Serie: Kinder Kinder Wenn aus Kindern Jugendliche werden

Bonn/Alfter · Der Fachdidaktiker Michael Zech über die Zeit der Pubertät. Sein Rat: Konflikte nicht zu Kraftproben machen.

 In der Pubertät verändert sich der Körper schnell – lästige Pickel sind dann keine Seltenheit. Viele Jugendliche finden sich in dieser Zeit oft nicht schön genug.

In der Pubertät verändert sich der Körper schnell – lästige Pickel sind dann keine Seltenheit. Viele Jugendliche finden sich in dieser Zeit oft nicht schön genug.

Foto: picture-alliance/gms

Michael Zech kann sich noch gut daran erinnern, als er in der Pubertät war. Es habe ihn zuweilen sehr irritiert, dass er rot geworden sei, obwohl er verzweifelt dagegen angekämpft habe. „Da merkt man: Es sind seelische und körperliche Dinge im Körper im Gange, die man nicht kontrollieren kann“, sagt er. Der 59-jährige Professor am Fachdidaktischen Institut der Alanus-Hochschule hat sich viel mit der Zeit beschäftigt, in der aus Kindern Jugendliche werden. Es sind die Jahre des Umbruchs zur Geschlechtsreife, aber auch jene, in der sich junge Menschen vielfach „unkonventionell, unkontrolliert oder überraschend“ verhalten.

Und wann ist es soweit? Bei Mädchen durchschnittlich im Alter von zwölf Jahren, so Zech, die erste Regelblutung könne schon mit neun Jahren einsetzen, aber auch bis 16 auf sich warten lassen. „Jungs sind im Schnitt zwei Jahre später dran“, sagt der Forscher, kann aber nicht erklären warum. Das sei schon immer so gewesen. Erklärbar ist hingegen, dass Kinder etwa zwei Jahre früher als noch vor 150 Jahren geschlechtsreif werden. „Eine gesündere Ernährung und eine schnellere, forderndere Zivilisation beschleunigen die Reifeprozesse“, zitiert Zech die vorherrschende Lehrmeinung.

Beim Thema Pubertät hätten lange die hormonellen Dinge, also die Ausbildung der Geschlechtsmerkmale und der Organe, im Blickpunkt gestanden. Heute, so der Forscher, würden die Vorgänge im Kopf mehr untersucht. So sei entdeckt worden, dass die Struktur des Gehirns in der Pubertät umgebaut werde. „Was das Gehirn noch braucht, das baut sich aus, das andere wird gelöscht“, sagt Zech. Das habe zur Folge, dass Jungen und Mädchen zum Beispiel Risiken schlechter einschätzen könnten und auch ein geringeres Orientierungsvermögen hätten. Bis zum Alter von 18 Jahren etwa dauere es, bis sich die verschiedenen Gehirnareale wieder vernetzt hätten.

Umgang mit Wutanfällen, Agressionen und Albernheiten

Viele Menschen, gerade Eltern, verbinden mit Pubertät auch, dass die Kommunikation mit den Kindern schwieriger geworden ist. Zech hat einige Tipps zum Umgang parat. Ganz wichtig sei, zum Beispiel aggressives Verhalten der Jugendlichen, einen Wutanfall oder Albernheit nicht als Antipathie den Eltern gegenüber zu verstehen. „Man sollte die Handlung selbst thematisieren, aber gleichzeitig im Gespräch die Zuversicht ausstrahlen: Eigentlich bist Du jemand, der das anders macht“, rät der Forscher.

Immer wieder geraten junge Menschen in dieser Zeit in Extremsituationen aufgrund von Gefühlsschwankungen, Hormonausschüttungen oder dem Gehirnumbau. Gerade dann, so Zech, wollen sie wahrgenommen werden. „Vielen Erwachsenen fällt es aber schwer, zwischen Wahrnehmung und Kontrolle zu unterscheiden“, sagt der Professor und plädiert für klare Grenzen. „Was ich unmöglich finde, ist, das Handy zu kontrollieren oder einfach ins Zimmer reinzuplatzen. Die wollen jetzt selbstständig werden und brauchen ein Recht auf Privatsphäre.“ Dennoch: Den Kindern beizustehen und sie zu beraten, sei „bei allem Respekt vor der Privatsphäre“ notwendig, vor allem, wenn es Probleme mit Kriminalität, Essstörungen oder Drogen- und Alkoholproblemen gebe. Denn die Pubertät sei nun mal ein „notwendiger Emanzipationsschritt“ auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

Großeltern besitzen Altersgelassenheit

Und wenn es bei allem Bemühen zu Auseinandersetzungen kommt, die laut und unkontrolliert werden? „Raus aus der Unmittelbarkeit“, rät Forscher Zech, „Konflikte nicht zu Kraftproben machen und nicht im Affekt reagieren.“ Doch der 59-Jährige ist sich bewusst, dass das nicht einfach ist. „Man wird den Ratschlag nicht immer einhalten können.“

Manchmal könnten die Großeltern zu Vertrauten der Pubertierenden werden. „Viele haben eine gewisse Altersgelassenheit, weswegen die Jugendlichen mit ihnen besser zurecht kommen als mit den Eltern, von denen sie zuvor stark beeinflusst worden sind.“ Zech wird das wahrscheinlich in einigen Jahren erleben. Seine Enkel sind fünf, drei und eins.

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