Verfahren vor dem Bonner Landgericht Versicherungen zahlten für 82 Unfälle, die es nicht gab

Bonn · Die Bonner Staatsanwaltschaft hat 15 Männer wegen schweren Bandendiebstahls angeklagt. Die Fotos angeblich demolierter Autos entstanden am Computer.

Die Unfälle hat es nie gegeben. Sämtliche Szenarien soll ein 39 Jahre alter Bonner sechs Jahre lang am Reißbrett entworfen haben. Mit den 102 fingierten Karambolagen sollen der mutmaßliche Bandenboss und sein großes betrügerisches Team reihenweise Rechtsschutz- und KFZ-Versicherungen betrogen und abgezockt haben. Schaden: insgesamt 715 000 Euro. Davon jedenfalls geht die Bonner Staatsanwaltschaft aus, die insgesamt 14 Männer zwischen 30 und 63 Jahren wegen gewerbsmäßigen schweren Bandendiebstahls angeklagt hat.

Wie Behördensprecher Sebastian Buß am Montag bestätigte, gibt es neben dem Erfinder des lukrativen Betrugs weitere vier Haupttäter, die zum inneren Kreis der Bonner Bande gehören sollen, und neun Mitglieder, die in Nebenrollen aufgetreten sind. Das Mammutverfahren wird demnächst vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts spielen.

Die Idee, sich mit den fingierten Autounfällen eine „sehr gute Einnahmequelle“ zu sichern, hatte der 39-Jährige vor acht Jahren. Als Unternehmensboss – bis dahin nicht vorbestraft – entschied er in Papierform, welche Autos von welchen Bandenmitgliedern virtuell zu Schrott gefahren werden. Die Fotos der angeblich demolierten Unfallfahrzeuge stellte der Kopf der Bande persönlich mit Hilfe eines Fotobearbeitungsprogramms am Computer her. Die Blechschäden wurden laut Buß „manipulativ“ per Mausklick eingearbeitet.

Versicherungen zahlten anstandslos

Danach wurden die manipulierten Unfallfotos Gutachtern übergeben, die die Schäden schätzten. Die Unfallunterlagen wurden schließlich bei den Versicherungen eingereicht, für die Regulierung der Schäden wurden eigens eigene Rechtsanwälte eingesetzt. Der Bandenboss, der mit verschiedenen Aliasnamen unterwegs war, „verwaltete das gesamte Tatvermögen und zahlte die Gewinne an die Mitglieder aus. Die Quotelung ist nicht bekannt.“

Von den 102 Schadensmeldungen waren immerhin 82 erfolgreich. Die Versicherungen zahlten anstandslos. Laut Anklage wurde der erste „Unfall“ am 4. November 2008 in Bonn geprobt. Der Schaden, damals 1800 Euro, war schnell verdient. Später waren die angeblichen Unfallschäden höher, meist zwischen 5000 und 15.000 Euro.

Auch verlagerte die Bande ihre papiernen Karambolagen ins europäische Ausland: Paris, Prag, Rom, aber auch Griechenland, Slowenien, Ungarn oder die Niederlande. Manche Gutachten wurden sogar wiederholt eingereicht, „um Arbeit zu sparen“. Sechs Jahre lang agierte die Bande unentdeckt. Im Jahr 2014 kam es zu Hausdurchsuchungen, bei denen zahlreiche Computer und Handys beschlagnahmt und ausgewertet werden konnten. Die Angeklagten jedoch haben bislang geschwiegen oder haben die Vorwürfe bestritten.

Im Prozess sollen allein 500 Urkunden die laut Buß „komplexe, raffiniert eingefädelte und perfide Planung“ der Bande belegen. Auch 44 Zeugen – meist Gutachter und Rechtsanwälte - sind geladen.

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