Umstrittene Absprachen bei Bonner Bauprojekt Stadt erwägt WCCB-Klage gegen Ex-OB-Dieckmann

Bonn · Barbara Dieckmann, Bonns frühere OB, hat vor dem Landgericht beteuert, nichts von der hohen finanziellen Belastung während der WCCB-Bauphase gewusst zu haben. Die Stadt erwägt eine Schadensersatzklage einzureichen.

Äußerlich wirkt Barbara „Bärbel“ Dieckmann (68) gelassen. Bonns ehemalige Oberbürgermeisterin lächelt, als sie den Saal 107 des Landgerichts betritt, eine elegante Erscheinung im blauen Kleid und fliederfarbenen Blazer. Sie nimmt auf dem Zeugenstuhl Platz, sehr aufrecht, die Hände auf einem roten Hefter voller Dokumente. Sie spricht ruhig und überlegt. Und doch ist jedem in den Zuschauerreihen klar: Hier kämpft eine Frau, die jahrelang die erfolgsverwöhnte Chefin der Stadtverwaltung war, um ihren Ruf – und vielleicht auch um mehr.

Es ist das erste Mal, dass die Präsidentin der Welthungerhilfe sich öffentlichen Fragen zum WCCB-Skandal stellen muss, der für die Steuerzahler zum Millionengrab geworden ist. Ein Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft schon vor Jahren eingestellt. Jetzt beugt sich Dieckmann dem Druck der 1. Zivilkammer unter Vorsitz von Stefan Bellin und sagt als Zeugin im Schadensersatzprozess der Stadt gegen den früheren WCCB-Investor Man-Ki Kim und dessen Rechtsberater S. C. aus.

Dieckmann sieht sich keiner Schuld bewusst

Nach mehr als zweistündiger Befragung wird deutlich: Dieckmann gesteht keine eigenen Fehler ein. Das Gericht will vor allem zwei Fragen klären: Ging sie vor der entscheidenden Ratssitzung im Dezember 2005 davon aus, dass Kims SMI Hyundai in Verbindung zum gleichnamigen Autokonzern stand? Und: Vertraute sie als Verwaltungschefin darauf, dass der Investor in der Lage sein würde, das nötige Eigenkapital von 40 Millionen Euro aufzubringen? Inzwischen weiß man: Er konnte es nicht, das Kongresszentrum kostete die Stadt am Ende rund 300 Millionen Euro.

Die Entscheidung für WCCB-Investor Kim sei 2005 ohne jeden Zweifel an dessen Finanzkraft getroffen worden, betont Dieckmann vor Gericht. Kim und C. hätten in Gesprächen suggeriert, der Autokonzern sei mit dem Investor verbunden. „Es stimmte uns positiv, als der Anschein erweckt worden war, dass ein finanzstarker Konzern hinter der SMI stehe“, so Dieckmann. „Mir war aber immer klar, dass keine Gewinne aus dem Autogeschäft ins WCCB fließen würden.“

„Der Rat hatte alle relevanten Informationen“

Sie unterstreicht, in die Verhandlungen mit Kim nicht persönlich involviert gewesen zu sein. Sie habe sich auf die Stadtverwaltung, externe Berater und die Sparkasse KölnBonn verlassen. Allein Aufgabe der Sparkasse sei es gewesen, Kims Bonität zu durchleuchten. Sie selbst habe Wert darauf gelegt, dass intensiv überprüft werde, ob seine Firmen solvent genug seien. In der Sparkasse gab es aber bekanntlich massive Bedenken, was Kims Bonität und den angeblichen Konzernhintergrund anbetraf. Davon, so Dieckmann, habe sie nichts gewusst.

Sie betont, die Sparkasse habe schon im September 2005 auf eine zusätzliche Absicherung des Kredites durch die Stadt gedrängt – weil das nicht vermarktbare WCCB-Grundstück als Sicherheit nicht infrage gekommen sei. Deshalb sei die „Nebenabrede“ mit der Sparkasse getroffen worden, nach der die Kommune im Insolvenzfall den restlichen Kredit samt Zinsen zurückzahlen musste. Die Tilgung sollte erst nach zehn Jahren beginnen. Dazu habe der Stadtrat die Verwaltung im Beschluss aus dem Dezember 2005 auch ermächtigt. Dem Rat hätten „alle relevanten Informationen“ vorgelegen, so Dieckmann. Das bestreiten viele Kommunalpolitiker seit Jahren – und nicht nur die. Es sei auch klar gewesen, so Dieckmann, dass die Nebenabrede – nichts anderes als eine Bürgschaft – schon während der Bauphase greifen würde. Dieckmann: „Wir haben nicht mit Belastungen in der Bauphase gerechnet. Das war ein Irrtum.“ Die meisten Ratsmitglieder glaubten offenbar, dass die Nebenabrede erst nach Abschluss der Bauarbeiten gelten würde.

Wie kam der Sparkassen-Kredit zustande?

Eine wichtige Frage bleibt am Mittwoch unbeantwortet: In einer Sitzung am 25. Oktober 2005 hatte der Sparkassenvorstand den Kredit über zunächst 74 Millionen Euro abgelehnt, mit Verweis auf eigene Risikorichtlinien. Eine Woche später tagte der Vorstand erneut – und gab den Kredit frei, einschließlich Nebenabrede. Woher kam der Sinneswandel?

Als das Gericht am Mittwoch nachhakt, ob nach der ersten Vorstandssitzung Gespräche zwischen Geldinstitut und Stadt stattgefunden hätten, antwortet Dieckmann: „Ich war nicht daran beteiligt, gehe aber davon aus, dass es Gespräche gab.“ Kim-Anwalt Christoph Schiemann hält ihr entgegen, die Sparkasse habe den Kredit nach dem 25. Oktober doch erst bewilligt, nachdem ihr die Nebenabrede (mit Wirkung schon für die Bauphase) zugesichert worden sei. Die Ex-Oberbürgermeisterin kontert: „Das kann ich nicht teilen.“

Die Stadt Bonn hatte Dieckmanns Zeugenvernehmung beantragt. Sie berief sich zunächst auf ein Zeugnisverweigerungsrecht, um sich nicht selbst belasten zu müssen. Das sah die Kammer jedoch anders. Die Entscheidung im Prozess gegen Kim und C. soll am 28. Februar verkündet werden. Danach will die Stadtverwaltung entscheiden, ob sie dem Rat eine Schadensersatzklage gegen Dieckmann vorschlägt.

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