Flüchtlinge in der Region „Wir müssen unsere Spielregeln klarmachen“

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · Landrat Sebastian Schuster und Kreisdirektorin Annerose Heinze wollen das Zusammenleben von und mit Flüchtlingen besser regeln – etwa mit einem Integrationsfragebogen. Ein Interview von Axel Vogel.

Spätestens die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht haben mit Macht die Frage belebt, ob und wie man Flüchtlingen hiesige Werte früh vermitteln muss. Auch bei Sebastian Schuster, Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, und seiner Kreisdirektorin Annerose Heinze. Vor allem wie sich eine solche Wertevermittlung umsetzen ließe, wollte von Schuster und Heinze wissen.

Herr Schuster, Frau Heinze, es gab ja bereits vor einigen Jahren eine Debatte über die deutsche Leitkultur. Müssen wir insbesondere nach Köln jetzt neu nachdenken, wie wir Menschen, die aus fremden Ländern zu uns kommen, unsere Werte vermitteln können?
Sebastian Schuster: Wir haben in Deutschland schon mehrfach Zuwanderung erlebt. Aber erstmals kommen keine Europäer zu uns, und das ist die besondere Herausforderung: Diese Menschen haben meist eine andere Religion und eine andere Weltanschauung. Etwa, was die Stellung der Frau und die Gleichberechtigung angeht. Da sind wir schnell bei Werten.
Annerose Heinze: Es gibt universelle Werte, sozusagen Weltwerte. Kein Land auf der Welt erlaubt seinen Bürgern zu stehlen oder gar Gewalt auszuüben. Darüber hinaus gibt es aber auch in jedem Land gewisse Gepflogenheiten, die beachtet werden müssen, und deshalb lautet die Botschaft von Köln unbestritten, dass wir den Menschen, die neu zu uns kommen, unsere Spielregeln kommunizieren müssen. Und zwar schnell, damit der soziale Friede und die Willkommenskultur nicht gefährdet werden. Schließlich ist die Integration der Flüchtlinge mit Blick auf den demografischen Wandel auch eine Chance für uns.

Geschieht denn schon etwas in Sachen Wertevermittlung?
Heinze: Ja, wir unterbreiten vom ersten Tag an den Flüchtlingen, die Quartier in den Notunterkünften des Kreises in Hennef und Troisdorf beziehen, freiwillige Angebote. So erste Deutschstunden. Aber natürlich informieren wir auch über das soziale Miteinander.

Reicht das aus?
Schuster: Nein, das ist nur der Anfang. Denn auch uns ist aufgefallen, dass es Gruppen unter den Flüchtlingen gibt, die ganz bewusst nicht von diesen Angeboten Gebrauch machen und offensichtlich kein Interesse haben, die Regeln unseres Landes kennenzulernen und einzuhalten. Es ist zwar eine sehr kleine Zahl, aber es gibt sie. Daher muss bei jedem Flüchtling hinterfragt werden, ob er bereit ist, sich in seine neue Heimat einzubringen und die Werte des Grundgesetzes auch zu verteidigen. Es muss erkennbar sein: Wer identifiziert sich mit unserer Werteordnung, und wer nicht.

Wie könnte man diese Integrationsbereitschaft erkennbar machen?
Schuster: Zum Beispiel durch einen Integrationsfragebogen, der sprachliche, rechtliche und kulturelle Themen abfragt.

Wer könnte wann einen solchen Fragebogen auflegen und abfragen?
Schuster: Natürlich müsste so etwas noch intensiv rechtlich geprüft werden. Wichtig ist aber, dass ein solcher Test zeitnah durchgeführt wird. So könnte ich mir vorstellen, dass man dieses mit jenen Flüchtlingen macht, die eine Bleibeperspektive haben und die bereits einen Asylantrag gestellt haben und einer Kommune zugewiesen wurden.

Wie sieht es mit der Verbindlichkeit des Verfahrens aus?
Schuster: Ich bin schon der Meinung: Wer dauerhaft bleiben will, muss sich auch im bestimmten Umfang verpflichten lassen, diese Werte zu achten. Dazu gehört, Zuwanderern klar zu sagen, dass sie dort, wo sie sich einbringen werden, auch bleiben können. Wer das nicht will, für den muss man sich auch Restriktionen überlegen und diese stringenter als bislang umsetzen.

Gilt es, speziell der Vermittlung des Artikels 1 des Grundgesetzes zur Menschenwürde und dem Bild der Frau besondere Aufmerksamkeit zu zollen?
Heinze: Als ehemalige Gleichstellungsbeauftragte steht für mich außer Frage: Die Artikel 1 und 3 und damit insbesondere die Gleichberechtigung von Mann und Frau sind für mich nicht verhandelbar. Da geht es keinen Deut zurück. Dass wir gerade auf das Thema zukünftig viel Zeit verwenden müssen, steht für mich auch nach einem Besuch in der Notunterkunft des Kreises in Hennef fest.

Ein dort aus mehreren Nationen gebildeter „Ältestenrat“ lehnte es zunächst ab, mit mir zu sprechen. Sie hatten Landrat Schuster erwartet und nicht eine Frau als seine Stellvertreterin. Als ich aber insistierte, akzeptierte man mich als „kleine Chefin“ und fortan gestaltete sich das Verhältnis unkompliziert.
Schuster: Das ist in der Tat eine krasse Herausforderung, denn das Thema wird ja in vielen Lebensbereichen virulent, denken Sie etwa an Behördengänge von Flüchtlingen. Viele Verwaltungsmitarbeiter sind Frauen.

Wer könnte so eine Bildungsarbeit übernehmen?
Heinze: Da müssen wir uns zukünftig breit aufstellen, denn viele Institutionen sind gefordert, von Schulen über Ehrenamtliche und karitative Einrichtungen bis hin zu den Kommunen. Ich kann mir vorstellen, dass das Kommunale Integrationszentrum des Kreises hier eine erste Hilfestellung geben kann.
Schuster: Es wäre ebenfalls gut, Spezialisten um Rat zu fragen, etwa aus dem Interkulturellen Jugendaustausch. Eine Verwaltung alleine kann so etwas sicher nicht leisten.

In einem Gastbeitrag für den GA hat der Geistliche Wolfgang Picken einen kommunalen Masterplan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gefordert. Was halten Sie davon?
Schuster: Auch wenn ich nicht in allen Belangen der Meinung von Herrn Picken bin: Ein Plan muss her, da man dieses Thema, das eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist, nicht dem Zufall überlassen kann. Daher ist ein Konzept zwischen allen Beteiligten – Politik, Verwaltung, Institutionen, Ehrenamtler – sinnvoll.

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