Viele dunkle Anzüge, die nicht richtig passten

Am 1. September 1948 nahmen die Väter der Bundesrepublik in Bonn ihre Arbeit am Grundgesetz auf

Viele dunkle Anzüge, die nicht richtig passten
Foto: Heinz Engels

Bonn. Nicht nur für Bonn ein Grund zu feiern: Am Montag vor 60 Jahren, am 1. September 1948, begann im Museum Koenig mit der feierlichen Eröffnung und wenig später in der Pädagogischen Akademie am Rhein mit der konstituierenden Sitzung die Arbeit des Parlamentarischen Rates. Er schuf dort in nur zwölf Sitzungen das Grundgesetz, das Ratspräsident Konrad Adenauer am 23. Mai 1949 feierlich verkündete.

Damit wurde nicht irgendeine Bonner Republik gegründet, sondern das feste Fundament für die Bundesrepublik Deutschland gelegt. Das ist es nach dem Beitritt des Saarlandes und 1990 nach dem der wiedergegründeten Länder der DDR geblieben. Ihnen war damals noch die Teilnahme verwehrt. Aber ihr Los wurde stets mitbedacht, ebenso die besondere Lage des viergeteilten Berlin. Ohne Grundgesetz keine Wiedervereinigung in Freiheit und Frieden. Diese Beurteilung hat sich durchgesetzt.

Deshalb ist es historisch und aktuell-politisch richtig, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert für den kommenden Samstag zu einer Feststunde in den Lichthof des Museums Alexander Koenig mit Alfred Grosser als Redner und Verfassungsrichtern als Diskutanten einlädt und das Gedenken an die demokratischen Gründerjahre nicht Berlin allein überlässt.

Ungewollt trägt Lammert damit freilich zur Legendenbildung bei. Denn in früheren Jahren hatten sich vor allem die Bundesratsdirektoren gegen die bis zur Jubiläums-Briefmarke verfestigte Meinung gewehrt, das Grundgesetz sei unter dem Beistand unvollkommen verhüllter Giraffen und anderer ausgestopfter Tiere entstanden. Aber das passte zu den früh gegen Bonn "kultivierten" Vorurteilen: "Eins, zwei, drei, an Bonn fließt selbst der Rhein vorbei."

Anders empfanden es damals junge Korrespondenten wie Antonius John. Er bezeichnet noch heute die feierliche Eröffnung im Museum als "erhaben." Vor allem die Musik von Bach, die Leonoren-Ouvertüre von Beethoven und die Eröffnungsrede des NRW-Ministerpräsidenten Karl Arnold, Adenauers Mit- und Gegenspieler in der CDU. Arnold sagte: "Wir beginnen die Arbeit in der Absicht und dem festen Willen, einen Bau zu errichten, der am Ende ein gutes Haus für alle Deutschen werden soll." John: "So kam es, obwohl damals noch wenige im zerstörten und geteilten Deutschland daran glaubten. Ich hatte das Gefühl, da kommt etwas heraus."

Schmunzelnd erinnert er sich an die "vielen dunklen Anzüge, die uns allen nicht richtig passten". Anschließend zog man sofort zur ersten Arbeitssitzung in die nach dem Bombenkrieg nur notdürftig geflickte Aula der Pädagogischen Akademie um. Hier hatte bis zum Umzug nach Berlin der Bundesrat seinen Plenarsaal.

Alte Schwarz-Weiß-Fotos zeigen eindrucksvoll die Physiognomie jener Aufbaujahre, in denen die entstehende Bundesrepublik zum Glück diese Köpfe hatte, auch wenn es an der Kleidung, heute würde man Outfit sagen, noch gebrach.

Köpfe der Konstituierung am 1. September um 15.24 Uhr in der Akademie: der Alterspräsident Adolph Schönfelder, der Vorsitzende Konrad Adenauer, sein Partner an der Spitze des Hauptausschusses Carlo Schmid (SPD), der später dem Rat eine Elegie in Hexametern widmete.

Außerdem der bald zum ersten Bundespräsidenten gewählte Theodor Heuss (FDP) aus dem damaligen Land Württemberg-Baden, der den bayerischen Widerstand gegen das Grundgesetz poetisch ironisierte: "Vom Irrtum soll uns der Jurist befrein. Was hilft's - die Isar fließt halt doch nicht in den Rhein." Oder sein Parteikollege Thomas Dehler. Oder Walter Menzel, Jakob Kaiser und Paul Löbe, um sie stellvertretend für die 65 Mitglieder zu nennen, worunter nur vier Frauen waren: Helene Wessel, Helene Weber, Frieda Nadig und Elisabeth Seibert. CDU und SPD hatten je 27 Mitglieder.

Sie waren von den damals 11 Ländern durch deren Landtage entsandt worden. Die Länder waren vor dem Bund. Deshalb wehrten sie sich lange Zeit, Bundesländer genannt zu werden. Einzeln wurden alle Mitglieder aufgerufen. Danach stellte Carlo Schmid den Antrag, die Delegierten Berlins, darunter Ernst Reuter und und Otto Suhr mit beratender Stimme zuzulassen. Was unter großem Beifall geschah.

Nur für die KPD widersprach Max Reimann. Er setzte sich damit aber ebensowenig durch wie mit dem Begehren, "die Beratungen über eine separate westdeutsche Verfassung einzustellen".

Dadurch ließ sich Präsident Konrad Adenauer nicht irritieren. Kurz vor Sitzungsschluss um 16.10 Uhr sagte er: "Ich glaube, wir sollten es. . ., damit das Schiff in Fahrt kommt, mit den Formalitäten nicht so genau nehmen."

Den Zwischenruf Reimanns "Es hat aber einen verflucht schlechten Steuermann" konterte er prompt: "Warten Sie mal ab, Herr Reimann." Der stenographische Bericht verzeichnet "Heiterkeit." Adenauer behielt Recht.

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