Offene Ganztagsschulen Sorge um Erhalt der Betreuungsqualität

BONN · Die freien Träger der Betreuungseinrichtungen an den offenen Ganztagsschulen (OGS) in Bonn schlagen Alarm: Sie befürchten einen massiven Qualitätsverlust bei der Nachmittagsbetreuung der Grundschulkinder, wenn die Stadt Bonn die Zuschüsse nicht deutlich erhöht.

Am 1. Oktober findet deshalb im Gemeindezentrum der evangelischen Lukaskirche an der Nordstraße eine Art Krisensitzung mit allen OGS-Elternräten statt, wo der Arbeitskreis OGS über das drohende Finanzdesaster und seine Folgen informieren will, kündigte AK-Sprecher Stefan Dülberg am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit Vertretern anderer OGS-Träger im Haus der Caritas an.

Dülberg ist Vorstandsmitglied des Vereins Jugendfarm, der Träger von gleich mehreren offenen Ganztagsschulen in Bonn ist. Er hat eine Modellrechnung aufgemacht, nach der im Haushalt einer OGS in Bonn mit Betreuungsplätzen für 150 Kindern im nächsten Jahr ein Loch von rund 45 000 Euro klaffen wird. "Diese Rechnung ist vom Schulamt geprüft und für korrekt befunden worden", sagte er. Das Problem: Die Stadt Bonn hat seit zehn Jahren ihren Anteil der Zuschüsse trotz stetig gestiegener Personal- und Betriebskosten nicht erhöht. Vor zwei Jahren gab es zwischen Verwaltung und der Ratsmehrheit einen Riesenstreit, weil die Stadt ihren freiwilligen Zuschuss von 460 Euro pro Kind und Jahr vor dem Hintergrund der desaströsen Haushaltslage sogar noch einmal um 100 Euro reduzieren wollte. Hintergrund: Das Land NRW hatte zuvor seinen Zuschussteil von 820 auf 935 Euro pro Kind und Jahr erhöht. Doch der Rat lehnte eine Reduzierung des städtischen Zuschussanteils ab.

"Wenn sich an der finanziellen Lage nichts ändert, werden wir die Betreuung in den Ferien drastisch zurückfahren müssen und auch die Betreuungszeiten während der Schulzeit", sagte Ulrich Hamacher. Der Geschäftsführer des Diakonischen Werks Bonn/Bad Godesberg, das ebenfalls als Trägerin mehrerer offenen Ganztagsschule fungiert, erinnerte daran, dass die Träger bereits seit Jahren davor gewarnt hätten, die steigenden Kosten nicht länger kompensieren zu können.

Heißt in der Konsequenz, dass unter anderem auch Personalstellen wegfallen und Stundenanteile gekürzt werden müssten. "Das führt dann dazu, dass wir kein vernünftiges Fachpersonal mehr finden, weil die Arbeitsplätze unattraktiv sind", meinte Brigitte Mohn von der katholischen Jugendagentur. Doch eine Minderung der Betreuungsqualität würden die Eltern auf keinen Fall mittragen wollen, sagte Birgit Groten, Vertreterin der Elternschaft an der Laurentiusschule in Lessenich. Die Eltern der Michaelschule in der Weststadt haben bereits auf den Hilferuf der Träger reagiert und eine Unterschrifteninitiative gestartet.

Man habe vor der Kommunalwahl die Füße still gehalten, um eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema nicht zu gefährden, sagte Dülberg. Doch entgegen der Absprachen gebe es bis heute keine verbindliche Aussage zur Mittelerhöhung. "Die Stadt nimmt bewusst in Kauf, dass sich die Betreuungsqualität bei wachsenden Problemen in den Familien verschlechtert", kritisierte Hamacher. Michael Schäfer, Pfarrer der Lukaskirche, sprach noch ein weiteres Problem an: Gerade in Auerberg und Tannenbusch mit sozialen Problemen sei ein qualitativ gutes OGS-Angebot wichtig. Vizestadtsprecher Marc Hoffmann verwies auf die bevorstehenden Haushaltsberatungen der Stadt und wollte sich zur Kritik der OGS-Träger deshalb nicht äußern.

Zahlen zur OGS

Alle 50 Grundschulen und fünf Förderschulen in Bonn werden als offene Ganztagsschulen (OGS) geführt. 60 Prozent der Schüler werden zurzeit über den Unterricht hinaus in der Regel bis 16.30 Uhr betreut. Neben der Stadt Bonn liegt die Organisation in den Händen unterschiedlicher freier und kirchlicher Träger. Pro Kind und Jahr steht diesen Trägern ein Betrag von 2115 Euro zur Verfügung. Davon zahlt das Land 935 Euro, die Stadt 460 Euro, der Rest stammt aus den Elternbeiträgen, die je nach Einkommen gestaffelt sind, aber 150 Euro monatlich nicht übersteigen dürfen. Die OGS-Träger fordern 317 Euro pro Kind und Jahr mehr, um den derzeitigen Standard halten zu können. lis

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