Offene Ganztagsschule in Bonn Übergriffe lassen sich schwer nachweisen

BONN · Die Grundschülerin hat Albträume und klagt dauernd über Bauchschmerzen. Draußen spielen will sie schon lange nicht mehr. Der Kinderarzt kann nicht helfen - die Kleine fürchtet sich vor der Nähe eines Mitarbeiters einer Bonner Offenen Ganztagsschule (OGS).

Die Mutter wendet sich an die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt. Andere Eltern schalten das Jugendamt ein. Das reagiert sofort. Mitte 2011 sagen Zeugen bei der Polizei aus. Der Kollege habe sich permanent grenzverletzend verhalten, berichtet eine ehemalige Mitarbeiterin dieser OGS empört im Rückblick. Er habe mit Mädchen Fangen gespielt, und zwar so, dass das wie Flirten gewirkt habe. Der Mann habe Mädchen immer wieder um die Taille gefasst. Er habe sie in Unterwäsche fotografiert, wenn sie vom Rasensprenger nass waren.

Dann sei der Tag gekommen, an dem eine andere Kollegin sah, wie er "seine Hand im Schritt eines Mädchens ganz oben" gehabt habe. Auch nachdem die OGS einen Verhaltenskodex erarbeitet hatte, habe er ein Mädchen neckend zwischen seine gespreizten Beine gelockt. Sie habe sich jetzt dazu durchgerungen, dem GA von ihren Beobachtungen zu berichten, weil sie den Mann, der 2011 die OGS verließ, aktuell als Jugendwart eines Sportvereins auf Fotos entdeckt habe.

Die Justiz sieht den Fall wiederum so: Die Ermittlungen gegen den Mann seien Anfang 2012 eingestellt worden, sagt für die Staatsanwaltschaft Bonn Monika Volkhausen. Es seien keine sexualbezogenen Handlungen nachzuweisen gewesen. Die befragten Kinder hätten ausgesagt, er habe sie häufig gekitzelt, aber nie im Intimbereich berührt. Man habe zudem nur Fotos von ordnungsgemäß bekleideten Kindern vorgefunden. Nach dem Gesetz gelte die Unschuldsvermutung.

Wilma Wirtz-Weinrich von der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt bestätigt den Kontakt, will aus rechtlichen Gründen aber nichts über den Fall sagen. Das Bundeskinderschutzgesetz von 2012 habe jedoch in dieser Einrichtung inzwischen gute Wirkung gehabt. Die betreffende OGS-Leitung habe eine Fortbildung zum Thema gemacht, die OGS-Kindern hätten im Präventionsprojekt "Mein Körper gehört mir" dazugelernt. Und weil der Mann nicht verurteilt sei, sei auf rechtlicher Basis alles geregelt, sagt Wirtz-Weinrich. Wer könne einem Sportverein vorschreiben, welches Personal er beschäftige?

Der ehemaligen OGS-Mitarbeiterin haben sich die Szenen von damals jedoch ins Gedächtnis eingebrannt. "So ist er halt, der Kollege", hätten die anderen Mitarbeiter gesagt und sie im Team als Nestbeschmutzerin behandelt. Obwohl sie inzwischen herausgefunden hatte, dass schon einmal ein Elternpaar von dem Mann Distanz zur Tochter verlangt habe. Hilfreiche Beratung habe sie bei der Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch, Siershahn, gefunden. "Kinder haben ein feines Gespür. Man muss nur hinhören.

Und es scheint, dass viele pädagogische Fachkräfte Heile-Welt-Denker sind und ihnen der klare Blick fehlt", sagt die Frau. Sie selbst hat inzwischen die OGS-Arbeit an den Nagel gehängt. Die Diskussionen mit dem Träger hätten sie total überfordert. "Ich hoffe, dass meine Erfahrungen noch für etwas gut sind: dass wir hören, was die Kinder sagen, und ihnen glauben, aufmerksam sind und dass Fachlichkeit vom pädagogischen Personal eingefordert wird."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort