Flüchtling warf Kinder aus dem Fenster Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft

Bonn · Ein Syrer soll im Februar seine drei Kinder aus dem Fenster einer Flüchtlingsunterkunft in Lohmar geworfen haben. Im Prozess am Bonner Landgericht fordert die Staatsanwaltschaft nun eine lebenslange Haftstrafe.

Dieser Strafantrag ist eine handfeste Überraschung: Im Prozess gegen den 35-jährigen syrischen Flüchtling, der am 1. Februar in Lohmar seine drei Kinder aus dem Fenster geworfen hat, um sie zu töten und damit seine Frau zu bestrafen, beantragt der Staatsanwalt am Dienstag vor dem Bonner Landgericht lebenslange Haft wegen versuchten Mordes in drei Fällen und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Und fordert damit die höchstmögliche Strafe, die das Gesetz für vollendeten Mord zwingend vorsieht.

Wenn es allerdings, wie in diesem Fall, beim Versuch bleibt, kann die Strafe gemildert werden, eine Vorschrift, die in der Regel angewandt wird. Doch Gründe für eine solche Milderung erkennt Staatsanwalt Florian Geßler nicht, wie er in seinem Plädoyer ausführt. Und so lässt er auch keine Gnade walten, als er darauf eingeht, was der Mann auf der Anklagebank seinen Kindern und damit auch seiner Ehefrau angetan hat. Sein fünfjähriger Sohn und seine siebenjährige Tochter wurden durch den Sturz lebensgefährlich verletzt. Nur die einjährige Tochter kam glimpflich davon, sie war auf ihren Bruder gefallen. „Dass die Kinder überlebt haben, kann sich nicht der Angeklagte anrechnen lassen“, so Geßler, „sie hatten Riesenglück.“

Für den Ankläger gibt es am Ende des Verfahrens keinen Zweifel: Der Angeklagte hat eiskalt gehandelt und die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe erfüllt. Denn die Kinder seien völlig arg- und wehrlos gewesen, als er sie an jenem Tag, eines nach dem anderen, in aller Seelenruhe packte und wie „Weihnachtsbäume“ aus dem Fenster warf. „Er hat die Kinder wie Gegenstände benutzt, um seine in seinen Augen ungehorsame Frau abzustrafen“, hält Geßler dem Angeklagten vor.

Der bricht in Tränen aus, als der Staatsanwalt über seine Kinder spricht. Er sitzt mit Handschellen gefesselt vor der 8. Jugendkammer als Jugendschutzkammer, denn aufgrund seines bisherigen Verhaltens im Prozess ist Kammervorsitzender Volker Kunkel nicht bereit, sie ihm abnehmen zu lassen, auch wenn der Angeklagte zuvor über seinen Verteidiger versprochen hatte, sich an diesem Verhandlungstag zu benehmen.

Staatsanwalt Geßler stellt aber auch klar: Man verstehe diese unvorstellbaren Taten nur, wenn man die Vorgeschichte kenne. Und die beginne mit der arrangierten Ehe des Paares: „Ein Paradebeispiel dafür, dass solche Ehen keine guten Ehen sind“, so Geßler. Denn schon nach kurzer Zeit seien Probleme aufgetreten, der Angeklagte habe seine Frau sogar zurückgeben wollen, weil sie nicht so gehorcht habe, wie er das erwartete. Und schon damals schlug er sie. Dann habe er sich zur Flucht aus Syrien entschlossen, auch in der Hoffnung, dass in Deutschland alles besser werde, wie seine Frau ihm versprach. Doch hier wurde in seinen Augen nichts besser, sondern schlimmer.

Seine Frau wurde selbstständiger, machte einen Sprachkurs, er ärgerte er sich immer mehr über ihren Ungehorsam. Und als sie es am 4. Januar ablehnte, ihm Tee zu kochen, schlug er ihr einen Kochtopf ins Gesicht. Doch womit er nicht gerechnet hatte: Sie rief die Polizei, und er wurde der Wohnung verwiesen. Gedemütigt kam er schließlich zurück und drohte ihr: Wenn das noch einmal passiere, werfe er die Kinder aus dem Fenster. Und als seine Frau am 1. Februar erklärte, sie werde sich von ihm nicht mehr alles gefallen lassen, machte er seine Drohung wahr. „Er zog die Tat eiskalt durch“, so Geßler, der sicher ist: Auch wenn der Angeklagte in einem anderen Wertesystem aufwuchs, so gebe es auch in Syrien kein Gesetz, das so etwas vorsehe. Auch Gudrun Roth, Anwältin der Mutter und der drei Kinder, wirft dem 35-Jährigen vor, seine Kinder als Mittel zum Zweck benutzt, schwer traumatisiert und ihr Urvertrauen zerstört zu haben. Und statt eines Wortes der Reue sei er im Prozess vor Selbstmitleid zerflossen. Sie schließt sich dem Plädoyer des Anklägers an.

Verteidiger Martin Kretschmer bittet darum, die Lebensbedingungen seines Mandanten in Syrien zu bedenken: „Er ist in einer Welt aufgewachsen, in der Gewalt und Brutalität an der Tagesordnung waren.“ Vater und Bruder seien erschossen worden, und auch er selbst habe Schüsse abbekommen. Außerdem sei er ein einfacher Mensch, der wie ein Kind reagiere und und dessen Frauenbild von den Werten seiner Herkunft bestimmt werde. Der Anwalt bat um eine zeitlich begrenzte Strafe. Auch der Angeklagte bat das Gericht, ihn nicht vorschnell zu verurteilen: Es tue ihm leid, wenn er jemanden verletzt habe. Er liebe seine Kinder und verstehe nicht, was er getan habe. Das Urteil wird am 3. November gesprochen.

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