WCCB-Bürgschaft Sparkasse verklagt die Stadt auf rund 82 Millionen Euro

BONN · Der seit dem Jahr 2012 schwelende Konflikt zwischen der Sparkasse KölnBonn und der Stadt Bonn über die Kredit-Millionen-Bürgschaft zum World Conference Center Bonn (WCCB) landet vor Gericht: Am Dienstag hat die Sparkasse ihre Klage über rund 82 Millionen Euro eingereicht.

Durchaus mit einem gewissen Bedauern gegenüber ihrem Mitbesitzer, denn zu 30 Prozent gehört das Kreditinstitut der Stadt Bonn, zu 70 Prozent Köln. "Leider haben wir uns an keiner Stelle", so Norbert Minwegen, Pressesprecher der Sparkasse, "mit der Bundesstadt Bonn auf ein moderiertes und außergerichtliches Verfahren verständigen können."

Die Stadt Bonn teilte mit: "Die Ansprüche der Sparkasse KölnBonn im Zusammenhang mit den an die UNCC GmbH ausgereichten Krediten werden von der Bundesstadt Bonn aus guten Gründen und gestützt auf mehrere Gutachten bestritten."

Juristisch geht es um das EU-Beihilferecht und letztlich auch um ein Stück Wettbewerbsrecht. Die Stadt Bonn ist mit zwei Rechtsgutachten bewaffnet, ebenso die Sparkasse. Nach GA-Informationen zielt die städtische Rechtsposition - vereinfacht - darauf ab, dass die Sparkasse bei dem WCCB-Kredit null Risiko getragen habe, woraus eine Wettbewerbswidrigkeit des Kreditgeschäfts abgeleitet wird.

Das bedeutet aber auch: Der WCCB-Investor Man-Ki Kim samt seiner SMI Hyundai Corporation, von der Sparkasse als kredituntauglich bewertet, wäre mit der städtischen Rund-um-Bürgschaft im Gepäck auch bei jeder anderen Bank mit offenen Armen empfangen worden.

Der Sachverhalt ist längst mehr als eine regionale Petitesse und auch keine, für die sich nur Juristen interessieren. Es geht um Lokalpolitik, möglicherweise bundesweite Urteilsfolgen, das Verhältnis der Städte Bonn und Köln und die Frage, ob vor Gericht ein Geheimnis gelüftet wird: Wer hat entschieden, dass Bonn bürgt?

  • Bundesweite Folgen: Selbst der Sparkassen- und Giroverband war an einer außergerichtlichen Klärung interessiert. Grund: Sparkassen vor Ort sind bundesweit häufig die Partner, um politisch gewünschte "Leuchtturmprojekte" zu finanzieren, die sich häufig nur auf dem Papier rechnen. Würde die Stadt Bonn vor Gericht gewinnen, geriete manches Kreditgeschäft nachträglich ins juristische Visier - und bei künftigen Projekten würden Sparkassen mehr zaudern als bisher. Der aktuelle Streit birgt somit unwägbare Risiken für unbeteiligte Dritte.
  • Bezirksregierung: Auch der rechtliche Vertreter des Landes NRW hatte sich eingemischt und forderte eine "einvernehmliche" Lösung. Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD) biss jedoch bei ihrem Parteifreund und Bonner OB Jürgen Nimptsch auf Granit. Bernhard Wimmer, Chef des Bürger Bund Bonn, interpretierte das so: "Die Regierungspräsidentin will offensichtlich vermeiden, dass im Rahmen eines Gerichtsverfahrens endlich die Fakten auf den Tisch kommen und klar wird, welche Rolle Frau Dieckmann in den Gremien der Sparkasse Köln-Bonn gespielt hat und wie es dazu kam, dass die Sparkasse den Koreanern am Ende doch den Kredit bewilligte, den sie bereits abgelehnt hatte."
  • Bonn und Köln: Sollte die Stadt Bonn vor Gericht siegen, müsste die Stadt Köln - entsprechend ihrem 70-prozentigen Besitzanteil - für etwa 57 Millionen Euro haften. In diesem Fall käme aber auch Bonn nicht ungeschoren davon, denn sie gehört sich als Prozessgegner zu 30 Prozent selbst.
  • Der Stadtrat: Öffentlich widerspricht kaum noch jemand dem Fazit des Rechnungsprüfungsamtes (RPA), wonach die Verwaltung eine andere Nebenabrede unterschrieben hat als die vom Rat genehmigte. Unterschrieben wurde eine Bürgschaft, in der die Stadt Bonn auch für das Eigenkapital des Investors haftet. Deshalb fühlen sich Ratspolitiker betrogen und getäuscht.
  • Bonner Haushalt: Verliert die angeklagte und finanziell arg angeschlagene Stadt den Prozess, würde das WCCB zu einem größeren Schuldentreiber als in zuversichtlichen Szenarien angenommen. Über einen zinsgünstigen Kommunalkredit läge die Belastung für den Haushalt bei rund fünf Millionen pro Jahr. Und das für mindestens zwei Jahrzehnte.
  • Sollte die Sparkasse vor Gericht verlieren, hätte sie indes noch einen weiteren Pfeil im Köcher. Sie könnte die Stadt für ihr miserables und vom Städtischen Gebäudemanagement (SGB) durchgeführten WCCB-Controlling auf Schadensersatz verklagen. Folgt man dem RPA, bewegte sich das Controllig nahe am Totalausfall. Strafrechtlich steht der Ex-SGB-Chef mit zwei Mitarbeitern und dem WCCB-Bauunternehmer ohnehin bald vor Gericht. Allein dieser Anklagekomplex umfasst 29 Tateinheiten zwischen Betrug und Untreue, teilweise im besonders schweren Fall.

Die städtische Bürgschaft für das WCCB

Wie vor Gericht im Prozess gegen WCCB-Investor Man-Ki Kim & Co. festgestellt, wollte die Sparkasse Köln-Bonn Kim und seiner Firma SMI Hyundai Corp., vermeintlicher Teil des Hyundai-Weltkonzerns, keinen Kredit geben. Sparkassen-Mitarbeiter hatten obligatorisch die Bonität von Kim/SMI geprüft und danach 2006 entschieden: kein Euro Kredit für Kim.

Damit war das Projekt eigentlich gestorben und hätte keinen Schaden angerichtet. Eine Alternative wäre gewesen, eine neuen Investor zu suchen. Die Verwaltungsspitze der Stadt Bonn entschied sich jedoch, bei der Sparkasse für Kim zu bürgen, zunächst für 74,3, später für 102,4 Millionen Euro.

Nach Analyse des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) war die Verwaltung nicht vom Bonner Stadtrat ermächtigt, die erste Nebenabrede, wie die Bürgschaft sprachlich getarnt wurde, zu unterschreiben. Wie ein städtischer Zeuge im Kim-Prozess erläuterte, durfte die Stadt Bonn das Rechtsgeschäft auch deshalb nicht "Bürgschaft" nennen, weil sonst die Bezirksregierung interveniert hätte. So aber haftete eine städtische Kommune für einen privaten Bauherrn - für die von Kim gegründete UN Congress Center Bonn (UNCC) GmbH.

Das sagen die Ratsfraktionen

  • Klaus-Peter Gilles (CDU): "Das ist keine neue Information für uns, die Klage wurde ja bereits von der Sparkasse Köln-Bonn angekündigt. Der Oberbürgermeister und der städtische Rechtsdezernent haben dem Stadtrat unmissverständlich empfohlen, keinen Vergleich oder ähnliches einzugehen. Beide haben auch in Kenntnis eines Entwurfs der Klageschrift eindeutig versichert, dass die Rechtsposition der Stadt glasklar und sicher sei und dies auch durch weitere Gutachten untermauert sei. Wer hier eine andere Position bezöge, begäbe sich in die Gefahr, der Stadt zu schaden. Die CDU-Fraktion sieht aufgrund dieser Feststellungen und Empfehlungen keinen Handlungsspielraum."
  • Helmut Redeker (SPD): "Die Nebenabrede zwischen der Sparkasse Köln-Bonn und der Stadt Bonn hätte bewirkt, dass die Stadt für die Schulden von Herrn Kim bürgt. Ein Rechtsgutachten bestätigt die Rechtsauffassung der Stadt, dass dies mit EU-Recht nicht zu vereinbaren und daher nichtig ist. Die Sparkasse sieht dies anders. Eine gerichtliche Klärung für alle Beteiligten ist die einzig mögliche Lösung für diesen Konflikt."
  • Tom Schmidt (Grüne): "Der anstehende Rechtstreit um die städtische Bürgschaft für den WCCB-Kredit ist in finanzieller Hinsicht wohl der schlimmste Teil des desaströsen politischen Erbes, das uns die Bonner Ex-OB Bärbel Dieckmann in diesem Fall offenbar im Zusammenspiel mit den damaligen Verantwortlichen der Sparkasse hinterlassen hat. (...) Beschädigt werden dabei mit Sicherheit beide, Sparkasse und Stadt, die bei zukünftigen Geschäften als Kreditnehmer an Reputation verlieren wird. Die größten Verlierer stehen jetzt schon fest: Es sind die Steuerzahler, die nicht nur für den Kredit, sondern auch noch für die Prozesskosten geradestehen müssen."
  • Wilfried Löbach (FDP): "Wir bedauern, dass es im Vorfeld zu keiner Einigung gekommen ist, sowie das Scheitern des Versuchs, ein Moderationsverfahren zu starten. Folgerichtig muss es jetzt zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen. Dies ist umso bedauerlicher, da die Sparkasse und die Stadt Bonn als Eigentümerin in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen."
  • Michael Faber (Linke): "Es war zu erwarten, bleibt aber bedauerlich, dass sich Sparkasse und Stadt jetzt vor Gericht auseinandersetzen müssen. Selbst wenn die Stadt gewinnt, drohen die Konsequenzen im Hinblick auf die Trägerschaft der Sparkasse hart auf Bonn durchzuschlagen. Der Streit zeigt einmal mehr, dass es beim WCCB auf öffentlicher Seite nur Verlierer gibt. Die blinde 'Investoren'-Gläubigkeit beim WCCB kommt Bonn so oder so weiter teuer zu stehen."
  • Bernhard Wimmer (Bürger Bund Bonn): "Wir sind davon überzeugt, dass die Sparkasse ihr Unglück selbst verschuldet hat. Die BBB-Fraktion unterstützt die Position von OB Nimptsch, gestützt auf Gutachten, die überzeugend darlegen, dass die Sparkasse keine Ansprüche gegen die Stadt geltend machen kann. "
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