WCCB - Die Millionenfalle, Teil 88 Wer fädelte die städtische Millionen-Bürgschaft für Man-Ki Kim ein?

BONN · Gustav Adolf Schröder könnte im ersten Prozess um das World Conference Center Bonn (WCCB) gegen Man-Ki Kim & Co. eine Art Kronzeuge bei der städtischen Millionen-Bürgschaft sein. Könnte.

Der ehemalige Chef der Sparkasse KölnBonn will aber nicht. Der 69-Jährige hat der 7. Strafkammer des Landgerichts Bonn über seine Anwältin Gaby Münchhalffen abwinken lassen. Er beruft sich auf ein - zuletzt durch das Bundesverfassungsgericht ausgeweitetes - "Auskunftsverweigerungsrecht", weil die Gefahr bestehe, dass er sich bei wahrheitsgemäßer Aussage selbst belasten könnte.

Schröders legales Zeugenselbstschutz-Programm schützt aber möglicherweise auch Parteikollegin Bärbel Dieckmann, die ehemalige Bonner Oberbürgermeisterin. Schröders Risiko hat einen Namen: Beihilfe zur Untreue. Schröder will in Bonn aber auch wegen Köln nicht aussagen. Denn dort ermitteln seit Ende 2009 die Staatsanwälte gegen ihn.

Unter anderem wegen des Verdachts der Untreue. Seine Anwältin argumentiert nach GA-Informationen, dass wahrheitsgetreue Aussagen zum Bonner Projekt nachteilig für ihren Mandanten sein könnten, weil die Ermittler aus Schröders Ausführungen in Bonn möglicherweise Rückschlüsse auf seine Sparkassengeschäfte in Köln - vor der Fusion - ziehen könnten.

Münchhalffen führt die Vorwürfe der Staatsanwälte ins Feld: Schröders Kreditentscheidungen seien angeblich "maßgeblich, wenn nicht sogar ausschließlich politisch motiviert gewesen, um die Wirtschaftsförderung im Tätigkeitsbereich der Sparkasse KölnBonn zu unterstützen", womit er dem Kreditinstitut angeblich schweren Schaden zugefügt habe.

Dabei geht es neben dem Erwerb des Golfclubs Gut Lärchenhof im Wesentlichen um den Ausbau Kölns zum "Hollywood am Rhein". Innerhalb der historischen Backsteinfassade der Messehallen wurde ein Bürokomplex sowie ein modernes Sendezentrum für die Mediengruppe RTL mit den TV-Sendern RTL, VOX, Super RTL sowie dem Nachrichtensender n-tv errichtet.

Für die am 1. Januar 2005 fusionierte Sparkasse KölnBonn ein Riesen-Bumerang. Im Konzernbericht der Sparkasse von 2010 werden die Verluste aus den Rheinhallen-Geschäften mit 277,1 Millionen beziffert. Münchhalffen hat der "Zeit" im Mai 2012 erklärt: "Es war ein politisches Anliegen, Köln als Medienstandort zu etablieren.

Jetzt hüllen sich die damaligen politischen Entscheidungsträger in Schweigen. Was früher als geradezu visionäre Ausbaustrategie galt, wird heute als strafrechtlich relevant abgetan." Man muss schon "damals" schreiben, auch wenn die Geschehnisse nur acht Jahre zurückliegen.

Denn damals, um 2005, war die alte Sparkassenzeit. Banken oder Sparkassen gehören zu großen Teilen Ländern oder Städten - und damit lange Zeit den dort regierenden Politikern. Aus deren Visionen reiften zuweilen Prestigeprojekte, die "Leuchtturmprojekte" hießen.

Weil sie sich oft schon in der Planungsphase nur auf dem Papier rechneten, spannten Politiker die Hausbank ein. Und weil sich vieles nicht rechnete oder mancher Bankier, vom Zeitgeist getrieben, zum Banker mutierte, klüngelten sich die Risiken zu einem Schuldenberg, den letztlich Steuerzahler oder Sparkassenkunden schultern müssen.

In der WDR-Dokumentation "Größenwahn und Selbstbedienung" sagt Ludwig Poullain, Gründer und erster Vorstandsvorsitzender der WestLB (1969-1977): "Ich war ein Illusionist, dass ich geglaubt habe, es sei möglich, mit einem tüchtigen Vorstand, der diese Bank ordentlich führt, die Politik außen vor zu lassen - und die Bank nur nach geschäftspolitischen Grundsätzen führen zu können. Eine absolute Illusion."

Was Poullain und Nachfolgern nicht gelang, schaffte Schröder, seit 1989 Chef der einstigen Stadtsparkasse Köln, erst recht nicht. Heute ist vom alten Vorstand niemand mehr im Amt, Schröder trat 2007 in den Ruhestand. Es ist eine neue Zeit angebrochen - auf Druck der EU-Kommission, die sich als Sachwalter der Interessen von Sparkassenkunden und Steuerzahlern sieht, aber auch der Wettbewerbsgerechtigkeit.

So musste die Sparkasse KölnBonn, auch wegen vieler Kölner Prestigeobjekte und dem Zusammenbruch der WestLB, 2008/09 an den Tropf ihrer Eigentümer, der Städte Köln und Bonn. Die spritzten 350 Millionen frisches Kapital in ihre Sparkasse. Das petzte der Bundesverband deutscher Banken als "Wettbewerbsverzerrung" in die Brüsseler Rue Joseph-II-Straat 70. Dort nahm die Taskforce "Finanzkrise" die Sparkasse ins Visier.

Bis Ende 2013 steht sie unter besonderer Beobachtung. Liebesdienste oder Gefälligkeiten gegenüber ihren Eigentümern sind nun tabu. Und natürlich darf die zweitgrößte Sparkasse Deutschlands die WCCB-Bürgschaft über zunächst 74,3, später 104,3 Millionen Euro nicht mit einer "Schwamm drüber"-Mentalität einfach abschreiben. Die Stadt muss zahlen, auch wenn sie Sparkassen-Mitbesitzerin ist.

Schröder könnte ein fehlendes zentrales Puzzleteil der bizarren WCCB-Geschichte liefern: Der von der städtischen Projektgruppe ausgeguckte "Investor" Man-Ki Kim (SMI Hyundai Corporation) wurde von der Sparkasse als zu leicht befunden. Folglich: kein Euro für Kim. Das geht vor Gericht aus einem Vorstandsprotokoll der Sparkasse vom 25. Oktober 2005 hervor.

Der Zeuge Guido Dörrenberg (Sparkasse) hatte viele offene Fragen zu Kim/SMI Hyundai vor Gericht skizziert: etwa zur Vertrauenswürdigkeit des Investors, zu dessen Kompetenz, Bonität und fehlenden Referenzprojekten. Er sagte: "Es war überall bekannt, dass man nicht auf einen Konzern zurückgreifen konnte, der die Fußball-WM 2006 in Deutschland sponsert." Er meinte: "Überall" innerhalb der Sparkasse und der städtischen Verwaltungsspitze.

Die bittere Pille, dass Kim durch die Kreditprüfung gefallen war, überreichten Ende Oktober 2005 Ulrich Voigt, damals Bereichsleiter (heute Vorstand), und Wolfgang Rindermann, 2005 Vorstandsmitglied und Kreditdezernent, der städtischen Projektgruppe. Die geriet in Alarmstimmung. Und jetzt? Projekt gestorben?

Rückflugticket für Kim? Wenige Tage später war alles anders. Unbekannte haben die große Wende vollbracht. Voigt sagte in seiner Vernehmung vor Gericht: Am 2. November 2005 hätten ihm Bonns Stadtdirektor Arno Hübner und Sparkassenchef Schröder mitgeteilt, dass nun "eine zusätzliche Absicherung realisiert werde".

Im Klartext: Die Stadt bürgt für den Kredit über 74,3 Millionen Euro. Der 2. November 2005 war ein guter Tag für das Leuchtturmprojekt, aber ein schlechter für den Steuerzahler: Fast das gesamte Risiko wird auf ihn verlagert. Doch er wird davon erst vier Jahre (2009) später erfahren. So wie der Staatsanwaltschaft zufolge auch der Bonner Stadtrat.

Zwar ist die Stadt Bonn alles andere als reich, aber eine kommunale Bürgschaft gilt Bankern als seriöse Sicherheit. Getreu der heute nicht mehr ganz sicheren Weisheit: Ein Land, eine Stadt kann nicht pleite gehen. In der Beschlussvorlage taucht das Wort "Bürgschaft" jedoch nicht auf, die versteckt sich hinter dem Wort "Nebenabrede".

Auch im Genehmigungsantrag bei der Bezirksregierung, so lernte es der Zuhörer vor Gericht, durfte das Kind nicht beim Namen genannt werden, sonst hätte die das Rechtsgeschäft - eine Kommune bürgt für eine private GmbH - nicht genehmigt. So stimmt der Rat am 14. Dezember 2005 für Kim als Investor. Doch was ist in den Tagen zwischen dem 25. Oktober und 2. November 2005 passiert?

Fragen über Fragen: Handelte OB Dieckmann mit SPD-Parteifreund Schröder einen Genossen-Deal aus? Oder sagte Hübner etwa im Alleingang die städtische Millionenverpflichtung zu? Welche Rolle spielten Schröders Stellvertreter? Einer war 2005 Dietmar Binkowska (heute NRW-Bank). Nach GA-Informationen soll er den WCCB-Business-Plan abgelehnt haben.

Michael Kranz, Bruder der städtischen WCCB-Beauftragten Eva-Maria Zwiebler und vor der Fusion Chef der Sparkasse Bonn, war der zweite Stellvertreter. In vor Gericht verlesenen Protokollen heißt es, wenn es in Sitzungen um das WCCB ging: "Kranz verlässt aus Befangenheitsgründen den Raum."

Auch die Akten der Sparkasse lüften das Geheimnis nicht. Sie sind aus Sicht der Aufklärer "sauber". So bleibt bis heute ein bizarres Versteckspiel um die persönliche Verantwortung für das Wendehals-Manöver - und den möglichen Untreueverdacht. Die Richter der 7. Strafkammer haben in dieser Frage noch nicht Vollgas gegeben, weil sie die Antwort im laufenden Kim-Prozess als nicht maßgeblich für die Schuldfrage betrachten.

Das könnte im zweiten möglichen Verfahren gegen Hübner und Zwiebler wegen Untreue, respektive Beihilfe zur Untreue, im jeweils schweren Fall, anders sein. Das sieht Kims Strafverteidiger Walther Graf anders als das Gericht: Kurz vor Prozessende beantragte er, Schröder als Zeugen zu hören. Hintergrund: Das erste Sparkassenvotum wäre eigentlich das WCCB-Todesurteil gewesen; niemand hätte mehr einen Schaden anrichten und eine Bauruine hinterlassen können.

Dadurch, so wird Graf es sehen, wird sein Mandant entlastet. Die mutmaßlich Betrogene, die Stadt, hatte selbst die Schleusen dazu geöffnet. Jedoch ist "die Stadt Bonn" ein vager Begriff. Es waren nach der Beweisaufnahme vor Gericht nur wenige Eingeweihte, die wussten, dass Kim mit seiner SMI Hyundai eigentlich ein Himmelsfahrtskommando war - und diese Erkenntnis für sich behielten.

"Es gibt keine fahrlässige Untreue"

Brigitte Koppenhöfer, ehemalige Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf, hat den Mannesmann-Prozess und das Verfahren gegen den früheren WestLB-Chef Jürgen Sengera geleitet. In der WDR-Dokumentation "Größenwahn und Selbstbedienung - Der Krimi um die WestLB" erklärt sie dem Fernsehzuschauer die Untreue: "Die Untreue verlangt nach einem Vorsatz. Es gibt keine fahrlässige Untreue. Auf der anderen Seite verlangt die Untreue auch nicht, dass sich der Täter selber bereichert.

Der Vorwurf verlangt am Ende nur, dass der Angeklagte eine Vermögenbetreuungspflicht, die ihm auferlegt ist, missbraucht und dadurch dem betreuten Vermögen einen Schaden zufügt oder das Vermögen gefährdet. Das hört sich auf den ersten Blick einfach an, ist aber eines der komplexesten Dinge, die in der Juristerei zu beherrschen, zu überprüfen und zu beurteilen sind."

Jemand handele, so Koppenhöfer, "schon vorsätzlich, wenn er ein Geschäft eingeht, einen Kredit vergibt, eine unternehmerische Entscheidung trifft mit dem Hintergedanken, es könnte auch schiefgehen und sich dann sagt “Na wenn schon„. Wenn man also dieses subjektive Moment nachweisen kann, dass jemand bewusst ein nicht mehr kalkulierbares Risiko eingeht mit dem Hintergedanken “Na wenn's schiefgeht, macht's auch nichts„, dann haben wir den Vorsatz."

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