Geheimnis der Familienbibel Ursula Stahl geht der Geschichte ihres Ururgroßvaters auf den Grund

BONN · Die Familienbibel von Ursula Stahl ist etwas ganz besonderes. Als sie diese in jungen Jahren von ihrer Mutter geschenkt bekam, wusste sie noch nicht, auf was für eine aufregende Geschichte sie stoßen würde. Ursula Stahl ist pensionierte Sportlehrerin und hat ihre Vorliebe für die Familienforschung entdeckt. "Als ich die Bibel aufschlug, fielen mir auf der ersten Seite zwei Notizen meines Ururgroßvaters ins Auge", erzählte sie.

Denn dort steht, dass ihr Vorfahr Christian Friedrich Erfurth 1844 einen Brief an den König von Preußen und den Bischof von Trier schrieb. Dafür vermerkte er zwei Stellen aus der Bibel auf der Seite.

Stahl fragte sich, warum Erfurth als evangelischer Gutsinspektor in Schlesien auf den Gedanken kam, dem Bischof zu schreiben. Und das nicht einmal sehr freundlich, wie sich später herausstellte. Doch vorerst blieben die Motive ihres Vorfahrens im Dunkeln.

Stahl kam erst durch etwas Hilfe auf die Spur des "heiligen Rockes". Laut der Legende soll dieser Fragmente der Tunika Jesu Christi enthalten. Im Jahr 1844 wurde der heilige Rock im Trierer Dom ausgestellt und, nach dem Aufruf des Bischofs, zu einer Pilgerstätte. Fast eine halbe Million Menschen strömten nach Trier und zahlten dort ihr letztes Geld in die Kassen der Kirchen.

Viele zweifelten die Echtheit des Rockes an, und so kam es, dass sich auch Widerstand gegen die katholische Kirche regte. "Mein Ururgroßvater muss das als Anreiz gesehen haben, seinem Unmut ebenfalls Ausdruck zu verleihen", mutmaßte Stahl. Gewissheit bekam sie aber erst durch Bernhard Schneider von der Theologischen Fakultät in Trier, nachdem man ihr im Archiv der Kirche nicht weiterhelfen konnte. "Eigentlich wurden zu dieser Zeit alle Briefe aufbewahrt, aber wahrscheinlich nicht, wenn sie zu negativ waren", glaubte Stahl.

Erfurth schrieb tatsächlich an den Bischof und warf ihm das Ausnutzen der einfachen Leute durch den Ablass und die Götzenverehrung vor. "Sie haben geschnitzte Zungen, aber keine rechten" war eine Stelle, die er sich aus der Bibel ausgesucht hatte.

Doch auch der König von Preußen bekam sein Fett weg. Bei ihm hieß es "Ihr bauet euch Häuser und Paläste und zahlet euren Untertanen nicht den Lohn". Es ist allerdings nicht klar, ob der Brief jemals beim König ankam. Ihre Geschichte hat Ursula Stahl schon in einem Vortrag mit dem Titel "Zufall, Fügung oder einfach nur Forscherdrang" im Görlitzer Museum zusammengefasst. "Es ist wichtig, dass man seine Vorfahren nicht vergisst", schließt sie. Und das wird sie auch nicht. Für Stahl steht fest, dass sie weiter forschen wird.

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