Mehr psychologischer Betreuung gefordert Stadt plant einen runden Tisch zu Flüchtlingen

BONN · Das Drama, das sich um einen nach Meinung von Mitbewohnern und Betreuern psychisch kranken Flüchtling im Endenicher Paulusheim abgespielt hat, beschäftigt nach wie vor die Gemüter.

Am Mittwoch wandte sich die studentische Flüchtlingshilfe IfF mit einem offenen Brief an die Stadt Bonn und die OB-Kandidaten. Darin fordern die Studenten unter anderem eine stärkere Präsenz von hauptamtlichen Hilfskräften in den Flüchtlingsunterkünften.

Betreuung durch hauptamtliche Kräfte verbesserungswürdig

Der Vorfall zeige, dass die Betreuung in den Unterkünften durch hauptamtliche Kräfte deutlich verbesserungswürdig ist, glauben die Studenten. Einige von ihnen feierten am Samstag im Garten des Endenicher Heims ein Sommerfest, als ein 23-jähriger Bewohner aus Guinea einen Landmann (27) in dessen Zimmer mit zwei Messern attackierte.

Der 23-Jährige sprang später nach vergeblichen Beruhigungsversuchen - unter anderem auch durch eine der Studentinnen - mit den Messern in beiden Händen auf die Wiese vor das Paulusheim. Spezialeinsatzkräfte der Polizei schossen ihn daraufhin nieder (der GA berichtete). Der Afrikaner liegt nach Angaben von Monika Volkhausen, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Bonn, noch in einer Klinik. Sein Gesundheitszustand ist Volkhausen zufolge stabil, er ist aber nicht vernehmungsfähig.

Psychologische Hilfsangebote für Flüchtlinge dringend notwendig

Markus Banger, Ärztlicher Direktor der LVR-Klinik, kennt sich aus mit der Problematik von psychisch kranken und traumatisierten Flüchtlingen. Einige von ihnen sind in seiner Klinik in Behandlung, sagt er. "Es sind nicht viele, aber ich glaube der Bedarf ist trotzdem sehr groß." Unabhängig vom Vorfall in Endenich, hält der Arzt es für dringend erforderlich, psychologische Hilfsangebote für Flüchtlinge auszuweiten.

[kein Linktext vorhanden]Für Betroffene sei es aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder kultureller Unterschiede allerdings oftmals schwierig, den ersten Schritt zu wagen und sich Hilfe zu holen. "Wenn ein Türke sagt, seine Leber brennt, meint er, dass er traurig oder depressiv ist", erklärt er an einem Beispiel. Es müssten bessere Strukturen für ein "kultursensibles" Gesundheitssystem geschaffen werden.

Transkulturelle Ambulanz in der LVR-Klinik

In der LVR-Klinik gebe es in der Suchtabteilung bereits eine transkulturelle Ambulanz, in der Ärzte unterschiedlicher Nationen tätig seien. "Wichtig ist aber auch, dass die Flüchtlinge schnell Klarheit erhalten, ob sie bleiben können oder nicht." Das könne sich präventiv auf die Psyche der Menschen auswirken, so Banger.

Die Stadt Bonn teilte in dem Zusammenhang mit, dass es Ende August einen runden Tisch zum Thema "Hilfe und Therapie für traumatisierte Flüchtlinge - Situation in Bonn" geben wird. Dazu eingeladen sind laut Coletta Manemann, Integrationsbeauftragte der Stadt Bonn, unter anderem Therapeuten, Mitarbeiter von psychologischen Beratungsstellen sowie Experten der LVR-Klinik und der Stadt.

Es werde allgemein ein großer Bedarf gesehen, weiß Manemann. Das benötigte Angebot scheitere aber oftmals an fehlenden Sprachkenntnissen, an ungelösten Finanzierungsfragen, am Zugang zur Zielgruppe oder auch an der Tatsache, dass die Erkrankung der Psyche eben bei vielen Flüchtlingen noch ein Tabu-Thema sei. "Wir möchten uns daher mit den Experten über die Situation und das weitere Vorgehen austauschen und beraten", sagte Manemann.

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