Hauptbahnhof Bonn U-Bahn-Haltestelle war gleichzeitig ein Bunker

BONN · Hätten Sie's gewusst? Die U-Bahn-Haltestelle Hauptbahnhof, wo täglich Tausende Fahrgäste umsteigen, war (auch) ein Luftschutzbunker. Ein riesiger sogar. Im Ernstfall sollte er Platz für 4500 Menschen bieten - und zwar auf den vier Bahnsteigen und in 24 U-Bahn-Wagen, die dort vorher hätten abgestellt werden müssen. Bei voller Belegung hätte eine Person dann eine Aufenthaltsfläche von 0,81 Quadratmetern. Seit 2013 ist der Bunker allerdings entwidmet, das heißt, er steht nicht mehr als Schutzraum zur Verfügung.

 Die größte U-Bahn-Haltestelle Bonns: Im Katastrophenfall sollen allein auf den Bahnsteigen 3000 Menschen Platz finden können.

Die größte U-Bahn-Haltestelle Bonns: Im Katastrophenfall sollen allein auf den Bahnsteigen 3000 Menschen Platz finden können.

Foto: Volker Lannert

Der heutzutage unglaublich anmutende Plan war vor der Umwidmung: 3000 Menschen sollen in sogenannten Sitz-Liege-Kombinationen auf Bahnsteigen und teilweise in Nebenräumen Platz finden. In den Waggons selbst würden weitere 1200 Menschen auf Sitzen und 216 auf Matten untergebracht. Die Tunnelstutzen würden durch acht dicke Hubschwenktore verschlossen.

Doch Menschen unterzubringen, ist das eine. Das andere ist, sie zu versorgen. Für den GA öffnete die Feuerwehr die Türen der Nebenräume, an denen Fahrgäste im U-Bahnhof sonst vorbei laufen. Zwei davon sind in der so genannten D-Ebene, also eine Etage unterhalb der Bahnsteige. Und zwar in dem Mini-Tunnel, der zwischen den Gleis 1 und 3 liegt.

Hinter einer dieser verspiegelten Türen verbirgt sich eine Notküche, wo große Kaffeekannen und Töpfe originalverpackt in Regalen stehen. Aus den Hähnen der Spültische läuft sogar Wasser. "Das ist alles funktionsfähig", weiß Dieter Meurer, Abteilungsleiter bei der Feuerwehr und zuständig für die "Bunker". "Allerdings ist alles etwas ölig durch den Stadtbahnbetrieb, das kommt durch die kleinsten Ritzen und setzt sich überall ab."

Im Atombunker unter dem Bonner Hauptbahnhof
28 Bilder

Im Atombunker unter dem Bonner Hauptbahnhof

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Aber hier ist alles gut verpackt. Im Nebenraum der Notküche liegen Pakete mit Schüsseln und Bechern, aber auch Massen an Toilettenpapier und "Strampelpeter"-Fixies-Windeln - alles aus den 1970er Jahren. Damals war die Anlage geplant und realisiert worden. Die gegenüber liegende Spiegeltür öffnet sich, wir sehen einen langen Gang und eine Treppe nach oben, deren Stufen in fluoreszierender Farbe leuchten. Rechts ein Raum mit 90 Toiletten, angeordnet in mehreren Reihen und voneinander nur durch dünne Plastikwände abgetrennt. Statt Türen gibt es Plastikgardinen.

Links geht's zu einer Hebeanlage, um das Abwasser abzupumpen. Jetzt die Treppe hinauf, oben steht hinter der Tür ein riesiger Wassertank für 160.000 Liter. Befüllt werden kann er durch einen gebohrten Brunnen gleich daneben. Es folgen weitere Technikräume, für Trafos und Elektrik, für Batterien, für Filter und Lüftung.

In einem Raum stehen drei riesige Öltanks. Alles ist einfach und schmucklos. Man zählt drei Rettungs-, zwei Kranken-, zwei Aufsichtsräume und in der "B-Ebene", wo sich der Bunkereingang befindet, ein Zimmer für den "Bunkerwart". Hinter zwei Türen verbergen sich Regale mit Decken, gut 4500 Stück, also eine pro angenommener Person.

Besonders gepflegt und in Schuss gehalten wird die Anlage nicht mehr. "Für die Wartung habe ich pro Jahr ein paar tausend Euro zur Verfügung - für alle 20 Bunker-Objekte", sagt Bernd Krahe, Sachbearbeiter für zivile Verteidigung bei der Feuerwehr.

Überhaupt ist die Zukunft der "Mehrzweckanlage" am Hauptbahnhof ungewiss. Die richtige (und teure) Wartung endete im Jahr 2005. Seitdem wird das wenige Geld nur noch für Strom- und Wasserkosten und die Verkehrssicherung verwendet. Trotzdem sind die Räume im Prinzip weiter einsatzfähig.

Bei der Feuerwehr rechnet man aber mit einer Vorlaufzeit von zehn Tagen, bis der Bunker wieder seinen Zweck erfüllen könnte. Diese lange Zeit ist auch ein Grund dafür, dass das Aus kam. Für die Umrüstung als Schutzraum müssten erst leere Straßenbahnen zur Aufnahme der Menschen eingefahren werden und die Zugänge und Tunneleinfahrten aufwendig verschlossen werden.

Bei den Gleistoren müsste auch der Fahrdraht von den Oberleitungen abmontiert werden. Nachteil: Danach könnte in Bonn keine U-Bahn mehr fahren. Kurios: Schon vor dem Bau des Bunkers war klar, dass es gerade im Ernstfall nötig ist, ein funktionierendes Nahverkehrssystem zu haben - auch nach einem Angriff. Die einzige Lösung wäre ein separater Bunker gewesen. Doch das, und da waren die Zeiten damals nicht anders als heute, lehnte der Bund ab. Zu teuer.

Planung und Bau

1968, sechs Jahre vor Baubeginn, begannen die Gespräche über den Bau eines Großschutzraumes im Bonner Zentrum. Nach Streit über die Höhe der Förderung akzeptierte die Stadt 1970 das Angebot des Bundes, 1972 unterschrieben beide Seiten den Vertrag. 1974 begann der Rohbau, 1977 der Innenausbau, 1979 war die Anlage fertig.

Die Kosten für den bunkerbedingten Mehraufwand bezifferte man damals auf 11,1 Millionen Mark. Der Bau soll 14 Tage lang "Grundschutz" vor Druckwellen, Radioaktivität, biologischen und chemischen Stoffen, Feuer und herabfallenden Trümmern bieten, aber nicht vor direkten Treffern.

Hinweis

Dieser Text wurde am 25. November 2013 in Teilen aktualisiert. Der Bunker wurde entwidmet und an die Stadt Bonn zurückgegeben. Die Stadt kann den ehemaligen Bunker nun nutzen, wie sie möchte, beispielsweise als Lager.

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