Serie „Bonner Alltagshelden in der Corona-Krise“ Sybille Schmitz organisier die Heimkehr von Austauschschülern und Au Pairs

Bonn · Sybille Schmitz und ihr Team des Reiseveranstalters AIFS in Bonn organisieren die Heimkehr Hunderter von Austauschschülern und Au Pairs. Sie ist eine der Alltagsheldinnen in Corona-Zeiten.

 Sybille Schmitz und ihre Team kümmert sich um Hunderte junge Leute im Ausland, die nach Hause wollen.

Sybille Schmitz und ihre Team kümmert sich um Hunderte junge Leute im Ausland, die nach Hause wollen.

Foto: Benjamin Westhoff

Hoch über dem Friedensplatz in Bonn läuft seit Tagen ein Magnet auf Hochtouren. Bedient wird er von den rund 80 Mitarbeitern in der Deutschland-Zentrale des Reiseveranstalters AIFS Education Travel. Deren Aufgabe ist es eigentlich, junge Leute in die weite Welt zu bringen – sei es als Student, Praktikant, Austauschschüler, Au Pair oder innerhalb eines Work & Travel-Programms. Seit Beginn der Coronakrise jedoch ist auch im fünften Stock des Sparkassengebäudes vieles anders. Denn eine große Zahl der Kunden will angesichts der Pandemie einfach nur noch nach Hause. Und auch wenn Sybille Schmitz und ihr Team schon so manches Unmögliche möglich gemacht gaben, war eines klar: Eine Rückholaktion in dieser Größenordnung wird ein Kraftakt.

Schmitz, die die Deutschland-Zentrale leitet, fasst die Bilanz der vergangenen zehn Tage in einigen nackten Zahlen zusammen: 20.000 E-Mails an Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie deren Eltern, fast 2000 entgegengenommene Anrufe, 500 Buchungen für frühere Heimreisen. In dem Großraumbüro am Rande der Fußgängerzone sei förmlich zu spüren gewesen, wie die Nervosität unter den jungen Leuten in den Gastländern stieg. „Heftig war der Tag, an dem neben anderen Staaten auch US-Präsident Donald Trump die Grenzschließung in seinem Land verkündete. Seitdem geht es hier hoch her“, berichtet Schmitz. Für sie und ihre Kollegen bedeutete das: Vollbesetzung, Erreichbarkeit am Wochenende und Arbeit unter Hochdruck. Denn die Anrufe von Betroffenen – oder ihren besorgten Eltern –, die nun nichts sehnlicher wünschten als einen sofortigen Rückflug aus Australien, Neuseeland oder irgendeinem anderen Land der Erde, rissen nicht ab.

Doch der ansonsten so profane Vorgang einer Flugbuchung gleicht in Zeiten von Corona einem Hindernislauf. „Flüge, die wir eben noch gebucht haben, sind plötzlich nicht mehr verfügbar, weil die Maschinen dann doch am Boden bleiben“, sagt die Leiterin. Auch der Flughafen Dubai, ein wichtiges Drehkreuz für Verbindungen nach Asien und Australien, steht still. Dennoch konnten bislang immerhin 500 Rückholaktionen erfolgreich über die Bühne gebracht werden, rund 300 Rückflugwünsche seien derzeit noch offen, sagt Schmitz. Seit Dienstag habe sich die Lage etwas entspannt.

Und dann sind da noch all jene, die sich vor Ort mit der Ausnahmesituation arrangiert haben – knapp 3200 an der Zahl, mehr als die Hälfte von ihnen in Australien und den USA. Etwa ein Fünftel von ihnen stammt aus Nordrhein-Westfalen, rund 100 aus Bonn und der Region. „Viele sagen in der Tat auch: Bitte holt mich nicht zurück“, berichtet Schmitz und hat dafür durchaus Verständnis: „Statt einer komplizierten und nervenaufreibenden Rückreise kann es durchaus sicherer sein, zu bleiben, wo man ist“, sagt die Prokuristin. Genau das erklärt sie auch besorgten Eltern von Minderjährigen: „Wenn die Kinder in einer guten Gastfamilie in Sicherheit sind, ist das ein Argument zu bleiben.“

Dass dem Krisenmodus bei aller Dramatik auch ein gewisser Unterhaltungsfaktor innewohnt, zeigt sich auch hier: Auf einem eigenen Instagram-Kanal halten die Teilnehmer einander über die Entwicklung in ihrem jeweiligen Gastland auf dem Laufenden.

Die Organisation AIFS Educational Travel arbeitet eigenen Angaben zufolge als gewinnorientierte Gesellschaft, deren Muttergesellschaft indes in eine Wohltätigkeitsorganisation eingebunden ist und nach Abzug aller Kosten Benefizprojekte finanziert. Seit der Gründung 1964 durch Sir Cyril Taylor haben bis heute mehr als 1,5 Millionen junge Menschen weltweit an den Programmen teilgenommen. Seit 1994 hat AIFS (American Institute for Foreign Studys) mit der Zentrale in Bonn eine eigene Kontaktstelle für Menschen aus dem deutschsprachigen Raum. Für sie wird er noch ein Weilchen auf Hochtouren laufen, der Magnet im fünften Stock am Friedensplatz.

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