Interview mit Bäckermeister Bernd Rott „Über den Erfolg entscheidet letztlich der Kunde“

Bonn · Obermeister Bernd Rott im Interview über den Wandel in seiner Branche, harte Kalkulation und den Wettbewerb mit den Discountern.

Bernd Rott führt den gleichnamigen Familienbetrieb und steht der Innung in Bonn und der Region vor.

Bernd Rott führt den gleichnamigen Familienbetrieb und steht der Innung in Bonn und der Region vor.

Foto: Benjamin Westhoff

Herr Rott, welche Backwaren sind eigentlich typisch für Bonn?

Bernd Rott: Der Weckmann ist sicher etwas, das in Bonn unter diesem Namen jedes Kind kennt. Auch die Neujahrsbrezel würde ich dazuzählen.

Im kommenden Jahr feiert Ihr Unternehmen das 125-jährige Bestehen, Sie selbst sind seit 30 Jahren als Meister tätig. Was hat sich seither verändert?

Rott: In den 70er Jahren, als wir unsere Filialisierung vorangetrieben haben, fielen sicher viel mehr Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Das ist heute so nicht mehr möglich. Vielmehr muss beispielsweise für eine Neueröffnung das Marktumfeld sehr viel sorgfältiger analysiert werden. Die Parameter reichen dabei vom Wohnumfeld und möglicher Kundenfrequenz über die Verkehrs- und Parksituation bis hin zur Frage, was die Konkurrenz und die Kollegen machen. Selbst bei einem kleinen Standort liegen Sie schnell bei einem sechsstelligen Investment, und das muss sorgfältig vorbereitet werden.

Konkurrenten und Kollegen?

Rott: Das ist ein wichtiger Unterschied. Wenn ich einen Bäckerkollegen in der Nähe habe, dann weiß ich, dass wir mit gleichen Waffen kämpfen – also mit ähnlicher Kostenstruktur und mit ähnlicher Personalsituation. Letztlich entscheidet der Kunde über den Erfolg. Gegenüber den Discountern ist diese Waffengleichheit nicht gegeben.

Weil die Discounter und großen Lebensmittelmärkte für sich genommen schon ausreichend Magnetwirkung haben?

Rott: Richtig ist, dass der Bäcker alleine in der Regel keine eigene Kundenfrequenz erzeugt, sondern vom Einzelhandelsumfeld abhängig ist. Nehmen Sie das Beispiel Buschdorf: Als wir die Filiale dort eröffneten, gab es zwei Banken, ein kleines Lebensmittelgeschäft, einen Kiosk mit Lotto/Toto, einen Metzger und eine Reinigung. Inzwischen haben die Banken auf Automaten umgestellt, der kleine Lebensmittelhandel lohnt sich nicht mehr, irgendwann ist auch der Metzger uninteressant, und der letzte, der dann geht, ist der Bäcker. So schrumpft der örtliche Einzelhandel und stirbt schließlich zugunsten der großen Einkaufszentren aus.

Trotzdem gewinnt man in der Stadt den Eindruck, dass der Kuchen Ihrer Branche immer größer wird. Wie kann diese Angebotsmenge noch rentabel sein? Und wie besteht der inhabergeführte, kleinere Akteur?

Rott: Sie müssen bedenken, dass sich das Sortiment verändert hat. Vor 40 Jahren gab es bei uns Brot, Brötchen, Teilchen und Pralinen. Heute besteht das Angebot zu einem Drittel aus Snacks wie Kaffee, belegten Brötchen und warmen Gerichten. Die Umsätze sind im Vergleich zu früher stabil, aber sie haben sich verschoben. Das gleiche gilt für das Kundenverhalten: Hier am Münsterplatz kamen früher um sechs Uhr die Postmitarbeiter frühstücken, da war das Haus voll. Und am Abend war um halb Sieben Schluss. Heute warten Sie bis halb zehn auf die Kunden, dafür ist die Bäckerei bis 22 Uhr geöffnet. Auf diesen Wandel regieren wir auch mit dem Warenangebot.

…mit dem Sie auch den Discountern trotzen?

Rott: Klar, wir sind Vollsortimenter. Die Hochzeitstorte und den guten Kuchen gibt es eben nur bei uns. Und jeder einzelne Vollsortimenter muss ein Produkt für sich finden, das es so nur bei ihm gibt. Dann nimmt der Kunde dort auch die Brötchen und das Graubrot mit. Insgesamt stelle ich fest, dass Qualität beim Kunden wieder einen höheren Stellenwert genießt.

Also ist Qualität das Erfolgsrezept?

Rott: Als die Discounter mit Backwaren begannen, haben sich die Traditionsbetriebe teilweise auf den Preiskampf eingelassen, uns ihm teilweise ergeben. Heute geht die Überlegung eher dahin zu fragen: Was kann der Discounter nicht, wo sind wir stärker? Ein Beispiel: Bei uns können Sie bei Bedarf einzelne Brotscheiben kaufen.

Wie steht es bei Ihnen um die Nachwuchsgewinnung?

Rott: Schwierig. Für Schulabgänger bringt der Einstieg in unseren Beruf eine enorme Umstellung mit sich. Viele Berufsanfänger fühlen sich den körperlichen Anforderungen nicht gewachsen. Hinzu kommen Nachtarbeit und lange Öffnungszeiten. Die Abbruchquote in der gesamten Branche ist sehr hoch. Und wir haben noch niemanden weggeschickt, der die Lehre beginnen wollte.

Sind die Tage des Bäckereibetriebs mit eigener Backstube gezählt?

Rott: Sie sprechen nach wie vor über die weit überwiegende Zahl. Der Bäcker vor Ort bleibt für viele Dörfer und Stadtteile ein wichtiger Identitätsfaktor. Das kann bei Geschäftsübernahmen zum Problem werden. Schwierig wird es, wenn die Nachfolge im Betrieb ungeklärt ist.

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