Sicherheitsserie: Betrug Täter suchen im Telefonbuch nach Opfern

Bonn · Betrüger geben sich am Telefon häufig als Verwandte aus, um hohe Geldsummen von Senioren zu ergaunern.Neben dem Enkeltrick ist auch der "falsche Polizeibeamte" eine gängige Masche der überregional agierenden Kriminellen.

Es war nachmittags um 15.30 Uhr. Lieselotte Krämer (Name geändert) war gerade auf dem Sprung zu einem Treffen mit ihren Freundinnen, als das Telefon klingelte. Ein gewisser Hauptkommissar Martin Schlappe von der Bonner Polizei meldete sich und schilderte der 72-jährigen Bonnerin, die Polizei wolle sie warnen, da in ihrer Straße vermehrt eingebrochen worden sei. Einer der Täter habe seinen Rucksack vergessen, und da sei ihre Adresse auf einem Zettel notiert gewesen. Aber es war nicht die Bonner Polizei, die bei der Seniorin anrief. Es war ein Trickbetrüger, der es auf ihre Wertsachen abgesehen hatte.

"Ich war erst mal sprachlos", schildert Krämer ihre erste Reaktion auf die vermeintliche Warnung des falschen Polizisten. "Der Mann hatte eine ganz sympathische Stimme, war sehr nett und höflich." Stutzig sei sie erst geworden, als der Anrufer fragte, ob sie denn viel Geld im Haus habe. Als sie verneinte, fragte er weiter nach wertvollem Schmuck. "Da ging mir ein Licht auf", sagt die Seniorin, "so etwas würde die Polizei nicht fragen."

Die Bonnerin reagierte genau richtig: Sie notierte sich die Nummer des Mannes, sagte diesem, sie werde ihn zurückrufen und legte den Hörer auf. Dann wählte sie den Notruf 110 und erfuhr von der "richtigen" Polizei, dass ihr Misstrauen begründet und sie an einen falschen Kommissar geraten war. Sie sei bereits etwa die zehnte Person an diesem Tag gewesen, die einen solchen Betrugsversuch gemeldet habe.

Der Trick mit dem "falschen" Polizeibeamten sei derzeit eine der gängigsten Betrugsmaschen, sagt Friedhelm Herholz (60), Leiter des Kriminalkommissariats Kriminalprävention/Opferschutz bei der Bonner Polizei. Die Täter meldeten sich oft mit einer manipulierten Nummer: Im Display könnte also wirklich eine Ziffernfolge der Polizei erscheinen. Im Laufe des Gesprächs oder auch mehrerer Gespräche vereinbare der Anrufer mit dem Opfer, dass ein Beamter in Zivil dessen Wertsachen abholen komme, um sie vor den angeblich lauernden Einbrechern in Sicherheit zu bringen.

Was würde die Polizei machen, wenn tatsächlich ein Einbruch drohte? "Dann stünde ein Polizeiwagen mit Uniformierten vor der Tür", sagt Herholz. "Mir ist auch nicht bekannt, dass Einbrecher eine To-do-Liste haben", bemerkt der Kriminalhauptkommissar mit Blick auf die angeblich gefundene Notiz mit der Adresse des Opfers.

Ähnlich wie bei dieser Masche spielen auch sogenannte Schockanrufer mit den Ängsten der Betroffenen, bei denen es sich laut Polizei in diesem Fall häufig um russisch-sprachige Menschen handelt: Ein Anrufer teilt mit, dass ein Verwandter des Opfers in eine Straftat verwickelt sei oder einen Unfall gehabt habe. Gegen Zahlung einer gewissen Summe werde von einer Strafverfolgung abgesehen beziehungsweise könne ein Beteiligter des Unfalls dringend operiert werden. Es komme eine Person im Auftrag der Behörde vorbei, die das Geld abhole.

Die wohl bekannteste Betrugsmasche am Telefon, bei der es auch darum geht, dass jemand kommt, um Geld vom Opfer abzuholen, ist der Enkeltrick. "Den gibt es bestimmt schon seit 20 Jahren, aber er funktioniert immer noch", sagt Hauptkommissar Herholz. "Das ist eine ganz miese Masche, die Opfer sind oft mittellos danach." Immerhin geht es um hohe Summen von 2000 bis 50 000 Euro.

10 häufigsten Betrugsmaschen Mit "Rate mal, wer hier ist?" beginnen die Täter oft das Gespräch, um aus der Antwort den Namen eines Bekannten oder Verwandten des Opfers zu erfahren, den sie im Laufe des Telefonats wiederholen: "Ich bin es doch, Klaus" heißt es dann - und wenn der Angerufene sich über die fremde Stimme wundert, haben die Betrüger Ausreden wie schlechten Empfang oder eine Erkältung parat. Hier gilt: Am besten auflegen. Wer sich vergewissern will, ruft die ihm bekannte Nummer des Verwandten an oder fragt jemanden um Rat.

Beim Enkeltrick schildert der Anrufer eine Situation, in der er dringend Geld benötigt: Autokauf, Immobilien- und Kunsterwerb sind laut Herholz häufige Szenarien, bei denen Senioren skeptisch werden sollten. Der Anrufer gaukelt vor, er benötige schnell Hilfe, um die Anzahlung leisten zu können. "Man sollte sich Zeit nehmen nachzudenken und sich zu fragen: Kann das stimmen?", rät der Hauptkommissar. Meist heiße es, ein Freund komme das Geld abholen. Klar, denn würde der Betrüger selbst erscheinen, wäre ja offenkundig, dass er nicht der Enkel ist. Sogar ein Taxi schicken die zumeist überregional aktiven Täter, damit der Angerufene zur Bank fahren und Geld holen kann, sagt Herholz. Das Gute: Immer mehr Bankangestellte seien für die Masche sensibilisiert und fragten nach, wenn gerade ältere Kunden ad hoc eine hohe Summe abheben wollen, ob sie nicht gemeinsam bei Verwandten oder Polizei nachfragen sollten. "Zum Teil sind so schon Betrugsversuche gestoppt worden", berichtet Herholz. Allerdings gebe es auch eine hohe Dunkelziffer: "Die Opfer schämen sich", erklärt er.

Gezielt suchten sich die Täter Senioren aus: "Ältere Leute sind von ihrer Einstellung her meist vertrauensvoll, höflich, und sie haben Vermögenswerte, also Bargeld oder Schmuck", sagt Herholz. So würden Trickbetrüger gezielt das Telefonbuch nach "altmodischen" Vornamen durchsuchen, um auf Senioren zu treffen. Deshalb sei es gerade für alleinstehende ältere Menschen ratsam, den Eintrag aus dem Telefonbuch löschen zu lassen oder nur den Nachnamen anzugeben.

"Bauchgefühl ist immer gut", rät der Präventionsfachmann, auf ein "schlechtes Gefühl" in einer Situation zu hören. Das gelte auch, wenn Fremde an der Haustür klingelten. Nur mit vorgelegter Kette sollte man dann öffnen. Denn mit diversen Maschen versuchen Trickbetrüger, sich Zutritt zu verschaffen, um Wertsachen zu stehlen - häufig mit einem Komplizen, den sie unbemerkt hineinlassen.

Entweder agieren sie in offizieller Funktion: Als Mitarbeiter der Stadtwerke, als Handwerker oder als Polizist, der angeblich Falschgeld prüfen will. Oder, speziell bei Täterinnen, weil sie vermeintlich Hilfe benötigen: ein Glas Wasser, Zettel und Stift oder weil das Kind mal zur Toilette muss. "Warum soll ich der Einzige sein, der helfen kann?", sollten Senioren sich dann fragen, rät Polizeisprecherin Ruth Braun, und notfalls einen Nachbarn oder Verwandten dazubitten. "Handwerker kommen nicht ohne Anmeldung", ergänzt Kommissar Herholz und rät, beim Vermieter oder Versorger nachzufragen. Das Wichtigste: keine Fremden in die Wohnung lassen.

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