Bonner Amtsrichter lässt Prozess platzen War das Pfuschgerät beim Führerscheintest eine Attrappe?

Bonn · Ein Bonner Amtsrichter lässt den Prozess gegen eine erwischte Führerscheinanwärterin platzen, weil die Anklage es versäumt hatte, die Minikamera auf ihre Funktionsfähigkeit zu prüfen.

 Die selbst gebastelte Minikamera: Ob sie funktioniert, ist jedoch ungeklärt.

Die selbst gebastelte Minikamera: Ob sie funktioniert, ist jedoch ungeklärt.

Foto: Ulrike Schödel

Die neue Masche, sich mit einer Minikamera unter der Kleidung durch die Führerscheinprüfung zu mogeln, sollte auch mithilfe der Justiz gestoppt werden. Der Tüv Rheinland hatte Alarm geschlagen, weil die Fälle sich häuften. Da passte es, dass die Bonner Staatsanwaltschaft im Herbst gleich sechs bei der Theorie erwischte Kandidaten anklagte. Da das Pfuschen selber keine Straftat ist, sollten sie wegen des Verstoßes gegen das Telekommunikationsgesetz strafrechtlich verfolgt werden. Denn nach § 91 ist es nicht erlaubt, eine Aufnahme- und Sendeapparatur, wozu auch ein Handy gehören kann, unter der Kleidung oder „anderen Gegenständen“ zu verstecken, um damit unbemerkt Fotos zu machen oder zu filmen.

Aber gleich der erste Bonner Prozess ist jetzt geplatzt – und lässt die Staatsanwaltschaft in keinem guten Licht dastehen. „Eine Anklage ohne Substanz“, wie Amtsrichter Alexander Fühling von Beginn an klarstellte. Denn das angebliche Pfuschgerät, das bei einer 53-jährigen Marokkanerin im März 2018 während der Prüfung beschlagnahmt worden war, schlummerte unangetastet in der braunen Asservatentüte und war bis zum Prozess nicht auf seine Funktionsfähigkeit untersucht worden. „Ich sehe keine Kamera“, so der Amtsrichter bei Inaugenscheinnahme der angeblichen Minikamera, die sich die Kandidatin mit schwarzen Klebebändern an die Brust kleben und durch möglichst grobmaschige Klamotten die Fragen vom Bildschirm abfotografieren sollte.

„Tantchen, brauchst du Hilfe?“

Die Screenshots wurden an einen Helfer außerhalb des Prüfungsraumes gesendet, der die richtigen Antworten überschnurlose Ohrstöpsel flüstern sollte. Aber der Richter argwöhnte: „Ob dieses Ding hier überhaupt geeignet ist, Bildaufnahmen zu machen? Nicht auszuschließen, dass das Gerät eine Attrappe ist – und die Frau einem Betrüger auf den Leim gegangen ist.“ Fühling ordnete Nachermittlungen an. Die Geschichte der eher schlichten Führerscheinanwärterin, keineswegs eine raffinierte Betrügerin, schien den Verdacht auch zu bestätigen: Wie ihre Verteidigerin Sigried Aretz schilderte, war die Angeklagte direkt vor der Prüfung auf dem Tüv-Parkplatz von einem jungen Mann angesprochen worden: „Tantchen, brauchst du Hilfe?“ Er könne ihr helfen, sagte er, und reichte ihr das selbstgebastelte Gerät. Da die Hausfrau bereits wiederholt durch die Prüfung gefallen war, hatte sie sich auf den Deal eingelassen und dem „Helfer“ die geforderten 100 Euro gegeben.

Allerdings habe sie in ihrer Aufregung vergessen, zu fragen, wie das überhaupt funktionieren sollte. Bei der Prüfung schließlich habe sie sich so ungeschickt benommen, dass sie sofort auffiel. Aber, so beteuerte die Angeklagte, die sich für ihren Fehler sehr schämte, das Gerät sei nicht zum Einsatz gekommen.

„Wenn das Ding ein Fake sein sollte“, so der Amtsrichter am Ende, „dann sitzt hier die falsche Person auf der Anklagebank“. Dann wäre die 53-Jährige wegen des Pfuschversuchs freizusprechen.

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