311 Knöllchen an einem Tag So erleben Anwohner die Tempo-30-Zone auf der Reuterstraße

Bonn · Die Stadt kontrolliert die neue Geschwindigkeitsbegrenzung an der Bonner Reuterstraße konsequent. Allein an einem Tag schrieb die Stadt mehr als 300 Knöllchen. Anwohner reagieren positiv, es gebe weniger Lärm.

 Auch am Dienstag stand der städtische Blitzer am Rand der Reuterstraße. Das neue Tempolimit soll helfen, Fahrverbote abzuwenden.

Auch am Dienstag stand der städtische Blitzer am Rand der Reuterstraße. Das neue Tempolimit soll helfen, Fahrverbote abzuwenden.

Foto: Benjamin Westhoff

Ercan Öszu ist dieser Tage so etwas wie ein menschliches Dezibel-Messgerät. Denn während die Stadt Bonn noch keine Ergebnisse hat, wie sich die neue Tempo-30-Regelung auf der Reuterstraße auswirkt, spürt Öszu die Änderung von morgens bis abends. Sobald die Tür seiner Änderungsschneiderei an der Kreuzung der Argelanderstraße ins Schloss fällt, wird es ruhig im Geschäft. „Das war vor ein paar Tagen noch nicht so“, erzählt er. Aus seiner Sicht habe der Verkehrslärm um 70 Prozent abgenommen. Der Laden im Hochparterre hat noch einfach verglaste Fenster, jedes Hupen, jedes Brummen vorbeifahrender Laster schallt nach drinnen.

Seit dem 1. Januar gilt Tempo 30 auf dem Abschnitt zwischen der  Autobahn am Botanischen Garten und dem Bonner Talweg. Ziel ist, die Belastung mit Stickstoffdioxid zu verringern. Die von der EU festgelegten Grenzwerte werden auf der Reuterstraße seit Jahren überschritten. Die Stadtverwaltung hofft nun, durch den langsameren Verkehr die Luftqualität verbessern zu können und somit  drohende Fahrverbote für bestimmte Fahrzeugtypen abzuwenden. Deshalb ist das Tempolimit auch im aktuellen Luftreinhalteplan für Bonn als Teil des „Entlastungspakets Reuterstraße“ festgeschrieben.

Ergebnisse seitens der Stadt und des Landesamtes für Umweltschutz  gibt es dazu noch nicht. Der Grund ist simpel: Es ist noch zu früh. Die Messwerte für Stickstoffdioxid, die an der Hartsteinstraße erhoben werden, liegen erst für das dritte Quartal 2019 vor. Und auch die Gesamtresultate der Geschwindigkeitsmessungen lassen auf sich warten, wie Marc Hoffmann vom Bonner Presseamt erläutert. „Die Geschwindigkeitsmessungen aus den ersten Tagen sind nur zum Teil ausgewertet.“

Der mobile Blitzer des Ordnungsamtes war aber bereits mehrmals vor Ort, vergangenen Mittwoch insgesamt siebeneinhalb Stunden. Die Bilanz für diesen Tag: Von 3622 gemessenen Fahrzeugen waren 311 zu schnell unterwegs. „Die Geschwindigkeitskontrolle findet in diesem Bereich der Reuterstraße – wie schon seit einigen Jahren – in Höhe der Till-Eulenspiegel-Schule statt, weil die Schule eine schutzwürdige Einrichtung darstellt, deren Umgebung als Gefahrenstelle gewertet wird“, heißt es von der Stadt. Ziel sei, dadurch die Sicherheit der Kinder auf dem Schulweg zu erhöhen. Außerdem verweist man darauf, dass Straßenbereiche als Gefahrenstellen anzusehen seien, „wenn die Geschwindigkeitsbegrenzung aus Gründen des Lärmschutzes oder der Luftreinhalteplanung angeordnet wurde“. Die Bonner Polizei sieht den Abschnitt der Reuterstraße unterdessen nicht als Unfallhäufungs- oder Gefahrenstelle und kontrolliert dort deshalb auch nicht.

Therese Barths kann die Messstelle von ihrer Wohnung aus gut sehen. Die Seniorin lehnt am Dienstagvormittag auf dem Fensterbrett, gerade ist der mobile Blitzer abgezogen. „Die meisten halten sich an das Tempolimit, aber ein paar schwarze Schafe gibt es immer“, erzählt sie. Seit mehr als 50 Jahren wohnt sie in dem Haus, kennt die Reuterstraße noch, als sie nicht vier-, sondern zweispurig war. „Der Verkehr hat natürlich immer mehr zugenommen.“ Und jetzt, erstmals seit Jahrzenten, sei es ruhiger geworden. „Ich kann sogar mal das Fenster nach vorne aufmachen, um zu lüften. Vorher war es dafür viel zu laut.“ Da spritzte auch gerne mal das Wasser von der Fahrbahn bis an die Hauswand. Im Berufsverkehr stauen sich die Autos weiterhin. Was ihr aber aufgefallen ist: Es fahren deutlich weniger Lastwagen.  Das ist auch das Ziel der Stadt. Teile des Fernverkehrs sollen großräumig über Nord- und Südbrücke umgeleitet werden.

Auch die Autofahrer nehmen Tempo 30 positiver auf, als man landläufig meinen mag. Von zehn Befragten sagten acht, dass sie es gut finden. Die Argumente sind praxisnah: Tagsüber könne man meist ohnehin nicht viel schneller fahren. Es gehe entspannter auf der Strecke zu. Das Leid der Anwohner sei verständlich. Für manche könnte es aber durchaus etwas schneller vorangehen, vielleicht mit Tempo 40. Es gibt aber auch den Standpunkt, dass auf einer Hauptverkehrsader 50 Stundenkilometer gefahren werden sollte.

Die Kontrollen will die Stadt aufrechterhalten. Von einem Blitzeranhänger, wie er an der Museumsmeile steht, möchte man jedoch absehen. „Ein Einsatz würde den Wegfall von drei bis vier Parkplätzen bedeuten. Aufgrund des ohnehin dort schon vorhandenen Parkdrucks sieht die Stadtverwaltung von einer solchen Maßnahme ab.“

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