15 Jahre Diamorphin-Ambulanz Striktes Reglement für Patienten der Bonner Drogenambulanz

Bonn · Die Bonner Drogenambulanz, oder genauer Diamorphin-Ambulanz, gibt es seit 15 Jahren. Das Modell habe sich in der Praxis eingespielt und bewährt, sind die Betreiber - die Caritas, das Diakonische Werk und die Uniklinik - überzeugt.

Psychiaterin Andrea Welskop (links) und Ambulanzleiterin Linda Wüllenweber im geschützten Raum zur Ausgabe der Suchtmitteldosen.

Psychiaterin Andrea Welskop (links) und Ambulanzleiterin Linda Wüllenweber im geschützten Raum zur Ausgabe der Suchtmitteldosen.

Foto: Martin Wein#

Das gesicherte Metalltor wirkt eher konspirativ. Hinter der weiß getünchten und mit Graffiti besprühten Hofmauer am Ende des Annagrabens würde kein Passant eine Einrichtung der Hochleistungsmedizin erwarten. Man muss schon aufs Klingelschild Nummer 72 unter der Kamera neben dem Tor schauen, um die Diamorphin-Ambulanz zu bemerken

„Wir waren in einem Pilotversuch die ersten in Deutschland, die eine Ersatztherapie für Heroin anboten“, sagt Caritas-Chef Jean-Pierre Schneider mit einem Anflug von Stolz. Diskretion und ein Höchstmaß an Sicherheit gehören seither zum Geschäftsmodell, wenn dort rund 50 Abhängige zwei- bis dreimal täglich ihr künstlich hergestelltes Heroin spritzen. Zwei Sichtschleusen am Eingang, die elektronische Erfassung der Patientendaten, dann ein Ausgabeschalter mit schusssicherem Glas liegen auf dem Weg zur Spritze.

„Unsere Patienten sind schwer krank. Wir dosieren so, dass sie im Alltag ohne Beeinträchtigung klar kommen“, erklärt der leitende Mediziner Dr. Christoph Dilg von der Bonner Uniklinik. Dazu gehört, dass Patienten nur auf die Straße dürfen, wenn sie keine Rauschsymptome zeigen und straßenverkehrstauglich sind. Während der Wartezeit im Aufenthaltsraum ist Gelegenheit zur umfassenden psychosozialen und medizinischen Betreuung.

„Es ist ein Therapieangebot für Menschen, denen sonst keiner mehr helfen konnte“, sagt Schneider. Ein Verlangen nach weiteren Suchtmitteln hätten die Betroffenen nicht und fielen damit auch aus der Beschaffungskriminalität heraus, sagt Ambulanz-Leiterin Linda Wüllenweber. Alkohol ist in der Ambulanz ohnehin komplett tabu, ein Test bei jedem Besuch obligatorisch. Bei Therapiebeginn häufig obdachlos, schafften es fast alle Patienten zurück in eine eigene Wohnung. Und einige fänden sogar einen Arbeitsplatz in betreuten Werkstätten. „Das ist eine enorme Verbesserung ihrer Situation, die ein fast normales Leben zulässt“, sagt Dilg.

Die Abgabestelle erinnert eher an eine Arztpraxis. Die Chance, dass Suchtmittel unkontrolliert in die Außenwelt gelangen, ist gering. Jede gebrauchte Spritze muss wieder abgegeben werden und ist gesondert gekennzeichnet. Konflikte mit Anwohnern habe es in der Vergangenheit auch nur in Einzelfällen gegeben, betont Wüllenweber. „Unsere Patienten sind keine Engel. Aber wir haben ein striktes Regelwerk aufgestellt, um jeden Konflikt möglichst sofort einzugrenzen.“

So dürfen die Patienten frühestens fünf Minuten vor ihrem Termin am Tor erscheinen, um dort Pulks von wartenden Menschen zu vermeiden. Wer sich nicht an die Regeln hält, dem droht der Rausschmiss aus dem Programm. Auch einen Zuzug von Drogenabhängigen nach Bonn habe die Ambulanz nicht ausgelöst, versichern Wüllenweber und Dilg. Um das zu verhindern, können nur langjährige Bonner Bürger in die Therapie aufgenommen werden.

So gut die Ambulanz insgesamt etabliert ist, so wenig Wunder kann man allerdings von der Therapie erwarten. Zwar sei es Ziel, die Patienten möglichst von der Droge zu entwöhnen. Viele wünschen sich das sehnlichst. Mit einer geringeren Dosierung und anschließenden stationären Entgiftung schafften das aber höchstens fünf bis zehn Prozent, schätzt Dilg.

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