Grenzgänger nach der Wiedervereinigung Zeitzeugen berichten im ehemaligen Bundesrat von ihren Erlebnissen

BONN · Michael Klonovsky und Dirk Brouër folgten nach der deutschen Wiedervereinigung ihren Instinkten. Klonovsky, Ost-Berliner, zog es nach München, Brouër, Westdeutscher, nach Potsdam. Stellvertretend stehen die beiden Männer für die vielen Grenzgänger, die nach der Wiedervereinigung ihr Glück in der jeweils anderen, noch unbekannten deutschen Landesseite suchten.

 Unterhalten sich über die Wende-Zeit: (von links) Michael Klonovsky, Moderatorin Ulrike Weidenfeld und Dirk Brouër.

Unterhalten sich über die Wende-Zeit: (von links) Michael Klonovsky, Moderatorin Ulrike Weidenfeld und Dirk Brouër.

Foto: Maximilian Mühlens

"Die Menschen haben für das Zusammenwachsen von Ost und West Pionierarbeit geleistet", würdigte Professor Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, die Entscheidung der Menschen. Am Donnerstagabend berichteten der heutige Focus-Redakteur Michael Klonovsky und der frühere Direktor des Bundesrats Dirk Brouër von ihren Erlebnissen im Plenarsaal des alten Bundesrats.

Zu dem Zeitzeugengespräch unter Moderation von Publizistin Ulrike Weidenfeld hatten das Haus der Geschichte und die Volkshochschule Bonn eingeladen. Für Klonovsky war es ein bewusster Entschluss, in den Westen zu gehen: "Ich habe irgendwann kapiert, in was für einem Land ich lebte." Zum Journalismus kam er über zwei Rechtschreibfehler: Die Ost-Tageszeitung "Der Morgen" suchte einen Korrekturleser, er bewarb sich und fand beim Bewerbungsgespräch gleich zwei Fehler auf der Titelseite - der Job war ihm sicher.

Er profilierte sich und arbeitete nach der Einstellung des "Morgen" zunächst als freier Journalist, bis er 1992 nach München zum Focus wechselte. Die Entscheidung, in der bayerischen Landeshauptstadt zu bleiben, fiel - wo auch sonst - im Biergarten. Als "Ossi" habe er "den ganzen Blödsinn gemacht, den man machen konnte", berichtete er.

Er überzog seine Kreditkarte, trug schrille Klamotten und hatte Angst, schlechter bezahlt zu werden als seine Westkollegen. Dem trat er mit einer Lüge entgegen: "Ich habe dem damaligen stellvertretenden Chefredakteur Uli Baur einfach gesagt, dass ich ein Angebot vom 'Stern' hätte. Auf einmal bekam ich das Doppelte - damit hätte ich auch nicht gerechnet."

Dirk Brouër hingegen zog es in den Osten. In Halle an der Saale geboren, fühlte er sich dem Osten stets verbunden. Bis 1990 arbeitete er als Referatsleiter im Bundesministerium für Justiz, wechselte 1991 als Abteilungsleiter ins brandenburgische Justizministerium.

"Die Aufgabe hat mich gereizt, dort konnte man bei Null anfangen." Mit der Familie zog er nach Potsdam, was damals unüblich war, denn die meisten West-Beamten lebten in Berlin. Dies und die Tatsache, dass er bescheiden auftrat ("Wir fuhren nicht mit dem dicken Mercedes vor, sondern mit einem zerbeulten Japaner"), rechnete man ihm hoch an. Schnell fand er ein paar sehr enge Freunde, die "im Notfall sofort aus dem Bett springen" würden.

Die Entscheidung in den Osten zu gehen, bereut Brouër bis heute nicht. Schon damals prophezeite seine Frau, dass aus Potsdam mal eine schöne Stadt werden würde; sie behielt recht. Nur eines stört ihn: "In Brandenburg sind sie schon sehr protestantisch, das 'Leben und leben lassen' ist da etwas schwieriger".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort