Erpresserbrief im Schließfach Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafe nach Angriff auf Hans Wallow

Bonn · Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe für einen Verlegersohn nach dem Angriff auf Alt-Politiker Hans Wallow. Die Motivation für das Schreiben eines Erpresserbriefes bleibt im Nebel.

Der Angeklagte ist laut Gutachten zwar in seiner Persönlichkeit gestört, aber voll schuldfähig. Diese Woche will das Gericht urteilen.

Der Angeklagte ist laut Gutachten zwar in seiner Persönlichkeit gestört, aber voll schuldfähig. Diese Woche will das Gericht urteilen.

Foto: dpa/Oliver Berg

Im Prozess um den Angriff auf den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Hans Wallow sind am Montag die Plädoyers gehalten worden: Eine Haftstrafe wegen versuchter gefährlicher sowie vorsätzlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz von einem Jahr und zehn Monaten hat die Staatsanwältin für den angeklagten Verlegersohn gefordert. Und zwar – was bei unter zweijährigen Freiheitsstrafen die Ausnahme darstellt – ohne Bewährung.

Die Vertreterin Wallows, der als Nebenkläger auftritt, forderte zusätzlich eine Verurteilung wegen Bedrohung. Die Verteidigung fordert eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung. Wallow war laut Anklage am 18. Dezember mit einem Gasrevolver bedroht worden. Der Angeklagte soll zweimal abgedrückt haben, ohne dass sich ein Schuss gelöst habe. Bei der Abwehr der Attacke hatte Wallow mehrere Hämatome davongetragen, seine Lebensgefährtin war von dem Angreifer in den Unterarm gebissen worden.

 In dem Verfahren spielt ein skurriles Erpresserschreiben eine besondere Rolle: In einer vorbereiteten Erklärung sollte sich der Altpolitiker von den beiden „Ikonen der linksliberalen Szene“ Simone de Beauvoir und Jean-Paul-Sartre distanzieren. So nimmt es die Anklage an und so hatte es auch der Angeklagte, der den beiden Existenzialisten pädophile Neigungen unterstellt, selbst dem Ermittlungsrichter gegenüber dargestellt.

Mit dem Brief habe Wallow dann anschließend unter Druck gesetzt werden sollen. Nur, dass das Opfer gar nichts von einem solchen Schreiben wusste: Als der 80-Jährige in seinem Bonner Wohnhaus von dem Angeklagten bedroht worden war, sei es nur um ein Buch gegangen, das er mit dem Vater des Angreifers herausgegeben habe, erinnert sich Zeuge Wallow am ersten Prozesstag.

Trotz Persönlichkeitsstörung voll schuldfähig

So, wie die Staatsanwältin das Tatgeschehen am Montag skizzierte, bekam die Drohung erstmals einen gewissen Sinn: Wallow, der als SPD-Mann dem linken Spektrum nahestehe, hätte sich in der Wahrnehmung des Angeklagten durch die Unterzeichnung des Schreibens diskreditiert und erpressbar gemacht. Weil sich eine solche Schlussfolgerung nicht zwingend aufdrängt, war der Angeklagte nach der Tat in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen worden. Inzwischen steht aber fest: Trotz einer von einem Gutachter diagnostizierten schizoiden Persönlichkeitsstörung ist der Angeklagte voll schuldfähig. Ein Tötungsvorsatz sei allerdings – anders als von dem Opfer vermutet – nicht erkennbar, so die Staatsanwältin.

Ein unbewältigter Vater-Sohn-Konflikt könnte hinter dem Angriff stecken. Das legt das psychologische Gutachten nahe: Die ganze Geschichte rund um den Erpresserbrief sei nur der intellektuelle Überbau über das eigentliche Tatmotiv – die Rache an seinem Vater. Der Angeklagte ist der Sohn eines Verlegers und Freundes von Wallow; beide hatten gemeinsam an dem erwähnten Buch gearbeitet. Auch, wenn er bei seinen Besuchen bei Wallow den erwähnten Erpresserbrief gar nicht dabei hatte, das Schreiben existiert: Bereits im Jahr 2012 hatte er seinen Vater, der auch als Zeuge ausgesagt hatte, genötigt, den Text zu unterzeichnen, der zum Tatzeitpunkt in einem Schließfach am Bonner Hauptbahnhof verwahrt gewesen sein soll. Die Staatsanwältin fand es nicht ausgeschlossen, dass er schlicht vergessen habe, ihn mitzunehmen.

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