Bundeszentrale für politische Bildung „Wir wollen Teil dieser Stadt sein“

Bonn · Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) baut ihren Bonner Hauptsitz aus. Mit dem Präsidenten Thomas Krüger sprach Andreas Baumann über den Standort, über Populismus und die Risiken direkter Demokratie.

 Ein Mann des Wortes und der Bücher: Thomas Krüger während des GA-Interviews in seinem Büro an der Adenauerallee.

Ein Mann des Wortes und der Bücher: Thomas Krüger während des GA-Interviews in seinem Büro an der Adenauerallee.

Foto: Roland Kohls

Die AfD ist in Mecklenburg-Vorpommern gerade zweitstärkste Partei geworden. Wie sehr beschäftigt Sie das?

Thomas Krüger: Die Debatte um populistische Formen von Politik ist für Multiplikatoren der politischen Bildung ein essenzielles Thema. Von uns werden Hintergrundwissen, Meinungsbeiträge und Kontroversen erwartet. Es ist mit Händen zu greifen, dass die Demokratie diskursiver werden muss. Man muss mehr kommunizieren, mehr streiten. Die AfD spricht offenbar Themen an, die bei vielen Leuten in Form von Ängsten und Unsicherheiten vorkommen. Allerdings mit Antworten, die höchst problematisch sind.

Wie wird das Land diskursiver?

Krüger: Mit Debatten in der Öffentlichkeit. Das kann auch im privaten Umfeld, in Vereinen und Verbänden sein. Wir liefern Zahlen, Fakten und Interpretationshilfen. Wir wollen keine Meinung vorgeben, sondern Meinungsbildung unterstützen. Mir liegt viel an der Art, wie wir die Debatten führen. Ich beobachte mit Sorge eine gewisse Verrohung im politischen Diskurs. Hier muss der Staat klare rote Linien zeigen, und wir sollten uns darüber verständigen, wie wir miteinander umgehen wollen.

Spiegelt sich die Dynamik der AfD auch bei Ihrem Wahl-O-Mat wider?

Krüger: Absolut. Der Wahl-O-Mat hat ohnehin Hochkonjunktur. Offenbar prüfen darüber viele Leute ihre Positionen ab, auch wenn dieses Online-Informationsangebot natürlich kein hundertprozentiges Abbild der Wahlprogramme ist, sondern ein spielerisches Instrument. Berücksichtigt sind alle zu den jeweiligen Wahlen antretenden Parteien. In Berlin haben sich die Nutzungszahlen mit über 700 000 verdreifacht; bei der Bundestagswahl waren wir bei 13,2 Millionen. Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern konnten wir damit aber nicht an den Start, weil die Landesparteien CDU und SPD die Teilnahme am Wahl-O-Mat verweigert haben.

Warum das?

Krüger: Sie sagen, das sei ein unkonkretes Instrument, man bevorzuge andere Wege der Wähleraktivierung. Das erleben wir bisher nur in Mecklenburg-Vorpommern.

Stichwort Pegida-Bewegung: Sind Menschen, die dort mitlaufen, für Sie überhaupt erreichbar?

Krüger: Nur sehr schwer, aber es ist nicht aussichtslos. Man hat den Eindruck, dass viele Pegida-Anhänger ein vulgäres Verständnis von direkter Demokratie haben, nach dem Motto: Ich bestelle mir eine bestimmte Politik, und wer die nicht liefert, ist nicht akzeptabel. Demokratie meint aber ja auch Gewaltenteilung und Kompromissfindung. Richtig ist doch, dass parlamentarische Verfahren sehr wohl Sinn machen, um zu durchdachten Ergebnissen zu kommen, die von der Mehrheit getragen werden. Bei direkter Demokratie gibt es den Eindruck, man könne Politik in einer Ja-Nein-Dichotomie auflösen. Das ist ein fataler Irrtum.

Das ist jetzt eine Warnung vor dem Bürgerentscheid?

Krüger: Ja. Es ist gut, Bürgerbeteiligung stattfinden zu lassen – aber ergänzend zu den klassischen Verfahren von repräsentativer Demokratie und ihren Aushandlungsprozessen. Die sind nicht immer der Weisheit letzter Schluss, aber sie repräsentieren einen großen Teil der Gesellschaft.

Sind Sie zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Schulen der Region?

Krüger: Wir kooperieren sehr gut, was zum Beispiel Ausstellungen betrifft. Viele Lehrkräfte sind Stammgäste in unserem Medienzentrum und holen sich das aktuelle Material ab. Sie kommen mit Impulsen und Ideen zu uns. Wir thematisieren auch die Probleme von Schulen, etwa bei der Inklusion – dann aber eher mit dem Ansatz, dass wir auf positive Beispiele aus der Praxis hinweisen, von denen man lernen kann.

Gehört die bpb nicht eher nach Berlin, wo die Regierungsmusik spielt?

Krüger: Ganz klares Nein. Die Bundeszentrale für politische Bildung war eine der besten Erfindungen der Bonner Republik. Politische Bildung nach dem zweiten Weltkrieg – um es salopp zu sagen: aus Nazis Demokraten zu machen – war eine heroische Aufgabe. Deshalb ist Bonn für uns der Genius loci. Man muss in Berlin präsent sein. Das sind wir auch, und wir haben dort etwa ein Sechstel unserer Mitarbeiter. Wir fühlen uns aber in Bonn sehr wohl und haben uns gerade vergrößert. Der Deutsche Bundestag hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren mehr als 30 zusätzliche Stellen genehmigt.

Wie kam das?

Krüger: Zum einen als Reaktion auf die Herausforderung durch den radikalen Islamismus. In dem Bereich haben wir schon rund 50 Präventionsprojekte gefördert. Zum anderen mit Blick auf den Flüchtlingszustrom. Unsere Broschüre „Ankommen. Eine Orientierungshilfe für das Leben in Deutschland“ in zwölf Sprachen haben uns vor allem die ehrenamtlichen Helfer aus den Händen gerissen. Der Großteil des Stellenzuwachses ist übrigens Bonn zugutegekommen. Wir nutzen deshalb jetzt auch das Gebäude Adenauerallee 131a, nur einen Steinwurf von der Zentrale entfernt.

Fühlen Sie sich von den Bonnern ausreichend wahrgenommen?

Krüger: Als ich vor 16 Jahren hier angefangen habe, rief schon am ersten oder zweiten Tag die Oberbürgermeisterin an. Die Stadt hat sich seitdem immer um uns bemüht. Wir nehmen am jährlichen Bildungsempfang teil, sind in die Diskussionen der Bildungslandschaft involviert. Wir arbeiten häufig mit dem Haus der Geschichte zusammen, mit der Bundeskunsthalle, dem LVR-Museum, der Uni, der Deutschen Welle und vielen anderen. Mit Oberbürgermeister Ashok Sridharan sprechen wir gerade über eine Kooperation für das Beethoven-Jubiläumsjahr 2020.

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