WCCB in Bonn Will der Insolvenzverwalter klagen?

BONN · Die Vergangenheit des World Conference Center Bonn (WCCB) ruht nicht. Sie beeinflusst oder stört immer wieder alle Zukunftsbemühungen. War es einst der Grundbucheintrag der Investmentfirma Arazim Ltd. (Zypern), der eine Einigung zwischen Stadt Bonn und Insolvenzverwalter Christopher Seagon (Heidelberg) jahrelang blockierte, so hat nach GA-Informationen jetzt Seagon der Stadt Bonn überraschend eine Klage wegen "Insolvenzverschleppung" angedroht.

Das Presseamt teilte auf GA-Anfrage mit: "Von einer Klageerhebung des Insolvenzverwalters gegen die Stadt Bonn ist uns nichts bekannt." Seagons Pressesprecher Holger Voskuhl will heute eine Stellungnahme abgeben. Dass offenbar weiteres Ungemach unterwegs ist, zeigt ein kurzfristig anberaumter Termin: Die aktuelle Lage hat Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) veranlasst, heute Abend alle Fraktionsvorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Parteien einzubestellen. Das bestätigte das Presseamt der Stadt. Dort sollen die Politiker über den "Stand der juristischen Abwicklung des Heimfalls informiert werden".

Im juristischen Gestrüpp des WCCB und der kurvenreichen Geschichte nach Insolvenz- und Verhaftungswelle sowie dem Baustopp im Herbst 2009 irritiert allein schon der Begriff "Insolvenzverschleppung". Denn wie könnte die Stadt etwas "verschleppt" haben, wo doch die UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC) des inzwischen zu einer Haftstrafe verurteilten Investors Man-Ki Kim der Bauherr war? Schließlich ging nicht die Stadt insolvent, sondern Kims UNCC.

Doch eine solche Formalbetrachtung ignoriert die Geschichte hinter der Geschichte. Hinter dem Klage-Ansinnen steckt die inzwischen im Kim-Prozess vor Gericht - in Teilen - bestätigte These, dass der Bauherr sein Eigenkapital weitgehend schuldig blieb und im Wesentlichen mit einem NRW-Zuschuss (35,79 Millionen) und einem Sparkassen-Kredit in Höhe von 74,3 Millionen Euro plante und baute - einen Kredit, für den die Stadt per Nebenabrede bürgt.

Er wurde später auf 104,3 Millionen aufgestockt und verringerte sich im Februar 2012 um rund 39,5 Millionen, die die Stadt via Seagon der Sparkasse im Rahmen eines Forderungsverkaufs überwies. Die Rollenverteilung beim WCCB-Projekt hatte Arazims Anwalt Zvi Tirosh einmal so beschrieben: "Die Stadt saß eigentlich am Lenkrad und Kim nur auf dem Beifahrersitz."

Diese Gemengelage beeinflusste auch die zähen Heimfall-Verhandlungen zwischen Stadt und Seagon, der nach der Insolvenz bei der UNCC das Sagen hatte. Szenario A: Der Heimfall, die Rückübertragung von Grundstück samt Aufbauten an die Stadt, wird "nach Vertrag" vollzogen. Da hätte Seagon aber kaum etwas für seine Insolvenzmasse bekommen, die Stadt indes befürchten müssen, dass Seagon sie verklagt. Denn die Verwaltung hatte zahlreiche Vertragsverstöße Kims gegen den Projektvertrag geduldet und dadurch, so wird es Seagon sehen, den Projektschaden vergrößert.

Der WCCB-Report des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) hatte im April 2010 detailliert belegt, dass die Stadt trotz fehlender Eigenkapitalnachweise Kims und der vertragswidrigen Übertragung von 96 Prozent der UNCC-Anteile an Arazim von einer Vertragskündigung absah - und als Bürge weitere Auszahlungen aus dem Kreditvertrag abnickte. Folglich wurde Szenario B, der "einvernehmliche Heimfall", realisiert. Die Stadt zahlte eine "Heimfallvergütung" von 8,5 Millionen an Seagon und sparte sich damit die Zeit für einen wahrscheinlich langen Prozess - und vermutlich auch die für sie wenig freundliche Ausbreitung aller Sachverhalte vor Gericht.

Ferner enthielt der Heimfallvertrag zwischen Seagon und Stadt eine Kaufoption für die WCCB-Baupläne über rund fünf Millionen Euro. Da die Stadt nun alle Pläne selbst neu erstellen lässt, fehlen Seagon einige eingeplante Millionen. Beobachter werten dies als Anlass, warum Seagon nun wieder Szenario A wiederbelebt.

Auch denkbar: Seagon hat beim Kim-Prozess an mehr als 100 Verhandlungstagen eifrig mitschreiben lassen - und nachträglich viel "Munition" gefunden.

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