Ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst in Bonn Vom Leben bis in den Tod und darüber hinaus

BONN · Der Lebensbaum wächst in den Himmel. Auf den Ästen krabbeln bunte, glitzernde Schmetterlinge umher. Dazwischen hängen Bilder. Julia, Anna, Ahmed (alle Namen geändert) blicken zwischen den Blättern hervor.

 Bei der Betreuung schwerstkranker Kinder bauen Helferinnen oft eine ganz besondere Verbindung auf. Dabei kommt es auf die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz an.

Bei der Betreuung schwerstkranker Kinder bauen Helferinnen oft eine ganz besondere Verbindung auf. Dabei kommt es auf die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz an.

Foto: Deutscher Hospizdienst

Manchen Kindern sieht man gleich auf den ersten Blick an, dass sie ein schweres Schicksal zu tragen haben. Einige schauen aber auch fröhlich und scheinbar unbekümmert in die Kamera. So wie Patrick an einem glücklichen Tag. Doch dieser unbeschwerte Augenblick ist längst vorbei.

Denn der kleine gelbe Stern an seinem Bild verrät, dass Patrick nicht mehr lebt. Viele Jahre hat er gegen seine schwere Herzkrankheit gekämpft. Vergebens: Vor einigen Tagen ist Patrick nach langer Krankheit gestorben.

Zwar müssen die Mitarbeiter des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes Bonn jederzeit mit solch traurigen Nachrichten rechnen. "Aber auch wir haben daran immer sehr zu knapsen", erzählt Gabriele Würth. Denn oft würden die Mitarbeiter des Vereins nicht nur das erkrankte Kind, sondern auch die Eltern und Geschwister seit Jahren kennen und begleiten.

Oft entstehen zwischen dem Hospizhelfer und der Familie sogar Freundschaften, die über den Tod des Kindes hinaus bestehen bleiben. "Man muss die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz finden", rät sie den Ehrenamtlichen, um für solche Extremsituationen gewappnet zu sein.

Dabei sind die Helfer nicht erst dann zur Stelle, wenn sich der Gesundheitszustand des Kindes dramatisch verschlechtert hat. "Wir sind ab der Diagnose für die Betroffenen da", so Würth und erklärt weiter: "Wir begleiten das Leben, das Sterben und über den Tod hinaus. Oftmals findet unsere Unterstützung über viele Jahre statt." Genau das sei einer der gravierenden Unterschiede zu einem Erwachsenenhospiz.

"Leider verbinden wir alle mit dem Begriff Hospiz immer nur die letzten Wochen, Tage und Stunden. Das ist in der Kinderhospizarbeit nicht immer der Fall", so die Sprecherin des Bonner Vereins. Schwere Behinderungen aufgrund von Komplikationen bei der Geburt, genetisch bedingte Stoffwechselerkrankungen sowie Krebsleiden seien die häufigsten Befunde, die das Leben der kleinen Patienten oft nach jahrelangem Kampf allzu früh beenden.

Vor 25 Jahren von betroffenen Familien als Selbsthilfeorganisation in Olpe gegründet, um das Thema schwerstkranke und sterbende Kinder aus der Tabuzone herauszuholen, gibt es seit 2011 auch in Bonn den Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst. Vom Büro an der Reuterstraße aus - wo der Lebensbaum mit den Bildern eine Wand ziert - wird die ehrenamtliche Arbeit koordiniert.

"Zurzeit haben wir in Bonn und dem westlichen Rhein-Sieg-Kreis Kontakt zu 21 betroffenen Familien. Sie werden von 26 ausgebildeten Mitarbeitern begleitet und unterstützt", so Gabriele Würth. Das kann ganz praktische Hilfe bei Behördengängen, beim Umgang mit den Krankenkassen sein oder bei der Vernetzung mit anderen Betroffenen.

"Manchmal schenken wir aber einfach nur Zeit", so Würth. "Viele betroffene Eltern sind dankbar, wenn wir es ihnen einmal in der Woche ermöglichen, sich eine kurze Auszeit zu nehmen. Mit uns können sie sich fallen lassen."

In den meisten Fällen kümmern sich die Hospizhelfer um die Geschwisterkinder. Da sich in den betroffenen Familien fast alles um das erkrankte Kind dreht, kommen sie nicht selten zu kurz. Mit Spielen, Lesen, Basteln, Hilfe bei den Hausaufgaben und gemeinsamen Unternehmungen können die Geschwister die familiäre Situation für einige Zeit vergessen und ein paar unbeschwerte Stunden erleben.

Mit regelmäßigen Müttertreffen, Ferienaktionen für erkrankte Kinder und Geschwister, Bastelangeboten, gemeinsamen Ausflügen, Sommerfesten und Nikolausfeiern will der Bonner Hospizdienst zusätzlich ein wenig Normalität in den Familienalltag bringen.

Bevor die Ehrenamtlichen aber in eine betroffene Familie gehen, werden sie gründlich auf ihre Arbeit vorbereitet. In einem 90-stündigen Befähigungskurs werden sie für diese anspruchsvolle Tätigkeit ausgebildet. Auch die Themen Sterben und Bestattung werden dabei nicht ausgeklammert.

Zwar wird die Arbeit des Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes derzeit von 26 Mitarbeitern - von der Studentin bis zum Rentner - getragen. "Aber wir können noch Hilfe gebrauchen", so Gabriele Würth. "Wir freuen uns über jede Unterstützung."

Info

Wer Interesse an einer Mitarbeit hat, kann sich unter bonn@deutscher-kinderhospizverein.de melden.

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