Tattoo-Fans in Bonn: von der Hausfrau bis zum Juristen

Bonn · Auch in Bonn kommen Fans des Körperschmucks zunehmend aus der Mittelschicht. Der Trend geht zu großen Motiven.

 Kira läßt sich von Sara ein Tatoo stechen.

Kira läßt sich von Sara ein Tatoo stechen.

Foto: Barbara Frommann

Ein bunter Papiermaschee-Schmetterling hängt unter den dunklen Deckenbalken des Tätowier- und Piercing-Studios SkinFactory. Die Wände schmücken Fotos von Menschen, die entweder tätowiert, gepierct oder aber beides sind. Während Hund Loki in seinem Korb vor sich hin döst, hockt Tätowiererin Sara Klemp an einem Sofatisch und bereitet die Zeichnung für das Tattoo von Kundin Kira vor.

Die knapp 20-Jährige will sich die Geburts- und Sterbedaten ihres Vaters auf den Nacken tätowieren lassen. Mittlerweile hat Kira, die in einem Altenheim tätig ist, vier Tattoos. Alle mit Symbolcharakter. Denn auf Modeerscheinungen wie das Steißbeintattoo - umgangssprachlich "Arschgeweih" - verzichtet sie gerne.

Zur moralischen Unterstützung hat die Bonnerin Freund Tobi und Freundin Nadine (beide 19) mitgebracht. Dabei scheint sie die surrende Tattoonadel auf ihrer Haut wenig zu beeindrucken. Den orange-gefärbten Pferdeschwanz hochgesteckt, unterhält sie sich fröhlich mit ihrer Freundin. Anfangs sei der Schmerz noch erträglich, meint sie. Mit der Zeit nehme er jedoch zu.

Am oberen Rücken fühle sich Tätowieren noch wie eine Elektromassage an, erläutert Sara Klemp, während sie per Blaupause vorgezeichnete Sterne umrandet. Zum Kopf hin werde die Haut jedoch empfindlicher. Das Schmerzempfinden sei je nach Körperstelle und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Sie selbst ließ sich mit 16 Jahren ihr erstes Tattoo stechen. Von da an habe sie Tätowiererin werden wollen, berichtet die 30-jährige Beuelerin. "Bei mir war das ganz klar die Faszination Tattoo", sagt sie. Bei einem Tätowierer lernte Klemp das Handwerk für einen Beruf, der nicht als solcher anerkannt ist.

Die Zeiten, in denen Steißbeintattoos oder "Stachelarmbänder" beliebt waren, seien vorbei, meint sie. Stattdessen reichten die Motive von der ersten Unterschrift des Kindes bis zum Porträt. Für 80 Prozent ihrer Kunden fertige sie Eigenentwürfe an. Diese entschieden sich oft für größere Motive. Außergewöhnlich: eine den Rücken bedeckende Tätowierung, die die Wirbelsäule und bloßgelegte Muskelstränge darstellt. Eine Arbeit von 40 bis 50 Stunden.

Unter ihren Kunden seien nicht nur punkige Leute, meint Klemp. Die Tattoo-Fans kämen zunehmend aus der Mittelschicht - von der Hausfrau bis zum Juristen. Ihre älteste Kundin: Eine 70-Jährige, die sich einen Strauß Rosen mit dem Namen ihres Mannes, einem Rosenzüchter, tätowieren ließ. Ab 18 Jahre sei ein Tattoo ohne Erlaubnis der Eltern möglich. Ab 16 Jahre nur mit Erlaubnis der Erziehungsberechtigten.

Am besten sei es, Tätowierte nach einem guten Tätowierer zu fragen, rät die Beuelerin. Für diesen lohne es sich dann auch, längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen. Unliebsam gewordene Tattoos ließen sich am besten per Laser entfernen, meint sie. Die Methode sei jedoch teuer und äußerst schmerzhaft. Oft blieben Verfärbungen oder Narben zurück. Als Alternative kann man aber auch über ein altes Tattoo ein neues stechen lassen.

Lesung über das Tattoo: Literarische Texte über das Tattoo sind am Freitag das Thema einer Lesung aus "Das Herz auf der Haut". Die Anthologie umfasst unter anderem Erzählungen von Ray Bradbury, Sylvia Plath, Bohumil Hrabal und Clemens Meyer. Benedikt Geulen und Marcus Seibert, zwei der Herausgeber, stellen ab 20 Uhr in der Buchhandlung & Galerie Böttger, Maximilianstraße 44, ausgewählte Texte vor. Eintritt sechs Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort