Interview mit dem früheren Stadtbaurat So hat sich Bonns Stadtbild mit der Zeit verändert

Bonn · Gut 16 Jahre hat Sigurd Trommer als Stadtbaurat die städtebauliche Entwicklung Bonns begleitet. Nach dem Bonn-Berlin-Beschluss war er maßgeblich am Strukturwandel Bonns beteiligt. Mit Sigurd Trommer sprach Lisa Inhoffen.

Sigurd Trommer: Diese Entwicklungsmaßnahme begann 1974 und ist eine der größten in Deutschland. Sie vereint mit dem Ziel des Ausbaus der Bundeshauptstadt bis 1991 und danach dem Ziel, Kernbereich des Strukturwandels zu sein, zwei Gegensätzlichkeiten. Beide Ziele sind erstaunlicherweise geglückt, wie man anhand der vielen namhaften Adressen ablesen kann. Aber wo viel Licht ist, gibt es auch Schatten.

Was meinen Sie damit?

Trommer: Ich will nicht die in den 1960er Jahren mögliche und von Bund und DB weitgehend zu finanzierende Tieflage der DB-Schiene nochmal beweinen. Aber das hätte einen unglaublichen Entwicklungsschub bedeutet, und der Bonner Hauptbahnhof wäre heute ICE-Bahnhof. Auch mehrere höhenungleiche Querungen der DB-Schiene wären Anfang der 90er Jahre möglich gewesen, aber die Politik wollte an das Thema nicht heran.

Wo hakte es bei der Entwicklung des Bundesviertels besonders?

Trommer: Die Zeit meiner Verantwortung war einerseits geprägt von der Aufgabe, eine neue Entwicklung, einen Strukturwandel für Stadt und Region nach Verlust der Hauptstadtfunktion zu erfinden. Andererseits galt es, nicht unkritisch nach jedem (vermeintlichen) Entwicklungs- und Investitionsangebot zu schnappen, sondern Qualität einzufordern und im baulich Gestalterischen vor allem durch Wettbewerbe sicherzustellen und durchzuhalten. Exemplarisch ist der Bonner Bogen: Wäre hier nicht über zehn Jahre an den Zielen, einen erstklassigen Bürostandort zu entwickeln, festgehalten worden, stände dort wahrscheinlich ein Möbelhaus inmitten asphaltierter Parkplatzwüste.

Was hat sich im Vergleich zum früheren Regierungsviertel verändert?

Trommer: Am bedeutsamsten für mich sind Einstellung und Wahrnehmung dieses großen Stadtteils. Der großartige Rheinauenpark war an den Rändern von Bonn, Bad Godesberg und Beuel entstanden, er verknüpfte diese ehedem selbstständigen Städte an ihren Rändern. Die Bebauung an diesen Stadträndern lief niedriger werdend und wenig wahrnehmbar auf den Park zu. Für mich, aus der fernen neugegründeten Stadt Wolfsburg kommend, ist der Rheinauenpark eher der Central Park von Bonn, eine herrliche grüne Mitte, die durch deutlich wahrnehmbare markante Gebäude einen Rahmen bekommen sollte. T-Mobile, Cäsar, Volksbank und Post Tower sind bereits Bestandteile dieses Rahmens. In historischer Betrachtung ist das Bundesviertel für mich eine Bonner Neustadt.

Jetzt soll eine Rahmenplanung für das Bundesviertel auf den Tisch. Ist das sinnvoll?

Trommer: Ja. Die Erstbebauung im Bundesviertel ist weitgehend abgeschlossen, Nachverdichtungen und Ersatz beginnen. Mobilitätsstrukturen wurden ergänzt, wie die neue Haltestelle „UN Campus“, und müssen weiter optimiert werden. Die Seilbahn zum Venusberg ist ein guter Vorschlag. Will man nicht vorschnell sehr qualitätvoll entstandene Strukturen mit hohem Identifikationspotenzial opfern, sondern diese Bonner Neustadt sinnvoll weiter entwickeln, ist die Rahmenplanung der richtige Weg.

Bis diese Rahmenplanung auf dem Tisch liegt, müssen andere Projekte, wie der Neubau für die Post am Post Tower, den Marc Asbeck auf 17 Stockwerke erhöhen will, warten. Ist das nicht kontraproduktiv?

Trommer: Zu den vorher schon erwähnten besonders qualitätvollen Strukturen, die dem Bundesviertel Identität verleihen, gehören neben der Museumsmeile, Teilbereichen der B 9, dem „Pfad der Demokratie“ vom Museum Koenig über UN bis hin zum Post Tower auch die Kurt-Schumacher-Straße mit den ehemaligen Landesvertretungen. Auch das Johanniterviertel mit Klinik und den ehemaligen Botschaften der Niederlande und Kanadas hat ein Gesicht. Will man hier in Nähe zum Post Tower weitere Verdichtungen herbeiführen, was aus Unternehmenssicht nachvollziehbar ist, muss man die heutige Situation gründlich analysieren mit dem Ziel, gebaute Qualitäten zu erhalten. Nachrangige Strukturen kann man ersetzen mit dem Ziel, Höherwertiges zu erstellen. Dafür bedarf es auf Basis gründlicher Analysen Qualifizierungsverfahren wie städtebauliche und architektonische Wettbewerbe. Ohne dieses engagierte Vorgehen droht „Bühnenarchitektur“, die sich nur am kurzfristigen Bedarf orientiert.

Wo kann man dort weitere Hochhäuser vertretbar ansiedeln?

Trommer: Wesentliche Standortkriterien sind zum Beispiel die Topografie, die fußläufige Nähe zu Bahnhaltestellen. Je nach Nutzung als Büro, Hotel oder Wohnung müssten zudem urbane Strukturen sinnvoll auch mit Versorgungsinfrastrukturen wie Einzelhandel und Gastronomie weiterentwickelt werden. Ein Kriterium ist auch die Lage mit Sichtbeziehungen und Grünstrukturen. Ein sehr guter Standort für weitere Hochhäuser ist der Bereich südlich der Telekom/B 9/A 562, ebenso der Standort des Landesbehördenhauses.

Und wo sonst noch könnte die neuen Bonner Skyline wachsen?

Trommer: Für weitere Standortmöglichkeiten empfehle ich, die Bereiche um die Haltestellen des Schienenverkehrs in einer fußläufigen Entfernung zu untersuchen. Das Bundesviertel hat – neben mehreren Kasernenstandorten – dem Bund und nach 1991 auch vielen Unternehmen Entwicklungsmöglichkeit gegeben und die Bonner Gründerzeitquartiere sowie die Bad Godesberger Villenstrukturen somit vor Überformung bewahrt. In dieser Neustadt konnten andere Größenordnungen verwendet werden und zu einer Eigencharakteristik beitragen. In diesem Sinne kann man weiterbauen unter Beachtung der vorgenannten beispielhaften Standortkriterien.

Am Bundeskanzlerplatz darf der Investor bis zu 100 Meter hoch bauen. Ist das vertretbar?

Trommer: Bei der Höhe des geplanten Hochhauses auf dem Ex-Gelände des Bonn-Centers sollte man nicht kleinlich sein: Wenn die Randbedingungen nichts Gegenteiliges ergeben, kann man auch höher bauen. Auch der Post Tower hätte höher sein können...

Auch am Bonner Bogen will ein Investor ein Hochhaus hinsetzen...

Trommer: Hier muss man erst einmal das Groteske verdauen: Ein Hochhaus, damit man irgendwie mit der Altlastenbeseitigung zurechtkommt? Und dann ein weiteres Bauwerk, obwohl das vorhandene unfertig und ungenutzt vor sich hinbleicht? Und als Begründung ein Dissens mit der Stadt? Wenn es zur einvernehmlichen Klärung nicht reicht, gibt es Gerichte. Zur städtebaulichen Frage: Für den Bonner Bogen ist mit großem Engagement, Zeit, Geld, Bürgerbeteiligungen, Wettbewerben ein Bebauungsplan für die städtebauliche Ordnung entwickelt worden, also ein kommunales Gesetz, das sich die Stadtgesellschaft zur Regelung ihrer Stadtentwicklung gegeben hat. Wenn man hier dominant, großvolumig ergänzen oder verändern möchte, dann muss man diesen gesellschaftlichen Prozess erneut aufnehmen und sehen, ob ein Konsens erzielt werden kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort