Niederschläge besser einschätzen Team der Uni Bonn erhält Geld für Regenvorhersage

BONN.  · Privatdozentin Silke Trömel und ihr Meteorologen-Team an der Universität Bonn erhalten 6,5 Millionen Euro Förderung für ihre Forschung. Mit dieser sollen Niederschläge in Zukunft noch besser vorhergesagt werden können.

Sie kennt die Situation ganz gut. Wenn sie im Sommer zum Grillen eingeladen wird, schließt sich oft und schnell die Frage an: „Wir können doch draußen sitzen, oder?“ Wenn Silke Trömel dann antwortet, dass sie das auch nicht so genau wisse, wundern sich manche, die sie für einen Gartenparty-Guru halten. Aber ganz so einfach ist eine präzise Niederschlagsvorhersage für einen lokal doch sehr eingegrenzten Raum selbst für eine Fachfrau nicht. Und das ist die 46-Jährige ganz unbestritten.

Erst neulich hat die Privatdozentin am Meteorologischen Institut der Uni Bonn wieder viel Geld aus den begehrten Drittmitteltöpfen für die Wissenschaft angeworben: Mit rund zwei Millionen Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über die kommenden drei Jahre Trömels Forschergruppe mit dem Titel „Zeitnahe Niederschlagsschätzung und -vorhersage“. Derzeit besteht ihr Radarteam aus sieben Doktoranden und Postdoktoranden sowie einem Radaringenieur und einem Techniker. Das Team wird durch die neu eingeworbene DFG-Forschergruppe wahrscheinlich auf 14 wissenschaftliche Mitarbeiter anwachsen.

Niederschläge zeitnah voraussagen

Das Hauptziel der Forscher besteht darin, die zeitnahe Vorhersage und Schätzungen von Niederschlägen in lokal eng begrenzten Gebieten zu verbessern. Dafür können die Bonner Meteorologen seit 2008 eins der damals wenigen polarimetrischen Wetterradare nutzen. Das Gerät, eine wichtige Infrastruktur der Uni, das von Trömel betreut und von internationalen Wissenschaftlern genutzt wird, steht auf dem Dach des Nachbargebäudes des Meteorologischen Instituts in Endenich. „Das polarimetrische Wetterradar sendet und empfängt elektromagnetische Wellen in verschiedenen Polarisationen, horizontal und vertikal“, erklärt Trömel. „Das ist ein großer Vorteil gegenüber den herkömmlichen Anlagen, die nur horizontal polarisierte Wellen senden.“

Das polarimetrische Wetterradar liefert somit zusätzliche Informationen, die es den Wissenschaftlern ermöglichen, die Niederschläge deutlich genauer zu schätzen und auch kurzfristige Änderungen vorherzusagen. Die Hydrometeore – ein Sammelbegriff für verschiedene Niederschlagsarten wie Eiskörner (Wolkeneis), Graupel, Hagelkörner, Regentropfen und Schneeflocken – senden Rückstreusignale von der horizontal und der vertikal polarisierten Welle. „Aus diesen beiden Signalen lässt sich einiges machen“, sagt Trömel.

Ein Vergleich der beiden Signale gibt zum Beispiel Hinweise darauf, um welche Partikel es sich handelt – Eisnadeln, Schnee, Regen, Graupel oder Hagel –, und wie groß sie sind. Auch können die Forscher die Phasendifferenzen zwischen den beiden gestreuten Signalen aufzeichnen, damit die sogenannte Dämpfung korrigieren und so die Niederschlagsschätzung viel genauer machen. „Früher war es so: Wenn der Radarstrahl schon ein Niederschlagssystem passiert hatte, dann war die Messung dahinter ungenau, weil das Signal schon geschwächt war. Das kann man jetzt herausrechnen“, erklärt die Meteorologin. Ein weiterer großer Nutzen dieser Radare ist das Potenzial, sich verstärkende und abschwächende Niederschlagszellen zu erkennen, was Trömel nun für die Vorhersage nutzen will.

Verlässliche Prognosen sind schwer

Warum ist es nun dennoch so schwierig, verlässliche Prognosen über lokale Niederschläge zu machen? Trömel greift hier gerne auf das Beispiel des Mehlemer Baches zurück, wo es nach Starkregen 2010, 2013 und 2016 zu massiven Überflutungen kam. „So etwas zu prognostizieren, stellt für uns eine regelrechte Superanforderung dar. Dabei handelt es sich um konvektiven, das heißt kurz andauernden und sehr heftigen Niederschlag. Die konvektiven Zellen in der Atmosphäre, die dazu führen, poppen kurzfristig auf und vergehen auch recht schnell wieder. Eine orts- genaue Prognose kann aber nicht länger greifen, als die Lebensdauer dieser Zellen ist. Und wir können immer nur schätzen, wo und wann die neuen entstehen“, erklärt die Meteorologin.

Ihr Ziel und das ihres Teams ist es, eben solche Ereignisse etwa drei Stunden im Voraus zu prognostizieren. „Solche lokalen, kleinskaligen Vorhersagen zu treffen, ist wirklich sehr schwierig. Die Gebiete, um die es geht, sind nur etwa 100 bis 2000 Quadratkilometer groß“, sagt Trömel. Sogar „ein bisschen undankbar“ nennt sie solche Aufgaben. Meteorologen hörten oft, dass ihre Vorhersagen bescheiden gewesen seien. Zum Beispiel dann: Es war Regen für die Region angekündigt, der kam aber in Dottendorf nicht runter. Ein paar Kilometer weiter, in Troisdorf, hingegen schon. „So falsch lagen wir also nicht“, sagt in einem solchen Fall das Expertenteam um die Privatdozentin.

Silke Trömel, die in Frankfurt studiert und promoviert hat, forscht seit 2006 in Bonn. Ob sie ihre Arbeit hier weiterführen kann, steht derzeit noch nicht fest. Sie ist habilitiert, trägt den Titel der Akademischen Oberrätin. Mit dem Zusatz „auf Zeit“. Und deswegen läuft ihr Vertrag im Juni 2020 aus. Immer wieder gelang ihr die Akquise von Drittmitteln. Die rund 2 Milli onen Euro für ihre Forschergruppe ist dabei nur die jüngste Anwerbung. Gerade mal ein paar Monate zuvor erhielt sie einen anderen bewilligten Förderbescheid von der DFG. Dieser bringt 4,5 Mil lionen Euro für das Schwerpunktprogramm „Synergie von Polarimetrischen Radarbeobachtungen und Atmosphärenmodellierung“, das insbesondere ein verbessertes Verständnis der Erzeugung von Niederschlägen zum Ziel hat. Beide Programme fördern deutschland-weite Forscherverbünde. Als deren Koordinatorin strebt Trömel nun eine ordentliche Professur an. „Doch wie überall sind auch in Bonn Hausberufungen die absolute Ausnahme“, sagt sie.

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