Politikwissenschaftler analysiert OB-Wahlergebnis SPD und Grüne Kopf an Kopf

BONN · Während die SPD noch ihre Wunden leckt und sich ihrem Vorsitzenden Gabriel Kunze zufolge intensiv mit der Ursachenforschung für die herbe Wahlschlappe am Sonntagabend beschäftigen will, herrscht bei den Bündnispartnern der Bonner Ratsmehrheit aus CDU, Grünen und FDP Aufbruchstimmung.

 Fast gleichauf mit der SPD: Grünen-Kandidat Tom Schmidt (l.) reicht Peter Ruhenstroth-Bauer die Hand.

Fast gleichauf mit der SPD: Grünen-Kandidat Tom Schmidt (l.) reicht Peter Ruhenstroth-Bauer die Hand.

Foto: Volker Lannert

Die CDU ist noch sichtlich im Freudentaumel über den Sieg ihres OB-Kandidaten Ashok-Alexander Sridharan gleich im ersten Wahlgang. Die Liberalen freuen sich mit - schließlich haben sie die Kandidatur unterstützt. Und die Grünen frohlocken: Mit dem Abschneiden ihres Kandidaten Tom Schmidt mit 22,1 Prozent haben sie einen grünen Spitzenwert bei Wahlen in der Bundesstadt erreicht.

Schmidt war fast gleichauf mit dem SPD-Kandidaten Ruhenstroth-Bauer, der 23,7 Prozent der Stimmen holte. Ist das ein Indiz dafür, dass die Grünen ihrem Ziel, die SPD in Bonn als zweitstärkste Kraft abzulösen, ein großes Stück nähergekommen sind? Grünen-Ratsfraktionssprecher Peter Finger gibt sich angesichts der Wahlstatistik der vergangenen Jahre (siehe Grafik) zuversichtlich. "Zumal wir Grünen ja auch seit sechs Jahren mit in der Verantwortung sind", meinte er. Die Beteiligung seiner Partei an der Ratsmehrheit nach 2009 hätten die Wähler bei der Kommunalwahl 2014 seiner Meinung nach auch klar honoriert. So hatten die Grünen ihr Ergebnis von 2009 halten können, während die beiden großen Volksparteien CDU und SPD Einbußen hinnehmen mussten.

[kein Linktext vorhanden]Unterm Strich wertet Finger die OB-Wahl auch als eine Art Bestätigung der Koalitionsarbeit von CDU, Grünen und FDP im Stadtrat: "Der gemeinsame Kandidat von CDU und FDP und unser OB-Bewerber Tom Schmidt kamen zusammen auf mehr als 72 Prozent der Stimmen. Der SPD-Kandidat nur auf 23 Prozent", machte Finger deutlich.

Kein "Automatismus"

Der Bonner Politikwissenschaftler Professor Volker Kronenberg, der unter anderem die Entwicklung der Kommunalpolitik in der Stadt und der Region seit Jahren genau verfolgt, sieht dagegen in einer Wahlstatistik nicht unbedingt einen "Automatismus". Auch wenn die Bonner Grünen seit ihrem Einzug in den Stadtrat 1984 ihre Ergebnisse systematisch verbessern konnten. Generell hält er die Grünen mit Blick auf die Wählerschaft inzwischen für die "bürgerliche Partei par excellence". Sie habe sich über die Jahre hinweg immer breiter aufgestellt, ohne ihre Kernthemen aufzugeben, sagte er im Gespräch mit dem GA. Dadurch habe sie eine immer größere Wählerschaft hinter sich versammelt, insbesondere aus dem Bildungsbürgertum. "Das ist ihnen auch in der Universitätsstadt Bonn gelungen", so Kronenberg. Neben den ureigenen Grünen-Themen punkten sie Kronenberg zufolge insbesondere auch bei den Themen Finanzen und Wirtschaft.

Der Wahlspruch von OB-Kandidat Schmidt "Mit Grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben", sei ein "sehr kluger Slogan " gewesen, so der Professor. Indes: "Die Fähigkeit zur Regenerierung auch der SPD in Bonn sollte man nicht unterschätzen", betonte Kronenberg. Er sieht den Verlust des OB-Postens sogar als eine gewisse Chance für die Sozialdemokraten, so paradox es zunächst klingen mag: "Denn der Druck auf das Ratsbündnis wird jetzt steigen, weil der neue OB farbgleich ist", ist er überzeugt. Die SPD könne ihre Oppositionsrolle im Stadtrat mit neuen Konzepten und Ideen dadurch besser als bisher ausfüllen.

SPD mit Wahlkampf zufrieden

[kein Linktext vorhanden]Ähnlich sieht es SPD-Parteivorsitzender Kunze. Er hat am Dienstagabend mit den Vorstandskollegen des Unterbezirks eine erste Wahlanalyse vorgenommen. "Wir haben auf der einen Seite eine gute Wahlkampf-Kampagne gemacht", ist er überzeugt. Andererseits habe es eine gewisse Anti-Stimmung gegen die SPD gegeben, wohl aus der Enttäuschung über die Politik der Vergangenheit.

Stichwort WCCB: "Wir haben den Bürgern nicht klarmachen können, wer in der Stadt die Verantwortung trägt", analysierte Kunze. "Die Rechnung haben wir bezahlt". Der Parteivorsitzende räumte ein, der SPD sei es nicht gelungen, ihrer Rolle als Opposition im Rat gerecht zu werden. "Wir werden in Zukunft klarer darstellen müssen, wofür wir stehen und welche Alternativen wir zu bieten haben."

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