Schlangenkundler im Museum Koenig Wolfgang Böhme hat seinen Beruf zum Hobby gemacht

Bonn · "Ich habe es immer so empfunden, dass ich für ein Hobby bezahlt werde", sagt Professor Wolfgang Böhme über seine Arbeit im Museum Koenig. Die Emeritierung im Jahr 2010 war kein Grund, dieses Hobby aufzugeben.

 Professor Wolfgang Böhme mit einem Jemen-Waran, den er zum ersten Mal im Fernsehen entdeckt hat.

Professor Wolfgang Böhme mit einem Jemen-Waran, den er zum ersten Mal im Fernsehen entdeckt hat.

Foto: Barbara Frommann

Böhme geht weiter Tag für Tag seinem ehemaligen Job in der Abteilung für Wirbeltiere und seinem liebsten Hobby nach. Ehrenamtlich. Nur das Büro ist kleiner als früher. Er teilt es mit ebenfalls genügsamen Wüstenechsen, Apothekerskink genannt, die meistens im tiefen Sand des Terrariums vergraben sind.

Böhme hat sich auch vergraben, und zwar in die Geschichte der Herpetologie in Bonn. Jetzt, wo lästige Pflichten wie Sitzungen und Besprechungen weggefallen sind, hat der 68-Jährige Zeit, ein Buch über seinen Fachbereich und die Forschung von 1809 bis heute zu schreiben. Er kann sich für Historisches begeistern und anschaulich erzählen, was auch die Besucher seiner Schlangenführungen im Museum zu schätzen wissen.

Die erste herpetologische Publikation aus Bonn stammt übrigens aus der Feder von Johann Heinrich Creveld, einem guten Freund von Ludwig van Beethoven. "Er war Arzt, Naturforscher, Poet, Kunstsammler und wahnsinnig gebildet. Er hat einen Gecko, der in Weingeist in seinem Naturalienkabinett stand, wissenschaftlich beschrieben", berichtet Böhme.

In den Magazinen des Museums Koenig stehen heute Tausende dieser mit Alkohol gefüllten Sammlungsgläser. Besonders wertvoll sind die sogenannten Typusexemplare, die der Beschreibung jeder neuen Art zugrunde gelegt werden. Als Böhme 1971, sechs Wochen nach dem mündlichen Doktorexamen, nach Bonn kam und seine Lebensstelle antrat, fand er eine kleine Sammlung mit 10 000 Individuen vor, heute sind es mehr als 100 000. "Da steckt viel Herzblut drin, an unzähligen Exemplaren hängen Erinnerungen. Deshalb kam für mich auch ein Weggang aus Bonn nie infrage", sagt der Wissenschaftler.

Böhme kümmert sich im Ruhestand weiter um die Sammlung der Reptilien und Amphibien, betreut Diplomanden und Doktoranden, und fährt auch mit auf die Feldexkursion an den Neusiedler See, die er 30 Jahre lang geleitet hat. Ein Tagesausflug nach Wien darf nicht fehlen, "die Jungzoologen sollen nicht mir Scheuklappen durch die Gegend laufen", sagt er unverblümt, wie es seine Art ist.

Böhme selbst hat eine große Affinität zu Wien. Ein österreichischer Tierarzt war der erste Naturwissenschaftler im Bekanntenkreis, seine Eltern setzten den jungen Wolfgang in den Zug, weil er unbedingt große, grüne Smaragdeidechsen sehen wollte. Aufgewachsen ist Böhme in einem kleinen Dorf bei Kiel, was man ihm immer noch anhört.

Von Bonn aus hat Böhme West- und Zentralafrika bereist und mit seiner Arbeitsgruppe auch Reptilien anderer Erdteile erforscht. Den Jemen-Waran hat er allerdings vor dem heimischen Fernseher entdeckt. "Es lief ein Dokumentarfilm über das Land. Da latschte plötzlich ein relativ großer Waran durchs Bild", erzählt er.

Auch in einer Zoohandlung im Ruhrgebiet wurden die Bonner Herpetologen schon fündig. "Wir hatten einen Tipp bekommen, und es war sofort klar, das ist eine neue Art." Die gelbe Echse bekam den passenden Namen Quittenwaran. 15 neue Warane hat seine Arbeitsgruppe insgesamt beschrieben. "Bei den Insekten sind neue Arten Tagesgeschäft, bei den Wirbeltieren etwas sehr Besonderes", sagt der Professor. Dass etliche neue Arten ein "boehmei" im lateinischen Namen tragen, hängt er nicht an die große Glocke.

Aus dem Naturforscher hätte auch ein Musiker werden können. Immerhin wurde Böhme in einem Atemzug mit dem heute bekannten Dirigenten Justus Frantz in den Kieler Nachrichten erwähnt, als die Jungen an einem Klavierwettbewerb teilnahmen. Als kleiner Ersatz dafür, "dass es mit der Pianistenkarriere nichts wurde", singt er seit Jahren im Collegium Musicum Bad Honnef.

Außerdem nimmt er regelmäßig im großen Ohrensessel Platz, um bei Veranstaltungen der Alexander-Koenig-Gesellschaft mit sonorer Stimme vorzulesen. Gerne Heiteres und Tierisches. Wilhelm Busch, mit dem Böhme sogar ganz entfernt verwandt ist, ist da eine ergiebige Quelle. Auch die Vortragskunst ist offenbar in die Wiege gelegt, mit sieben Jahren deklamierte der kleine Wolfgang schon den gesamten "Max und Moritz".

Man kann sich nicht vorstellen, dass Böhme jemals langweilig wird. Er wohnt mit seiner Frau in Friesdorf und dokumentiert auch im Privatgarten die biologische Vielfalt. Bei schlechtem Wetter fahndet er in antiken Texten nach wissenschaftlichen Irrtümern und Kuriositäten. Sein Vorbild ist der Bonner Professor Martin Eisentraut. Der war 70, als der 29-jährige Böhme ihn zu einer prägenden Afrikareise begleitete, und hatte bis zu seinem Tod mit 92 Jahren noch ein eigenes Büro im Museum. "Vielleicht ist das das Geheimnis des Älterwerdens, dass man von wissenschaftlicher Neugier getrieben wird", sagt Böhme nachdenklich.

Typisch bönnsch

Das sagt Wolfgang Böhme über seine Wahlheimat:

An Bonn gefällt mir sehr gut das, was an historischer Bausubstanz da ist, vor allem die kurfürstliche Architektur. Auch der biologische Reichtum und das Klima sind besser, im Vergleich zu Schleswig-Holstein.

Ich vermisse eine gewisse Professionalität bei den Verantwortlichen, wenn es um Verkehrsplanung und Großbauprojekte geht. Das kann den Stolz auf Bonn schon ein bisschen mindern.

Mein Lieblingsplatz ist das Museum Koenig - nach wie vor.

Typisch bönnsch ist die Offenheit der Menschen. Als ich mit meiner ersten Tochter durch die Innenstadt schob, fragten Leute: Kann ich mal in Ihren Kinderwagen gucken? Das ist für einen Norddeutschen zunächst ungewohnt, aber ich glaube, dass ich mich nach über 40 Jahren gut naturalisiert habe im Rheinland.

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