Mietobergrenzen Wegen zwei Euro knapp an Umzug vorbei

BONN · Alleingelassen mit einem kleinen Kind, Schulden, ohne Job, eine schwere Krankheit - und dann kommt auch noch ein aufrüttelnder Brief von der Behörde. Was der jungen Frau, nennen wir sie einmal Nathalie K., widerfuhr, ist sicherlich kein Einzelfall.

Für Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forums Deutschland, ein Beispiel dafür, wie in Jobcentern "unsensibel" und gar "unmenschlich" mit Menschen in Not umgegangen wird.

Vielleicht sind auch viele Parameter einfach unglücklich aufeinandergetroffen. Nathalie K. (35) hat eine dreieinhalbjährige Tochter und verlor ihre Arbeit als Sachbearbeiterin im Kundenservice eines Logistikunternehmens, weil sie nach Ende der Elternzeit nur einen Job angeboten bekam, bei dem sie schon morgens um 6 Uhr anfangen musste.

Einige Monate zuvor hatte der Partner und Vater des gemeinsamen Kindes die kleine Familie verlassen. "Um diese Zeit gibt es doch noch gar keine Kinderbetreuung", erzählt Nathalie K.. "Wie sollte ich das denn bewerkstelligen?" Nach einigem juristischen Hin und Her unterschreibt sie einen Auflösungsvertrag - und findet keine andere Arbeit.

Und dann bekommt sie auch noch einen schlimmen Bandscheibenvorfall. Die linke Hand ist taub, sie kann sich kaum bewegen. Da sitzt die 35-Jährige nun mit den Schulden, die der Partner hinterlassen hat, der zunächst keinen Unterhalt zahlt und auch noch das Kindergeld einkassiert. Und die Küche, die ihm gehört, hat er auch mitgenommen.

Die Reha kann sie nicht antreten, weil sie auf einen Mutter-Kind-Platz wartet. Und dann flattert ihr ein Brief vom Jobcenter Bonn ins Haus. "Betreff: Senkung der Unterkunftskosten". 560 Euro Bruttokaltmiete zahlt sie für die knapp über 55 Quadratmeter große Wohnung - das sind zwei Euro zu viel. in dem Formschreiben steht, dass sie die Kosten senken muss. Eine Möglichkeit: "Umzug in eine günstigere Unterkunft".

"Wie soll ich die Kosten senken?", fragt sie. Denn dem Vermieter schuldet sie bereits drei Monatsmieten, und eine neue Küche hat sie gerade beim Jobcenter beantragt. "Das stimmt schon. Unsere Schreiben hören sich hochdramatisch an, aber wir müssen sie so rechtssicher formulieren", so Sabine Schultz vom Kundenreaktionsmanagement.

Es gebe immer wieder solche Fälle, wo Kunden mit der Miete oberhalb der Kosten liegen. "Es ist aber nicht zwingend, dass die Menschen umziehen müssen." Jedenfalls nicht, wenn es nachweislich keine günstigere Wohnung gibt. Nathalie K. soll jedenfalls nächste Woche geholfen werden, damit sie ihre Wohnung behalten kann.

Kosten der Unterkunft

Die Obergrenzen für die Kosten der Unterkunft werden vom Sozialamt festgelegt. Seit April 2014 gelten laut Presseamt beispielsweise folgende Werte für das Bonner Stadtgebiet: Bei einem Ein-Personen-Haushalt 441 Euro, bei zwei Personen 558 Euro, bei drei 684 Euro, bei vier 809 Euro. Die sozialhilferechtlich angemessenen Heizkosten werden nach Heizart, Wohnungs- und Gebäudegröße berechnet. Die Angemessenheit wird im Einzelfall geprüft und festgelegt. 2013 zahlte Bonn 69 Millionen Euro, von denen der Bund 23 Millionen Euro erstattete.

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