Überblick Was die Ratsfraktionen zum Thema "Wohnraum in Bonn" sagen

BONN · Wer von einem eigenen Haus träumt oder von einer günstigen Studentenbude, der wird in Bonn schnell mit den Nachteilen einer boomenden Stadt vertraut: Die Mieten steigen, freie Grundstücke sind Mangelware. Anders als viele andere Städte in NRW wächst Bonn. Aktuelle Bevölkerungsprognosen sagen bis zum Jahr 2030 ein Plus von 11,5 Prozent voraus.

Vergangenes Jahr hatte sich die amtliche Einwohnerzahl in Bonn schlagartig um rund 20.000 reduziert. Die Volkszählung Zensus 2011 hatte zum Stichtag 31. Dezember 2011 307.530 Personen festgelegt. Damit lag die neue Einwohnerzahl um 6,2 Prozent niedriger als die bisher gültige Zahl von 327.913 Einwohnern.

Weil das weniger Landesmittel und somit erhebliche finanzielle Verluste bedeutet, hat die Stadt mit anderen Kommunen geklagt. Den generellen Trend kehren aber auch die Zensus-Zahlen nicht um. Das Bevölkerungswachstum in Bonn setzt sich daraus zusammen, dass mehr Kinder geboren werden als Menschen sterben.

Auch die Zahl der Zuzügler liegt über derer, die Bonn den Rücken kehren. Der Zuzug hat nicht nur Auswirkungen auf die Wohnungspreise. Schon jetzt führt jede Störung auf Hauptverkehrsachsen und auf den Rheinbrücken zum Verkehrskollaps. Mit Blick auf die Kommunalwahl am 25. Mai lauten deshalb die Fragen an Fraktionen im Bonner Stadtrat:

Welche politischen Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die städtische Infrastruktur dem Wachstum anzupassen? Wie sieht Ihre Wohnungsbaupolitik aus?

Das sagt die CDU

Bonn wächst und ist zudem eine junge und moderne Stadt. Wir werden mit der positiven Prognose bald den "alten" Bevölkerungsstand erreichen, wodurch auch die Landeszuschüsse wieder steigen werden. Wir werden Bonn weiter zu einer familienfreundlichen Stadt ausbauen. Generationengerechtes Wohnen muss in allen Teilen Bonns möglich sein.

Die städtische Infrastruktur ist in vielen Bereichen gut und kann die steigende Bevölkerungszahl verkraften. Etwa 15 Bebauungspläne sind noch im Verfahren und werden zu deutlich mehr Wohnraum führen. Langfristig sind die verfügbaren Bauflächen aber begrenzt, so dass über eine regionale Wohnbaupolitik gesprochen werden muss.

Innenraumverdichtungen, Bauen in zweiter Reihe und Baulückenschließungen sind weitere Lösungsansätze. Ebenso die Wohnungsumnutzung von Landwirtschaftskammer, ehemaligen Kasernen und Botschaften. Für die über 120 000 Pendler und eine wachsende Arbeitnehmerzahl in Bonn ist ein gut erreichbarer Wohnort wichtig.

Das sagt die SPD

Wir brauchen Wohnungen - in allen Preisklassen, öffentlich gefördert und frei finanziert, zum Mieten und Kaufen. Die Schaffung von Wohnraum ist essenziell, wenn man echtes Wachstum will, nicht nur wachsendes Pendlertum. Das kann durch eine Eigenkapitalerhöhung für die Vebowag oder durch konstruktive Begleitung von privaten Projekten sein.

Mehr öffentlich geförderte Wohnungen führen zu weniger Transferleistungen und entlasten damit den Haushalt. So bleibt mehr Geld für die Infrastruktur: Kita- und OGS-Plätze, einen unbeschnittenen Bonn-Ausweis, sanierte Straßen, sichere Arbeitsplätze, modernisierte Seniorenzentren, Sportstätten und Bäder, ein facettenreiches Kulturangebot.

Bei diesem Spektrum ist eine politische Schwerpunktsetzung wichtig. Haushaltspolitik auf der Grundlage "drei Prozent auf alles" setzt keine Schwerpunkte und gefährdet damit das Tafelsilber genauso wie Investitionen. Zur Umsetzung aller Punkte brauchen wir eine schlagkräftige Verwaltung.

Das sagen die Grünen

Die Stadtplanung muss sich am Leitbild lebendiger Quartiere und kurzer Wege orientieren. Neue Baugebiete sollten vorrangig dort ausgewiesen werden, wo die vorhandene und ausreichende Infrastruktur die bequeme Erledigung der Alltagswege zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV ermöglicht.

Das verhindert unnötige Verkehre im Stadtgebiet und ermöglicht den Bewohnern ein kostengünstigeres und stressfreieres Leben. Zur notwendigen städtischen Infrastruktur gehören neben Schulangebot, Kitas, Kinderspielplätzen, Radwegeverbindungen und ÖPNV-Anschluss auch Begegnungsmöglichkeiten für eine lebendige Nachbarschaft.

Die zunehmende Bevölkerung hat eine ständige Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum ausgelöst, die die kommunale Wohnraumpolitik fordert. Große Teile des Stadtgebietes (Kottenforst, Ennert, Meßdorfer Feld) stehen für eine Ausweitung des Siedlungsgebietes nicht zur Verfügung oder müssen aus stadtklimatischen Gründen unbebaut bleiben.

Durch die beschlossene Leerstandsatzung versuchen wir gezielt, Leerstand zu vermeiden. Zusätzlich gibt es etliche laufende bzw. fest geplante Bauprojekte.

Das sagt die FDP

Schon heute fehlen rund 5000 Wohnungen in Bonn. Wir brauchen daher ein Programm, das Wohnraum schafft. Gleichzeitig nehmen wir die Bürger mit ihrer Sorge um zu starke Verdichtung ernst. Wir wollen die Bürger in die Planungen der Stadt einbeziehen. Wir fordern, besonders bei größeren Bauvorhaben mehr Bürgerwerkstätten durchzuführen.

Aus Umweltsicht bevorzugen wir, bestehende Siedlungen nachzuverdichten. Das heißt, dass wir nicht weiter neue Fläche verbrauchen, sondern die bestehenden Flächen bestmöglich ausnutzen. Das ist aus unserer Sicht auch die nachhaltigste Lösung. Wir wollen das sogenannte "Flächenrecycling" anhand eines Modellversuchs erproben.

Dazu wollen wir ein altes Siedlungsbaugebiet der 1950er oder 1960er Jahre mit modernen Standards (zum Beispiel Barrierefreiheit) neu planen. Neue Baugebiete wollen wir zügig entwickeln, hierbei aber auch auf die Gesamtsituation vor Ort, wie die Verkehrsinfrastruktur, die Kindergärten und die Schulkapazitäten, achten.

Da es in Bonn an sozialem Wohnungsbau fehlt, wollen wir diesen fördern. Hierfür möchten wir die Vebowag mit dem nötigen Kapital ausstatten.

Das sagt die Linke

Bei Bevölkerungsprognosen über viele Jahre hinweg sollte man erfahrungsgemäß vorsichtig sein. Stimmt zumindest die Tendenz, ist umso unverständlicher, dass in Bonn andauernd über den Abbau öffentlicher Infrastruktur, die Schließung von Bädern, Theatern oder den angeblich überdimensionierten ÖPNV diskutiert wird.

Schon jetzt braucht Bonn neben Kita-Ausbau und bezahlbarem Wohnraum vor allem Investitionen in einen noch leistungsfähigeren öffentlichen Nahverkehr: Ausbau des Schienennetzes, zusätzliche Fahrzeuge und Erhöhung des Komforts. Erforderlich ist mehr öffentlicher und sozialer Wohnungsbau, um die Mietsteigerungen zu begrenzen und Nichtwohlhabenden das Wohnen (wieder) in allen Vierteln Bonns zu ermöglichen.

Alle Privatinvestoren sollen bei Wohnbauvorhaben verpflichtet werden, anteilig 30 Prozent Sozialwohnungen zu errichten. Die Stadt muss ihre Grundstücke und neu zu erwerbende wirklich für soziale Bauprojekte nutzen. Um gegen Mieterverdrängung und Luxussanierung vorzugehen, soll für Stadtviertel wie die Alt- beziehungsweise Nordstadt eine Milieuschutzsatzung gelten.

Die auf unseren Antrag hin beschlossene Zweckentfremdungssatzung gegen missbräuchlichen Wohnungsleerstand ist konsequent anzuwenden.

Das sagt der Bürger Bund Bonn

Drei amtliche Statistiken differierten um über 20.000 Einwohner in Bonn. Daher trauen wir Bevölkerungsprognosen nicht mehr. Das Stadtgebiet ist begrenzt und klimatisch belastet. Bonn muss auf qualitatives statt quantitatives Wachstum setzen. Klasse statt Masse und eine vorbildliche Umwelt-, Wohn- und Lebensqualität sind unsere Ziele.

Bonn kann zusätzlich 11,5 Prozent Einwohner nicht aufnehmen. Weiteren Zuzug können wir nur gemeinsam mit dem Rhein-Sieg-Kreis realisieren. Wo noch in Bonn gebaut wird, müssen Kitas und Schulen vor dem Abi der Kinder bereitstehen. Wir wollen unsere Stadt als liebenswerte Heimat erhalten. Das heißt für uns, Bonns landschaftliche Schönheit zu bewahren, die Lebensqualität der Wohngebiete für ihre Bewohner zu sichern und vor zerstörender Verdichtung zu schützen.

Wir wollen eine Stadtplanung, die sich endlich auf den Klimawandel einstellt, Grün- und Freiflächen erhält statt beseitigt, die Raum für Spiel und Erholung lässt und Ghettobildungen verhindert.

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