Menschen an der Uni Bonn So sieht die Arbeit eines Glasbläsers aus

Bonn · Tobias Schönberg repariert Gefäße und Versuchsapparate für die Chemischen Institute der Uni Bonn. Zwischen Diamantsägen und Schleifmaschinen besteht reichlich Verletzungsgefahr.

 „Immer schön drehen“, lautet ein Tipp von Tobias Schönberg. Dann beginnt das Glas auch nicht zu tropfen.

„Immer schön drehen“, lautet ein Tipp von Tobias Schönberg. Dann beginnt das Glas auch nicht zu tropfen.

Foto: Martin Wein

Sein Gewerbe gehört seit zwei Jahren zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Doch was Tobias Schönberg aus Röhren, Kugelschliffen, Hähnen und Rundkolben zusammenschmilzt, ist brandaktuell – und wäre ohne die Fachkenntnisse des 36-Jährigen auch brandgefährlich. Seit 2005 arbeitet der Rheinbacher in der Glasbläserei der Universität Bonn und hat sich bis auf ein paar kleine Schnitte noch keine nennenswerte Verletzung zugezogen.

Dabei gäbe es in Schönbergs Werkstatt im Erdgeschoss der Chemischen Institute auf dem Campus Endenich ausreichend Gelegenheit dazu. Zwei offene Flammen der Glasbrenner fauchen im Raum und erzeugen eine Hitze bis zu 2500 Grad Celsius. Überall liegen unfertige oder defekte Glasgefäße und harren ihrer Reparatur oder Fertigstellung. Diamantsäge, Tellerschleifmaschine, Hohlbohrer und Vakuumpumpe ergänzen den Maschinenpark. „Die Ausstattung ist wirklich hervorragend“, sagt Schönberg, „und die Aufgaben sind immer wieder interessant“.

Dass die Digitale Revolution ihm in den kommenden Jahrzehnten den Arbeitsplatz streitig macht, glaubt Schönberg außerdem auch nicht. Zu individuell sind die Wünsche, zu speziell die Anforderungen an seine Tätigkeit. Anders als Kollegen in der Industrie, die oft wochenlang dasselbe machen, muss Schönberg bei jedem Werkstück neu ansetzen. „Da werden sich Maschinen noch lange nicht rechnen“, ist er überzeugt.

(K)ein Fall für den Kampfmittelräumdienst

Bis es vielleicht irgendwann doch soweit ist, schafft Schönberg die Voraussetzungen dafür, dass Lehrende und Lernende in den Laboren überhaupt Hand anlegen können. Ohne entsprechende Versuchsapparaturen vom jedem Schüler bekannten Erlenmeyerkolben bis zum komplexen Gaschromatographen sind stoffliche Versuche nicht denkbar. „Und wenn die Apparate nicht einwandfrei sind, kann das schnell ein Fall für den Kampfmittelräumdienst werden“, erzählt Schönberg.

Solche Situationen hat er selbst vereinzelt schon erlebt. Deshalb lässt er sich von Professoren, Assistenten und Doktoranden in seiner wöchentlichen Sprechstunde oftmals ganz genau erklären, was sie benötigen und wofür. Die enge Zusammenarbeit mit dem Lehrbetrieb genießt er sehr und hat sich mit der Zeit auch selbst ein paar chemische Grundkenntnisse angeeignet.

Die Geräte selbst setzt Schönberg mit fast blinder Sicherheit aus vorgefertigten Komponenten zusammen. Nur Kindergartengruppen oder neugierige Reporter dürfen auch mal eine Glaskugel selbst aufblasen – aber bitte nicht aus voller Lunge. Anschließend träufelt der Fachmann noch eine Aufhängung dran – und fertig ist die Fenster-Deko.

Alles andere – hier ein Absperrhahn dran, dort ein Stück Rohr ab – erhitzt der Mann vor der Flamme, wie man im Fachjargon sagt, mit Druckluft im Brenner, bis bei 535 Grad der Schmelzpunkt von Borosilikatglas erreicht ist. Und bitte immer schön drehen, damit das Glas nicht zu tropfen beginnt. Schließlich verschmilzt Schönberg die Komponenten miteinander, streicht alles glatt und lässt es aushärten.

Mehr als tausend Aufträge pro Jahr

Thermohandschuhe trägt Schönberg bei der Arbeit nur bei wirklich großen Werkstücken. Glas sei schließlich ein extrem schlechter Wärmeleiter, sagt er. Die Spezialbrille filtert bei der Arbeit die Natriumlinie aus dem Licht des hellen Brenners und erlaubt damit eine bessere Sicht auf die Werkstücke. Auch verkratzte Röhren und Kolben oder kleine Löcher kann Schönberg so ganz elegant heilen. In den Laboren werde nicht immer zimperlich gearbeitet, erzählt er.

Mit seinen Reparaturen erspart der Glasbläser der Universität aber viele Neuanschaffungen. Nur dauert es bei der Auftragsflut von mehr als tausend Bestellungen im Jahr im Regelfall ein bis zwei Monate, bis ein Stück wieder wie neu aussieht. Für die Reparaturwünsche von Bonner Bürgern, die gerne ihren Kronleuchter oder ihre Glasvase retten möchten, bleibt indessen in der Glasbläserei der Uni keine Zeit.

Beim Verschmelzen entstehen im Glas allerdings oftmals unsichtbare Druck- und Zugspannungen zwischen den erhitzten, flüssigen und den fest bleibenden Teilen. Damit die Gefäße bei großer Hitze oder Belastung nicht springen, kommen sie deshalb alle noch in einen Glasofen. Der erhitzt alle Teile gleichzeitig bei großer Hitze und kühlt dann über Nacht ganz langsam ab. Schönberg verrät: „So bekommt man ein Glas hin, wie es etwa für Kaffeekannen verwendet wird.“

Keine Anfrage bringt Schönberg aus der Ruhe

Auch wenn Schönbergs Arbeit auf den ersten Blick so leicht von der Hand geht – so braucht man dafür doch viel Fachwissen. Keineswegs lassen sich etwa verschiedene Glassorten miteinander verbinden. Und auch wer eine Kugel aufbläst, braucht dafür mehr Fingerspitzengefühl als Lungenkraft.

Gelernt hat Schönberg, dessen Vater schon einen Betrieb für Glasveredelung besaß, zunächst an der Glasfachschule in Rheinbach. Den technischen Apparatebau lernte er dann im niederbayerischen Zwiesel. Nach 13 Berufsjahren an der Universität Bonn kann ihn jetzt eigentlich keine Anfrage mehr aus der Ruhe bringen, und nur in wenigen Fällen setzt er sich vor der eigentlichen Arbeit für eine technische Zeichnung an den Computer.

Aber wenn er auf Weihnachtsmärkten besonders schöne Glas-arbeiten seiner künstlerisch tätigen Kollegen entdeckt, dann schaut Tobias Schönberg doch schon einmal genauer ins Glas.

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