Attacken gegen Polizisten in Bonn Wie Gewalt gegen Rettungskräfte verhindert werden soll

BONN/REGION · Respektlosigkeiten gegen Polizisten oder Rettungsdienste nehmen in Bonn und der Region immer weiter zu. Deshalb startet nun auf Initiative des Rhein-Sieg-Kreises eine Kampagne, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Beleidigungen, Respektlosigkeiten oder sogar Schubser und Schläge sind für Polizei, Feuerwehren, Technisches Hilfswerk (THW) oder Rettungsdienste mittlerweile fast an der Tagesordnung. Kaum ein Beamter, kaum ein ehrenamtlicher Helfer, der nicht schon einmal beschimpft, geschlagen oder bespuckt wurde. Ein Problem, das seit Langem virulent ist – und dem Städte, Gemeinden und Polizeibehörden entschieden entgegentreten wollen.

Auf Initiative der Siegburger Polizei haben sich Landrat Sebastian Schuster, der gleichzeitig Polizeichef des Rhein-Sieg-Kreises ist, die 19 Bürgermeister des Rhein-Sieg-Kreises, Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa zusammengetan, um mehr Respekt für die Einsatzkräfte einzufordern. Mit dabei sind auch die Malteser, das Deutsche Rote Kreuz und das THW.

Am Montag fiel im Bonner Polizeipräsidium der Startschuss für die Kampagne „Respekt – Bonn/ Rhein-Sieg“. In den nächsten Wochen werden unter anderem entsprechende Aufkleber auf Einsatzwagen zu sehen sein. „Wir wollen dafür sensibilisieren, dass die Menschen, die im Einsatz sind, andere Menschen retten wollen. Dass sie dabei behindert, beleidigt oder tätlich angegriffen werden, ist nicht hinnehmbar“, sagte Schuster.

Dem stimmte Sridharan zu: „Wir fahren eine Null-Toleranz-Strategie.“ Auch wenn für Außenstehende nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sei, warum Feuerwehren und Rettungsdienste welche Maßnahmen einleiten, „soll man darauf vertrauen, dass die Kräfte ihr Handwerk gelernt haben und das tun, was zu tun ist“.

„Respektlosigkeit ist ein Gesellschaftsphänomen“, sagte Klaus Pipke. Der Hennefer Bürgermeister ist Sprecher der 19 Rhein-Sieg-Kreis-Kommunen. Bei den Rettungsdiensten seien häufig Ehrenamtliche im Einsatz. „Diese Menschen opfern ihre Freizeit, um anderen zu helfen. Sie haben Wertschätzung verdient.“ Wehret den Anfängen, sei ihre Devise, so Polizeipräsidentin Brohl-Sowa. Denn körperlicher Gewalt gehe meist verbale voraus – Beleidigungen ebenso wie sexualisierte Bemerkungen. Deshalb müsse man früh dagegen vorgehen. Ein positives Signal gehe von der Justiz aus. Mittlerweile würden diese Straftaten stärker sanktioniert.

13-Jähriger bediente sich der gesamten Schimpfwortpalette

„Geändert hat sich nicht viel, es gab schon immer Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften“, berichtete Volker Hofmann, Dienstgruppenleiter in Siegburg, der seit gut 40 Jahren im Polizeidienst ist. Allerdings habe sich die Qualität geändert. „Mittlerweile werden wir verbal und auch körperlich massiv angegriffen.“ So zum Beispiel in einer Jugendunterkunft, in der ein Streit entbrannt war. Als die Polizei eintraf, „war dort ein 13-Jähriger, der mich durchgehend eine Dreiviertelstunde lang beleidigt hat“. Dabei habe er sich der gesamten Schimpfwortpalette bedient. Hofmann selbst blieb ruhig. „Unter Umständen macht man so etwas ja täglich mit. Das muss man ignorieren und versuchen, ihn in eine andere Richtung zu lenken.“ Sonst sei es nicht weit zu Kratzen, Beißen, Spucken oder Schlagen.

Denn auch das hat er schon erlebt. Ein Obdachloser, der in einigen Unterkünften und auch Krankenhäusern Hausverbot hatte, sollte weggeführt werden. „Er hat sich umgedreht und geschlagen. Dabei hat er meinen Kopf erwischt.“ Eine Situation, für die Hofmann sogar Verständnis zeigte. „Man muss immer bewerten, in welcher Verfassung sich jemand befindet, dann muss man sein Handeln relativieren.“

Doch es gibt auch die anderen, so Stefan Birk, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde, die legten sofort los. „Was willst Du Bulle“, sei noch die harmloseste Aussage. Probleme bereiteten häufig auch Schaulustige, die die Arbeiten behinderten, fügte Hofmann hinzu. Genau wie unbeteiligte Zuschauer, die Einsatzkräfte plötzlich angreifen. Oder Autofahrer, die ihrer Meinung nach zu Unrecht bei Verkehrskontrollen angehalten werden. Jeder im Wach- und Wechseldienst kenne diese Situationen. „Es gibt Kollegen, die werden krank darüber, sie verändern ihr Wesen.“

Auch der Rettungsdienst kennt körperliche Angriffe, beschrieb Christian Diepenseifen, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes des Rhein-Sieg-Kreises. Die Palette der Angriffe sei breit: Vom Schubser, so dass das Opfer zu Boden geht, bis zum Faustschlag ins Gesicht sei alles dabei. Die Toleranz der Einsatzkräfte sei groß, „wir haben es mit vielen Personen in psychischen Ausnahmesituationen zu tun, die zum Beispiel Angst um den Partner haben“, sagte Diepenseifen. „Wenn es aber körperlich wird, ist eine Grenze überschritten.“

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