Bundestagswahl 2013 Wahlpartys in Bonn - Später Jubel in der Hausbar

BONN · Die Bundestagswahl bewegt am Sonntag die Menschen. Insbesondere die mit einem Parteibuch. In Bonn gingen GA-Redakteure am frühen Abend bei den Wahlpartys auf "Stimmenfang".

 Die Christdemokraten beklatschen kurz nach 18 Uhr in den Bonner Stuben die erste Prognose.

Die Christdemokraten beklatschen kurz nach 18 Uhr in den Bonner Stuben die erste Prognose.

Foto: Kohls

Kurzes Entsetzten bei der Wahlparty der CDU in den "Bonner Stuben", als die erste Prognose um 18 Uhr über die Leinwand flimmert: Nur knapp 34 Prozent für die CDU. Aber es fehlen noch die acht Prozent für die bayerische Schwesterpartei CSU - macht insgesamt rund 42 Prozent.

Erleichterter Jubel brandet auf. Aber die Erleichterung wird schnell wieder gedämpft, als sich das schlechte Abschneiden des Koalitionspartners FDP abzeichnet. "Ich habe mich vorsichtshalber schon einmal schwarz-rot angezogen", sagt Hildegard Dietz-Wallot von der CDU Oberkassel lachend. Bei Kölsch und Apfelschorle stehen Christdemokraten und Sympathisanten dicht gedrängt bis zur Tür hinaus.

Dass es ein gutes Ergebnis für die CDU geben wird, damit habe sie schon während des Wahlkampfs gerechnet, sagt Anneliese Esch. "Wir haben viel positive Resonanz bekommen - das hat uns beflügelt." Jahrelang war die 66-Jährige in in der SPD aktiv. Vor fünf Jahren ist sie in die CDU eingetreten. "Ich wollte unbedingt Rot-Rot-Grün verhindern." Das könnte nun geklappt haben, sagt sie. Und hofft, dass auch Direktkandidatin Claudia Lücking-Michel vom Bundestrend profitieren kann. Die hat sich derweil schon vor den ersten Prognosen mit dem Bonner Parteichef Philipp Lerch ins Stadthaus zurückgezogen.

Mit dem Publikum des Theaterfestes mischen sich die Sozialdemokraten, die am Sonntag gegen 17.30 zur Wahlparty der SPD in die Hausbar strömen. Dicht an dicht stehen die Genosssen, als Ulrich Kelber auf der Bühne kurz vor der ersten Hochrechnung um 18 Uhr allen Wahlhelfern dankt. Mitten im Gewühl: der kleine Jonas (9), der als WDR-Kinderreporter mit seinem Mikrofon beinahe untergeht.

"Warte, bis die erste Hochrechnung vorbei ist, dann kannst Du Herrn Kelber interviewen", hält ihn eine junge Frau davon ab, auf die Bühne zu klettern. Wenig später klappt es dann. Jonas hält Kelber das Mikrofon unter die Nase und fragt, ob er aufgeregt sei. "Ja klar", sagt der fünffache Familienvater. "Schau mal, meine Hände sind schwitzig." Parteichef Ernesto Harder drängt zum Aufbruch. Er und Kelber wollen sich zurückziehen, bis die Ergebnisse für den Bonner Wahlkreis auf dem Tisch liegen. Ihre Nervosität ist deutlich spürbar.

In der Hausbar haben Harders Stellvertreterinnen Gabi Mayer und Dörte Schall das Kommando übernommen. Es ist recht still, als die erste Hochrechnung über die Leinwand flimmert und das Ergebnis für die CDU bekanntgegeben wird. Das ändert sich schlagartig, als die Zahl für die FDP erscheint. Freudenjubel und lautstarker Applaus ertönt. Dann beginnt die große Zitterpartie. Die Genossen erleben ein Wechselbad der Gefühle. Kurz nach 21.30 Uhr die Erlösung. Ein Jubelschrei geht durch die Hausbar. Kelber darf wieder als Bundestagsabgeordneter nach Berlin.

Jubel dringt aus dem Cafe Karl, wo die Grünen ihre Wahlparty feiern, als die erste Hochrechnung kommt. Doch die Freude gilt demAbschneiden der FDP. Das eigene Ergebnis erschüttert die Bonner Grünen. "Das ist ein Schock, das können wir uns nicht schönreden", sagt Sprecherin Julia Mayer. Und Direktkandidatin Katja Dörner findet nicht nur das Abschneiden der eigenen Partei "bitter und enttäuschend", auch das Abschneiden der FDP ist für sie kein Grund für Freudenjubel.

"Das ist ein Erdrutsch im Parteiensystem, und es ist nicht absehbar, was das für die Demokratie bedeutet", sagt Dörner. Das Abschneiden sei nicht zuletzt deshalb so enttäuschend, weil sie "noch nie so einen engagierten Wahlkampf hier in Bonn" erlebt habe. Von Grünen-Vorstand Martin Heyer, dem das Ergebnis auch merklich in den Knochen steckt, gibt es für dieses Engagement einen Blumenstrauß, und von Dörner ein paar aufmunternde Wort. "Mit den acht Prozent muss man leben, kein Grund, in Depressionen zu verfallen." Richtig Grund zum Feiern gab es aber eben auch nicht, und so ist das Cafe Karl gegen 20 Uhr auch schon ziemlich leer gefegt.

Besser ist die Stimmung bei den Linken, die nur einen Steinwurf entfernt von den Grünen in ihrer Parteizentrale feiern. "Das Ergebnis ist nicht gigantisch, aber wir sind zufrieden", sagt Ratsfraktionschef Michael Faber. Zufriedener sind die Linken mit ihrem Abschneiden in Bonn. "Dass wir unser Ergebnis in diesem konservativ-bürgerlichen Umfeld halten konnten, ist super", sagt Faber. Seine Partei habe sich in Bonn verankert. Tatsächlich feierten mit den Linken viele Bonner in der kleinen Parteizentrale. "Und das sind beileibe nicht alles Genossinnen und Genossen", erläutert Jürgen Repschläger.

FDP-Chef Hümmrich: "Wir haben einen inhaltsleeren Wahlkampf geführt"

Der Verlierer der Wahl ist der erste, der am Sonntagabend ins Stadthaus kommt und sich den Fragen der Journalisten stellt. Werner Hümmrich beschönigt nichts. "Was für ein Abend. Das ist für uns alle total frustrierend", sagt der Vorsitzende der Bonner FDP mit einem gequälten Lächeln. Zehn Minuten vorher hat er ein kurzes Telefonat mit dem Bonner Bundestagskandidaten Guido Westerwelle geführt. Der Außenminister ist in Berlin. "Er hat natürlich Stress. Alle wollen jetzt ein Interview mit ihm. Wir reden später ausführlich", sagt Hümmrich. Er und Westerwelle sind seit Kindertagen eng befreundet. Man sieht dem Kreisvorsitzenden an, wie sehr er mit dem Freund leidet.

"Mir war klar, dass es knapp werden wird", sagt Hümmrich, "aber wenn das so bleibt, dann ist das wirklich niederschmetternd." Selbstkritisch räumt er ein: "Wir haben einen inhaltsleeren Wahlkampf geführt." Und gibt auch zu, die Zweitstimmenkampagne der letzten Woche habe sich für die FDP überhaupt nicht ausgezahlt. Wie im Schockzustand sitzt Joachim Stamp neben Hümmerich. Der FDP-Landtagsabgeordnete hat bei Kommunalwahlen schon zweimal als Stadtverordneter in Röttgen das Direktmandat geholt. Hümmrich kündigt an: Der Bonner Kreisverband als einer der stärksten in Deutschland werde sich jetzt massiv in die Bundespartei einmischen. "Wir werden die FDP neu aufbauen. Und wir Bonner Liberalen werden an vorderster Stelle mitreden."

Stimmen

Paul Schäfer (Direktkandidat der Linken): "Das Bonner Ergebnis ist mehr als zufriedenstellend für uns. Mein Einsatz hat sich offensichtlich gelohnt, auch wenn ich nicht wieder in den Bundestag einziehen werde. Aber das Ergebnis zeigt, dass wir in Bonn gut gearbeitet haben, auch wenn die absolute Mehrheit für die CDU wie ein Kloß im Hals steckt. Das Abschneidern der Grünen sehe ich wirklich nicht nur mit Häme."

Andrea Konorza (Direktkandidatin der AfD): "Wir sind ein wenig enttäuscht, dass es nicht geklappt hat. Wir sind aber auch sehr stolz, dass wir in vier Monaten so viel geschafft haben. Das ist ein respektables Ergebnis, und es gibt offensichtlich einiges an Potenzial. Wir werden nicht aufgeben und bei der Europawahl erneut antreten. Mit dem Abschneiden in Bonn bin ich ganz zufrieden."

Klaus Benndorf (Direktkandidat der Piraten): "Das Ergebnis auf Bundesebene ist nicht schön für uns, aber in Bonn liegen wir weit über dem Bundesdurchschnitt. Vor allem im nördlichen Stadtbereich ist die Resonanz sehr, sehr gut. In Tannenbusch oder der Altstadt liege ich deutlich über dem Ergebnis von Westerwelle, da lacht mir natürlich das Herz. Das zeigt doch, dass dort, wo es Probleme gibt, die Leute nachdenken und auf die Piraten zugehen. Für uns heißt das, dass wir im Kommunalwahlkampf dort unsere Schwerpunkte setzen werden."

Joachim Stamp, FDP-Landtagsabgeordneter: "Das ist der schwärzeste Tag für die FDP. Auf uns Liberale in NRW kommt jetzt eine große Verantwortung zu."

Martin Heyer (Sprecher der Bonner Grünen): "Wir sind schockiert. Der Bundestrend hat auch in Bonn durchgeschlagen. Die Gründe müssen wir jetzt in Ruhe analysieren."

Peter Finger (Grünen-Fraktionschef): "Das Ergebnis ist enttäuschend und sehr bitter. Wir müssen uns ein paar Fragen stellen, unter anderem, wie das mit der "Ausschließeritis" ist, und ob wir die Krankheit nicht überwinden wollen. Wir wollen eine Volkspartei sein, und haben das Thema Umwelt unter den Tisch fallen lassen. Das ist eine Lehre für die Kommunalwahl."

Johannes Schott (Bürgerbund Bonn): "Ich kann mit beiden Kandidaten von CDU und SPD leben. Deshalb haben wir auch keine Wahlempfehlung abgegeben."

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