Widerstandskämpfer in Bonn Verrat, Folter und Verhaftungswelle

Bonn · 1936 befand das Landgericht 74 Männer und Frauen für schuldig „Vorbereitungen zum Hochverrat“, wie es die Juristen damals im Nazijargon formulierten, getroffen zu haben. Der Historiker Horst-Pierre Bothien hat jetzt ein Buch über die Bonner Widerstandskämpfer veröffentlicht.

 Schauplatz des Prozesses gegen die Bonner Widerstandskämpfer: Das Bonner Landgericht in den 1930er Jahren.

Schauplatz des Prozesses gegen die Bonner Widerstandskämpfer: Das Bonner Landgericht in den 1930er Jahren.

Foto: Sennekamp

Es war der Paukenschlag in der Geschichte des Bonner Widerstandes gegen den Nationalsozialmus und der hierzulande größte Prozess gegen eine Widerstandsgruppe von Kommunisten und Sozialisten. Bothien erforschte das Schicksal der Verurteilten und veröffentlicht nun in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum eine Publikation über die Gerichtsverhandlung, die den Arbeiterwiderstand in Bonn zerschlug.

„Ich habe bereits in den 80er Jahren damit begonnen, mich mit der Thematik zu beschäftigen“, sagt Bothien, der als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Stadtmuseums für die Zeit der Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit zuständig ist. „Für meine Recherchen habe ich unter anderem Interviews mit Zeitzeugen geführt und Archivbestände in Münster und Bonn untersucht.“ Herausgekommen ist eine komprimierte Version seiner bisherigen Forschungsergebnisse. Auf den etwas mehr als 50 Seiten werden auch viele Fotografien aus Nachlässen gezeigt sowie Originaldokumente, mit denen der Autor die Lebensgeschichten der NS-Gegner erzählt.

So wie die von Anton Hensmann. Der 1910 in Beuel geborene Elektromonteur war Mitglied im kommunistischen Jugendverband und wurde wegen seiner politischen Einstellung nach der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 für fünf Monate in „Schutzhaft“ genommen. Nach seiner Entlassung fand Hensmann Arbeit bei den Wessel-Werken in Poppelsdorf, wo er sich dem kommunistisch-sozialistischen Widerstand anschloss.

Die Entstehung und Struktur der Gruppe, die Verbindungen zu den Widerstandskämpfern der Universität pflegte, ist bis heute unklar. „Jedoch weiß man, dass sich viele Mitglieder aus der Zeit vor 1933 kannten“, erklärt Bothien. „Sei es aus der Parteiarbeit der KPD, der Gewerkschaftsbewegung oder den Jugendverbänden.“ Die Bewegung traf sich im Geheimen, stellte Flugschriften her und sammelte in den Reihen seiner Mitglieder Geld für den Aufbau der Organisation. Im Juni 1935 flog die Gruppe auf – ein Kurier aus Köln wurde von der Gestapo geschnappt und verriet unter Folter die Namen der Bonner Akteure.

Es folgte eine Verhaftungswelle, bei der 150 Widerständler und einige ihrer Familienmitglieder inhaftiert wurden. 74 von ihnen wurde am Bonner Landgericht der Prozess gemacht, 63 davon mussten Zuchthausstrafen bis zu acht Jahren absitzen und wurden danach entweder in Konzentrationslager gebracht oder zu Strafbataillonen der Wehrmacht versetzt, wo sie kämpfen oder bei Arbeitsdiensten schuften mussten.

Auch Anton Hensmann wurde verurteilt. Er verbrachte sieben Jahre im Zuchthaus Siegburg und kam 1942 ins KZ Sachsenhausen. Von 1944 bis zum Kriegsende war er in Baubrigaden tätig. „14 der Angeklagten überlebten das 'Dritte Reich' nicht“, sagt Bothien. „Sie nahmen sich das Leben, starben im KZ oder an der Front.“

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