Bürgerbegehren gegen die Oper Theater diskutiert mit seinem Gegenspieler

BONN · Gerd Kreuzer fiel das Reden spürbar schwer. Wie es ihm denn bei den Spardiskussionen um Oper und Schauspiel gehe, wollte Moderator Uwe Schulz wissen. "Nicht gut", antwortete der Gewandmeister knapp.

 Auf der großen Bühne (von links): Rainer Wolff ("Bonner Bürger wehren sich") und SSB-Chef Michael Scharf diskutieren mit Journalist Stefan Keim, Moderator Uwe Schulz, Generalintendant Bernhard Helmich, Tenor Johannes Mertes und Gewandmeister Gerd Kreuzer.

Auf der großen Bühne (von links): Rainer Wolff ("Bonner Bürger wehren sich") und SSB-Chef Michael Scharf diskutieren mit Journalist Stefan Keim, Moderator Uwe Schulz, Generalintendant Bernhard Helmich, Tenor Johannes Mertes und Gewandmeister Gerd Kreuzer.

Foto: Roland Kohls

Er arbeitet seit 18 Jahren für das Theater Bonn, kümmert sich um die aufwendigen Kostüme, hat die Schneiderwerkstatt mit aufgebaut. Jetzt fürchtet er um seine Existenz.

"Der letzte macht das Licht aus" lautete der provokante Titel der Podiumsdiskussion, zu der das Theater am Montagabend eingeladen hatte - und bei der es nicht zuletzt um Konflikte zwischen der Kultur- und der Sportlobby in Bonn ging.

Auf der Opernbühne diskutierten Gewandmeister Kreuzer, Tenor Johannes Mertes, Generalintendant Bernhard Helmich und der Kulturjournalist Stefan Keim mit Michael Scharf, dem Chef des Stadtsportbundes Bonn (SSB), und dem Judo-Vereinsvorsitzenden Rainer Wolff, der Bürgerbegehren unter anderem gegen die Oper angestoßen hat.

Die geschätzt 300 Zuhörer gingen engagiert mit, bis hin zu Buh-Rufen, als Wolff sich für eine Opernfusion mit Köln aussprach. Einige Besucher waren sich auch nicht zu schade, "Pfui" zu brüllen, weil Wolff sich als Helene-Fischer-Fan zu erkennen gab.

"Ich habe gar nichts gegen die Oper", versicherte der Sportfunktionär. Das Theater bekomme aber von den freiwilligen Leistungen der Stadt den Löwenanteil: rund 28 Millionen Euro im Jahr, wovon rund 80 Prozent auf die Personalkosten der rund 400 Mitarbeiter entfallen. Um den Bonner Schuldenberg von 1,7 Milliarden Euro abzubauen, bleibe gar nichts anderes übrig, so Wolff, als bei der Oper zu kürzen. Freibäder und Stadtteilbüchereien zu schließen - das sei im Vergleich Kleinkram.

"Das grundsätzliche Problem ist der defizitäre Stadthaushalt"

Johannes Mertes, ein "entschiedener Gegner" des umstrittenen Beethoven-Festspielhauses, hielt dagegen: "Ich möchte, dass meine Kinder in Bonn noch das gleiche kulturelle Angebot vorfinden wie ich", betonte der Tenor. Und nahm damit eine Haltung ein, die der SSB-Vorsitzende Scharf in der gesamten Kulturszene zu erkennen glaubt.

"Das grundsätzliche Problem ist der defizitäre Stadthaushalt", sagte er. Deshalb müssten alle nach seriösen Lösungen suchen. Bei den Kulturakteuren gebe es aber keine Bereitschaft dafür. Scharf: "Unsere Kinder baden später die Schulden von heute aus."

Das wiederum brachte den Generalintendanten auf die Palme: Es sei zynisch, konterte Helmich, die Generationen in der Spardebatte gegeneinander auszuspielen. Oper und Theater seien keineswegs nur für ältere Menschen interessant.

Sein Haus habe es zwar in den zurückliegenden Jahrzehnten versäumt, sich als Theater der Stadt zu etablieren - und über den Kreis der Opern- und Schauspielfans hinaus zu wirken, wie es Kulturjournalist Keim formulierte.

Helmich diagnostizierte eine gewisse "Selbstherrlichkeit", in der das Theater in üppig subventionierten Hauptstadtzeiten geschwelgt habe. So sei es zur Zielscheibe geworden. Heute sei es aber ein Irrglaube, mit der Schließung der Oper den Haushalt sanieren zu können.

Kommunalpolitikern und Stadtverwaltungsspitze warf Helmich "Bequemlichkeit" vor. Die Ratsmehrheit hatte beschlossen, den Theateretat ab 2020 um weitere 3,5 Millionen Euro zu kürzen. Auch das Ende für das Kleine Theater in Bad Godesberg und das Euro Theater Central wurde in den Haushaltsberatungen besiegelt.

Als das Mikrofon ans Publikum ging, kam von dort eine Forderung, die alle Diskutanten unterschreiben konnten: Bund und Land hätten Steuereinnahmen auf Rekordniveau, argumentierte eine Opernfreundin: "Wir müssen uns dagegen wehren, dass die Kommunen trotzdem immer stärker ausgeblutet werden."

Bürgerbegehren vor dem Start

Der Sportfunktionär Rainer Wolff und zwei Mitunterzeichner betreiben drei Bürgerbegehren zur Bonner Haushaltspolitik. Es habe Verzögerungen gegeben, weil der Wortlaut auf Anraten der Stadtverwaltung an aktuelle Ratsbeschlüsse angepasst werden musste, erklärte Wolff.

Sobald die Stadt die vorgeschriebene Kostenschätzung abgegeben habe, werde mit dem Sammeln der Unterschriften begonnen. Das erste Begehren zielt im Namen der Initiative "Bonner Bürger wehren sich" darauf, Kürzungen etwa bei Bädern und Stadtteilbüchereien zu verhindern.

Mit den anderen Begehren wollen die drei Initiatoren das Festspielhaus verhindern und die Oper schließen. Das Quorum liegt in Bonn bei 9835 Unterschriften. Die Stadt prüft die Unterschriftenlisten und die rechtliche Zulässigkeit der Bürgerbegehren. Wird das Quorum erreicht, muss der Rat entscheiden, ob er sich dem Ansinnen anschließt. Falls nicht, folgt ein Bürgerentscheid.

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