder überfüllt.

Warten auf den Zug: Auf Gleis 1 im Bonner Hauptbahnhof stehen Reisende, oder Menschen, die ihren Besuch abholen. Am Tag vor Heiligabend fahren viele Züge verspätet oder überfüllt.

Foto: Sebastian Flick

Viele junge Menschen, die den Heiligen Abend bei der Familie verbracht haben, kommen in Bonn an und schließen überglücklich den Freund oder die Freundin in die Arme. Ein junger Mann erblickt seine Liebste unmittelbar nach dem Aussteigen aus dem Zug und rennt so schnell auf sie zu, dass er mit einer anderen Person kollidiert.

Viele Menschen sehen sich nach langer Zeit wieder, zwei Mädchen empfangen ihre Großeltern, eine ältere Dame kommt gerade aus Saarbrücken an und ist glücklich, bei der Schwester zu sein. Eckart Hennen umarmt seine Frau und ist froh, endlich seine Familie zu sehen. Er arbeitet in München, verbringt die Feiertage bei seiner Familie in Bonn und freut sich auf eine warme Stube, denn während der gesamten Zugfahrt war die Heizung ausgefallen.

Während sich viele Menschen wiedersehen, wird am ersten Weihnachtstag aber auch schon wieder Abschied genommen: Alvaro Molina hat seine Schwester eine Woche lang in Bonn besucht und hat nun eine lange Heimreise vor sich: Er kommt aus Nicaragua und fährt zunächst mit dem Zug nach Den Haag, um von Holland über Panama in sein Heimatland zu fliegen - mehr als zwölf Stunden wird er unterwegs sein. Seine in Bonn lebende Schwester sieht er nicht allzu oft, doch daran haben sich beide mittlerweile gewöhnt: "Die Heimreise ist immer enttäuschend, aber ich lebe damit", erzählt Molinas Schwester Ina Schulte.

Während Wartezeiten im Hauptbahnhof am Montag so gut wie Fehlanzeige waren, sah es am Tag vor Heiligabend ganz anders aus. Dutzende von Menschen standen mit großen Koffern am Bahnsteig und warten auf ihren Inter City, der sie rechtzeitig zum Weihnachtsfest zur Familie nach Hause bringen soll.

Andere waren gekommen, um Bekannte und Verwandte abzuholen und freuten sich auf die gemeinsamen Festtage. Wer sich jedoch zum Beginn der Weihnachtsferien auf das Abenteuer Bahnfahrt einließ, musste viel Geduld mitbringen.

Nur die Durchsagen kommen pünktlich. Im Akkord werden Züge genannt, die mit 20, 30 oder gar 40 Minuten Verspätung unterwegs sind. Doch ein einfahrender Zug bedeutet noch lange nichts Gutes: "Der Inter City nach Dortmund ist stark überbesetzt. Es ist kein Einstieg ohne Reservierung möglich", verkündet die Stimme aus dem Lautsprecher und bittet Passagiere, sich eine alternative Route zu suchen oder auf den nächsten Zug zu warten.

Nikolas Lips ist einer, der nicht reserviert hat. Er kommt aus Koblenz und ist gerade in Bonn auf der Durchreise zu seiner Familie in Lüdenscheid. Die Durchsage hat ihn quasi von Gleis 1 aufs Abstellgleis befördert. Doch Lips nimmt es locker: "Gut finde ich es nicht, aber was soll ich machen?", sagt er, zuckt mit den Achseln und geht zur nächsten Fahrplantafel, um sich über Alternativen zu informieren.

Auch Nora Lüthen ist trotz des Trubels sehr entspannt: Ihr Zug scheint pünktlich zu kommen, zumindest hat sie bisher noch keine Durchsagen gehört. Die Mathematik-Studentin ist auf dem Weg zu ihrer Familie nach Neuss.

An "normalen" Freitagen fährt sie meistens früher, aber heute hat sie sich bewusst für einen späteren Zug entschieden. "Ich fahre absichtlich erst jetzt, weil die Züge Freitagnachmittags immer überfüllt sind", erklärt sie. Den Stress in der Uni hat sie hinter sich gelassen, doch ist es ihr bisher noch nicht gelungen, Präsente für die Familie zu kaufen. "Geschenke werden dieses Mal im Nachhinein besorgt", erzählt sie.

Während auch Nora Lüthen entspannt auf ihren Zug wartet, fährt der überfüllte Inter City Richtung Dortmund ein. Esther Hartig steigt mit ihrem Sohn Simon aus; vor sechs Stunden sind die beiden in München gestartet, um die Feiertage bei der Verwandtschaft in Bonn zu verbringen.

Einen halben Tag musste die gebürtige Bonnerin noch arbeiten, anschließend begann die Fahrt im Inter City, der die gesamte Strecke mehr als voll und bereits in München mit 30 Minuten Verspätung gestartet war. Dennoch seien im Zug alle sehr geduldig und freundlich gewesen, erzählt Esther Hartig und die Zugfahrt sei auf jeden Fall entspannter als eine Autofahrt von München nach Bonn.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort