Raubgräber in Bonn Sondengänger machen Archäologen das Leben schwer

BONN · Manchmal haben die Archäologin Jennifer Morscheiser vom LVR Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland und ihre Kollegen Glück. Dann können sie ein wertvolles archäologisches Fundstück sichern, das sonst in den undurchsichtigen Kanälen von Händlern und Privatsammlern verschwunden wäre.

Die Röttgener Volker Grünewald (rechts) und Oliver C. Thornton unterstützen den LVR ehrenamtlich und vollkommen legal als Sondengänger. Und sie können sich auch entsprechend ausweisen.

Die Röttgener Volker Grünewald (rechts) und Oliver C. Thornton unterstützen den LVR ehrenamtlich und vollkommen legal als Sondengänger. Und sie können sich auch entsprechend ausweisen.

Foto: Ochmann

So auch in einem Fall aus Bornheim, wo laut Morscheiser viele römische Villen standen und man entsprechend gut fündig werden kann. Das wusste auch ein Raubgräber, der dort eine Satyr-Figur aus dem Boden grub. In einem der gängigen Foren plauderte er freimütig über den Fund und Fundort, und war sehr leicht zu identifizieren.

Aber in der Regel ist die Szene sehr viel verschwiegener und vorsichtiger. Morscheiser und ihre Kollegen schauen regelrecht in die Röhre und auf Äcker voller Löcher, wo Raubgräber ganze Arbeit geleistet haben. Und die Szene in Bonn ist riesig, wissen die Archäologen. "Das ist ein ganz massives Problem für die Bodendenkmalpflege im Rheinland, und sowohl der historisch-archäologische als auch der materielle Schaden ist immens", sagt Morscheiser.

Für teilweise horrende Summen werden die Funde angeboten, auf Märkten und im Internet. Und das Bonner Stadtgebiet ist eine Fundgrube für Raubgräber. "Das hier ist eine reiche Kulturgegend, in einer Stadt wie Bonn, mit dieser Siedlungsgeschichte, kann man theoretisch alle zehn Quadratmeter etwas finden", sagt Morscheiser.

Viele mögliche Fundstellen seien bekannt. So auch die Merowingersiedlung an der Bundesstraße 9 zwischen Bechlinghoven und Vilich-Müldorf, die jetzt vom LVR ausgegraben wurde. "Das ist eine Fläche von zwölf Hektar. Die war in den oberen 30 Zentimetern fast metallfrei", sagt Morscheiser. Bei einer Siedlung dieser Größe ein Ding der Unmöglichkeit.

Auch dort hatten Raubgräber ganze Arbeit geleistet. "Man ärgert sich sehr, so gehen auch viele Erkenntnisse verloren, für uns und die Datierung ist wichtig, dass wir zum Beispiel Münzen an Ort und Stelle finden", sagt die Archäologin. Wie groß die Szene ist, sei schwer einschätzbar. "Namentlich bekannt sind 20 bis 25 Leute." Sie kämen nicht nur aus Bonn, sondern teilweise auch aus den Niederlanden angefahren. Ungehindert könnten sie ihrem fragwürdigen Hobby nachgehen, angesprochen würden sie fast nie.

"Weihnachten sind vier ehrenamtliche Mitarbeiter von uns mit Metalldetektoren über einen Acker gegangen, an dem viele Spaziergänger vorbeikamen. Glauben Sie nicht, dass die auch nur einmal angesprochen wurden, was sie denn da tun", berichtet Morscheiser. Doch es gibt nicht nur Sondengänger, die der professionellen Archäologie das Leben schwer machen. Auf die Unterstützung mancher sind die Archäologen regelrecht angewiesen.

Zwei von ihnen leben in Röttgen: Oliver C. Thornton und Volker Grünewald unterstützen den LVR ehrenamtlich als Sondengänger. Nach einem halben Jahr Probezeit dürfen sie für die Denkmalpfleger arbeiten. Thornton kaufte sich einen Metalldetektor, weil er die Schienen der alten Feldbahnen in Röttgen suchte.

Und er ärgert sich darüber, dass der LVR dem Treiben der Grabräuber tatenlos zusehen muss. "Die Szene hat freie Hand. Selbst wenn man der Polizei konkrete Hinweise gibt, greift sie nicht ein, die haben andere Sorgen", sagt Thornton. Das sieht auch Grünewald so, der seit gut einem Jahr einer der 15 ehrenamtlichen Sondengänger der LVR-Außenstelle Overath ist, die insgesamt von rund 90 Freiwilligen unterstützt wird.

Der Reiz sei der, den jedes Kind verspürt, das sich auf Schatzsuche begibt. "Bei jedem Fund stellt man sich die Fragen ,Wie ist es dahin gekommen?' oder ,Wem hat das gehört'?", sagt Grünewald. "Ich bin vorher schon mit der Sonde umhergegangen." Was ziemlich ehrlich, weil verboten ist. "Aber ich wollte das Hobby auf legale Füße stellen", sagt er.

Sein schönstes Stück habe er im Kottenforst gefunden, an einem römischen Wachturm. Es ist ein Möbelbeschlag, hing ursprünglich als Verzierung von einem Griff herunter: ein Satyrkopf. Offensichtlich ein beliebtes Motiv bei den alten Römern, wie der Fund aus Bornheim nahelegt. Nur dass die Figur in diesem Fall von jemandem gefunden wurde, der sich des Wertes derartiger Funde für die Archäologie bewusst ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort