Baugenehmigungen in Bonn „Wohnungsneubau ist die beste Mietpreisbremse“

BONN · Die Baugewerkschaft IG Bau Köln-Bonn fordert mehr Kontrollen und Anstrengungen zur Belebung des Wohnungsmarktes. Sie plädiert unter anderem für bessere steuerliche Anreize. Regionale Experten sehen das ähnlich.

 In Bonn gibt es derzeit nach Ansicht regionaler Experten zu wenige Neubauten. Dies sei unter anderem in zu starren Anforderungen wie etwa der Zahl der zu bauenden Stellplätze begründet.

In Bonn gibt es derzeit nach Ansicht regionaler Experten zu wenige Neubauten. Dies sei unter anderem in zu starren Anforderungen wie etwa der Zahl der zu bauenden Stellplätze begründet.

Foto: Arno Burgi

Wegen des Mangels an Wohnungen und Einfamilienhäusern auf dem Bonner Immobilienmarkt stößt jede Baugenehmigung auf Interesse. Allerdings führt längst nicht jeder Bauantrag, der einen Stempel vom Bauamt bekommt, auch zum Richtfest, sagt zumindest die IG BAU. Die Gewerkschaft sieht beim Wohnungsbau daher „noch Luft nach oben“ – auch beim altersgerechten und energetischen Sanieren. Andernfalls werde auf dem Wohnungsmarkt ein zunehmend „eisiger Wind wehen“. Experten aus der Region raten, dabei zu differenzieren.

Unbestritten ist laut Gewerkschaft: Auch in Bonn tut sich etwas beim Wohnungsbau. Insgesamt seien im vergangenen Jahr in Bonn 1355 Wohnungen neu gebaut worden – darunter 546 Eigentumswohnungen. „Der Wohnungsneubau ist die beste Mietpreisbremse. Jede Wohnung, die neu entsteht, zählt im System von Wohnungsangebot und Mieternachfrage“, sagt Hans Peter Eschweiler, Bezirkschef der IG BAU Köln-Bonn. Um den Wohnungsneubau aber attraktiver zu machen, müsse es bessere steuerliche Anreize geben: Die lineare Absetzung für Abnutzung (kurz AfA) müsse von zwei auf drei Prozent erhöht werden.

Was die Gewerkschaft zudem kritisiert: Im ersten Quartal habe es für 328 Wohnungen eine Baugenehmigung gegeben. Die Bauherren und Investoren hätten dabei angegeben, in den Bau von Wohnhäusern gut 22 Millionen Euro investieren zu wollen, wobei sich die IG Bau auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes beruft. Dabei wird vor „zu großen Neubau-Fantasien“ gewarnt: „Nicht hinter jedem Bauantrag, der einen Stempel bekommt, steckt auch eine ernsthafte Bauabsicht. Oft werden Baugenehmigungen nur eingeholt, um damit den Wert des Baulands zu heben – um also die Grundstückspreise nach oben zu jubeln“, moniert Eschweiler.

Aus Sicht der Bonner Stadtverwaltung ist dieser Anteil „verschwindend gering“, sagt Marc Hoffmann, stellvertretender Stadtsprecher: „Aufgrund der Gültigkeitsdauer der Baugenehmigung kann es allerdings bis zu drei Jahre dauern, bis mit dem Bau begonnen wird.“ Innerhalb dieser Zeit könne der Bauherr mit dem Bau beginnen. „Nach drei Jahren erlischt die Baugenehmigung, falls sie nicht auf Antrag verlängert wird“, sagt Hoffmann. Die „Kontrolle“ besteht darin, dass das Bauordnungsamt die Gültigkeitsdauer einer Baugenehmigung überwacht und den Bauherrn informiert, wenn diese erloschen ist. Eine Baupflicht besteht nicht.

Eine wesentlich günstigere Alternative, eine Grundstücksbebauung prüfen zu lassen, sei die Bauvoranfrage. „Unseres Erachtens wird diese Methode auch zur 'Wertsteigerung' von Grundstücken genutzt“, so Hoffmann weiter: „Im Rahmen der Bauvoranfrage kann der Bauherr mit relativ geringem Aufwand eine Planungssicherheit erhalten, auf deren Grundlage ein Bauantrag gestellt werden kann.“ Möglicherweise würden sich aus Sicht des stellvertretenden Stadtsprechers Grundstücke mit einem positiven Vorbescheid aus einer Bauvoranfrage auch lukrativer veräußern lassen. Das Verhältnis von Bauvoranfragen zu ausgeführten Bauten sei jedoch statistisch nicht zu erfassen.

Die Stadt stellt zu den von der IG Bau vorgelegten Zahlen klar: Quelle der Information sei nicht das von der Gewerkschaft genannte Statistische Bundesamt, sagt Marc Hoffmann, „sondern das für die Kommunen in NRW zuständige 'Statistische Landesamt für NRW' IT.NRW“. Zwar seien die von der IG Bau veröffentlichten Zahlen richtig zitiert, stünden aber nicht in direktem Zusammenhang: „Die Implikation, dass für 328 Wohnungen 22 Millionen Euro in den Bau von Wohnhäusern investiert werden, ist so aus der Statistik nicht abzuleiten“, betont er. Im ersten Quartal 2016 seien für die Errichtung von Wohn- beziehungsweise Nichtwohngebäuden 99 Genehmigungen erteilt worden. „Darin enthalten ist die Errichtung von insgesamt 328 Wohnungen“, so Hoffmann: „Die dafür veranschlagte Investitionssumme wird mit 40,7 Millionen Euro angegeben.“

Dass der Vorstoß der Gewerkschaft zur Schaffung von mehr Wohnraum – unabhängig von der Belastbarkeit der Zahlen – in die richtige Richtung zielt, bestätigt auch der Mieterbundvorsitzende Bernhard von Grünberg. Wiederholt habe er dafür plädiert, „dass durch eine aktive Grundstückspolitik mehr Bauland ausgewiesen wird“. Dazu gehöre auch, dass Baugenehmigungen befristet werden müssen, so von Grünberg weiter, „damit sie nicht zum Spielball für Spekulationsobjekte werden“. Auch bei der Nachverdichtung gebe es ein großes Potenzial, das noch nicht ausgeschöpft wurde. Außerdem müssten wieder Wohnflächen außerhalb der bebauten Innenstadt geplant werden.

Jens Bräutigam, Geschäftsführer der Bonner Wohnbau, einer bundesweiten Immobiliengesellschaft, führt weitere Argumente an: „Der Hauptgrund für die geringen Neubauzahlen sind die veralteten Bebauungspläne und die daraus resultierenden langen Baurechtschaffungen von bis zu fünf Jahren und länger.“ Bezahlbare Mietwohnungen sind nach Ansicht von Bräutigam fast nur noch auf eigenen Grundstücken zu erstellen. Dazu hätte sein Unternehmen auch Möglichkeiten und Mittel: „Auf Grundstücken der Wohnbau in Bonn besteht ein Potenzial von rund 600 Wohnungen. Hierzu sind Investitionen von 120 Millionen Euro notwendig.“

Was eine Umsetzung erschwere: „Neben den langen Genehmigungszeiträumen, stehen oft nicht zeitgemäße Anforderungen hinsichtlich der Anzahl zu bauender Stellplätze dem Neubau entgegen“, erklärt Bräutigam. Aufgrund des sich verändernden Mobilitätsverhaltens sinke seit Jahren der Bedarf an Stellplätzen. Ein Tiefgaragenstellplatz kostet in der Herstellung 25 000 Euro. Die erzielbaren Mieten für diese Plätze seien aber nicht kostendeckend. Daher müssten die Wohnungsmieten um diese Fehlbeträge erhöht werden. „Hier könnte die Verwaltung durch Flexibilisierung der Stellplatzquoten einen Beitrag zu bezahlbaren Mieten im Neubau leisten“, meint der Baumanager.

Auch aus Sicht von Helmut Hergarten, Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg, ist nicht zu bestreiten, dass es in den Ballungsräumen „eine starke Mangelsituation auf dem Wohnungsmarkt gibt“. Nach dem marktwirtschaftlichen Prinzip führe das zu immer höheren Preisen. Für den Staat müsse es daher heißen: „Bauen, bauen, bauen – das wäre der beste Mieterschutz“, so Hergarten. Die Mietpreisbremse hingegen schaffe keine einzige neue Wohnung. Richtig findet Hergarten den Vorstoß der IG Bau, dass sich das Bauen auch für Privatleute wieder lohnen muss. „Alle Fachleute sind sich einig, dass mit einer höheren linearen Gebäudeabschreibung viel erreicht wäre“, so Hergarten. Etwa eine Erhöhung von zwei auf drei Prozent. „Und der Staat sollte sich überlegen, ob er wirklich die Standards, besonders im energetischen Bereich, immer weiter nach oben schraubt“, sagt Hergarten. „Wenn die Neubaukosten 13 Euro und mehr betragen, kann die Neuvermietungsmiete nicht bei sieben Euro liegen.“

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