Führung durch den Wald Wildnis vor der Haustür

Röttgen · Mitarbeiter der Biologischen Station führen interessierte Bürger durch ein Stück unberührten Kottenforstes. Der Wald konnte auf diesem Flecken gut 40 Jahre lang ohne menschlichen Eingriff gedeihen.

 Reges Interesse fand das Angebot der Biologen, durch die einmalige Naturwaldzelle im Kottenforst zu führen.

Reges Interesse fand das Angebot der Biologen, durch die einmalige Naturwaldzelle im Kottenforst zu führen.

Foto: Leif Kubik

„Man muss nicht immer nach Mallorca fahren, um Natur hautnah zu erleben“, findet Heraldo Hettich von der Grünen Hochschulgruppe. Gemeinsam mit fünf Kommilitonen der unterschiedlichsten Fachrichtungen nahm der Biologiestudent daher am „Internationalen Tag des Waldes“ am Montag an einer Führung des Projekts „Villewälder“ teil, die das Regionalforstamt Rhein-Sieg-Erft gemeinsam mit der Biostation Bonn/Rhein-Erft angeboten hatte.

Und die sechs Studenten waren beileibe nicht die Einzigen: Fast 40 Teilnehmer jeden Alters wollten hören, was Projektleiter Klaus Striepen und seine Kollegin Karina Jungmann von der Biologischen Station zu erzählen hatten. Vom Treffpunkt am lauten Wanderparkplatz neben der Autobahn 565 machte sich das Trüppchen schnell auf den Weg, um nach einer Viertelstunde fast in eine andere Welt einzutauchen: Die Stieleichen-Hainbuchenwälder des Kottenforsts gehören zu den besonders schützenswerten Lebensräumen in Europa und die beiden Biologen führten ihre Gäste in eine Parzelle Naturwald, die seit 40 Jahren komplett ohne menschliche Eingriffe gedeihen konnte.

Wie profitieren Tiere und Pflanzen, wenn der Wald sich selbst überlassen bleibt?

In dieser Naturwaldzelle soll sich nun im Laufe der Zeit wieder ein echter Urwald entwickeln: Was macht die Natur, wenn der Förster nicht mehr eingreift? Wie profitieren Tiere und Pflanzen, wenn der Wald sich selbst überlassen bleibt? Was können wir hier für die naturnahe Bewirtschaftung unserer Wälder lernen? Diese und zahlreiche andere Fragen der Teilnehmer beantworteten die beiden Biologen im Rahmen ihrer Führung.

Auf den so genannten Kleiböden kann die Nässe im Winter kaum abfließen und so wachsen auf den Stauwasserböden die wechselfeuchten Stieleichen-Hainbuchenwälder. „Möglich ist das, weil das Gelände wegen einer undurchlässigen Tonschicht im Unterboden im Winter regelrecht vollläuft“, erläutert Striepen fachkundig. „Auf solchen Böden, die im Sommer weitgehend abtrocknen, bilden die beiden heimischen Baumarten gemeinsam mit der Winterlinde beeindruckende Laubmischwälder“, erklärt der Biologe weiter, während er die Gruppe zu einer etwa 200 Jahre alte Eiche führt. „Stellen Sie sich vor, dass dieser Baum ein Sämling war, als Napoleon halb Europa eroberte“, macht er seinen Zuhörern klar.

Tote Bäume sind Lebensraum für seltene Tierarten

40 Jahre brauche ein toter Baum bis er umfalle, weitere 40, bis er sich weitgehend zersetzt habe. Das sind Jahre, in denen der sterbende Baum ein wichtiger Lebensraum für viele selten gewordene Tierarten wie den Mittelspecht, die Bechsteinfledermaus oder den Hirschkäfer sei, ergänzt Jungmann. Besonders vielfältig seien die Villewälder auch wegen der vielen kleinen offenen Inseln im Wald: „In den Eichenwäldern finden sich bunte blütenreiche Waldwiesen mit seltenen und gefährdeten Pflanzenarten wie Läusekraut, Arnika oder Teufelsabbiss. Eine Besonderheit sind auch die wie ihre großen Brüder in der Eifel Maare genannten wassergefüllten Mulden und Weiher, die gerade jetzt zur Laichzeit seltenen Amphibien wie Fröschen, Molchen oder Unken eine wichtige Lebensgrundlage bieten.

Das Projekt „Villewälder“ wird durch den europäischen Naturschutzbund "LIFE+" gefördert; Projektträger sind der Landesbetrieb Wald und Holz NRW, der durch das Regionalforstamt vertreten wird, und die Biologische Station. Der Projektetat von 3,3 Millionen Euro wird jeweils zur Hälfte von der EU und dem Land getragen.

Weitere Informationen findet man unter www.villewaelder.de

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